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SCHACH-SPHINX/07116: Kulturgeschichtlicher Schock (SB)


Die arabisch-islamische Kultur steht dem Glücks- und Wettspiel seit jeher mit unversöhnlicher Härte gegenüber. Überhaupt wird jede Art von persönlicher Bereicherung beispielsweise durch Wucherzinsen oder Verteuerung von Waren, die für breite Bevölkerungsschichten zum grundexistentiellen Bedarf gehören, im Koran, dem religiösen Buch des Islam, wie ein Kapitalverbrechen behandelt. Wettpreise waren für die Araber eine nicht minder ruchlose Betrügerei und Verletzung hochheiliger Umgangsformen unter Menschen. Auf ihren Entdeckungsreisen machten die Araber auch Kontakt mit den Sitten der Inder, an denen sie besonders interessiert waren, kam doch das Schachspiel ursprünglich aus Indien und dann über die Perser zu ihren. Die frühen Berichte zeichnen jedoch ein grausames Bild dieser bilateralen Kontakte. Mag sein, daß einiges überzeichnet wurde, ein Körnchen Wahrheit enthalten sie jedoch gewiß. So schrieb der arabische Historiker al-Mas'udi um 950: "Wenn die Inder Schach spielen, wetten sie um Stoffe oder Edelsteine, doch kommt es manchmal vor, daß ein Spieler, der seinen ganzen Besitz verloren hat, eines seiner Glieder verwettet. Da wird neben die Spielenden ein kleines Kupfergeschirr über ein Holzfeuer gesetzt, worin eine rötliche Salbe, eine Spezialität dieses Landes, gekocht wird. Sie hat die Eigenschaft, Wunden zu heilen und fließendes Blut zu stillen. Wenn nun ein Mann, der um einen seiner Finger gewettet hat, verliert, schneidet er den Finger mit einem Dolche ab, steckt die Hand sofort in die Salbe und brennt die Wunde aus, dann kehrt er zum Spiel zurück. Ist ihm das Glück abhold, so opfert er noch einen Finger, und es kommt vor, daß sich einer, der fortgesetzt verliert, der Reihe nach alle Finger, die Hand, den Unterarm, den Ellenbogen und noch andere Körperteile abschneidet. Nach jeder Amputation ätzt er die Wunde mit der Salbe, die eine merkwürdige Mixtur von typisch indischen Bestandteilen und Drogen von außerordentlicher Wirkung ist. Dieser Brauch, von dem ich eben sprach, ist eine allgemein bekannte Tatsache." Tatsache ist im heutigen Rätsel der Sphinx jedenfalls, daß Weiß mittels Td8xf8+! Matt drohte, weswegen Schwarz nun zur Abwehr 1...Lf5-d7 spielte. Ob er damit die grundsätzliche Gefahr gebannt hatte, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/07116: Kulturgeschichtlicher Schock (SB)

Geller - Pantschenko
Sotschi 1983

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Etwas mehr kämpferischer Sinn stände der schwarzen Position durchaus gut zu Gesicht, denn nach 1...Sc6-d4! verliert Weiß nach 2.Sa4-b6+ Ka8- b7 3.Db5-e5 Da7xb6 4.De5xg7 Sd4-e2+ 5.Kc1-b1 Th8-g8! notwendig, während seine Rettungschancen bei der besseren Abfolge 2.Db5-e5 Le8xa4 3.Td1xd4 ebenfalls zu wünschen übrig lassen.


Erstveröffentlichung am 21. November 2006

11. Dezember 2019


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