Wer erinnert sich nicht mit einem gewissen Schmunzeln an die Niederlage des FIDE-Weltmeisters Anatoli Karpow bei der Europa- Mannschaftsmeisterschaft von 1980 in Skara gegen Tony Miles? Der Engländer hatte seinerzeit nach dem Königsbauernzug 1.e2-e4 das verwegene Eröffnungsexperiment 1...a7-a6 unternommen mit der Folge 2.d2-d4 b7-b5. Ei der Tausend, da dreht sich einem der Schachverstand im Kopfe herum. Karpow verlor die Partie indes nicht auf Grund der Stichhaltigkeit des schwarzen Aufbaus, sondern weil er sich im Mittelspiel - vielleicht war er da schon ziemlich irritiert gewesen - einige Ungenauigkeiten zuschulden kommen ließ. Wer aber möchte glauben, daß Miles' Experiment Nachahmer gefunden hat? Doch, doch, noch im selben Jahr griff der Hamburger Bundesligaspieler Schulz anläßlich der 150-Jahres-Feier des Hamburger Schachklubs von 1830 gegen den neuseeländischen Großmeister Chandler zu dieser ausgefallenen Idee. Nachahmer gibt es bekanntlich überall dort, wo ihre Vorgänger Ruhm geerntet haben. Freilich blieb dem armen Schulz der große Erfolg verwehrt. Es gehört eben doch mehr dazu, einen Weltklassespieler zu besiegen, als das Nachleiern einer bestimmten Eröffnungsmelodie. Schulz hatte im heutigen Rätsel der Sphinx zuletzt 1...Dd8-b8? gespielt. Offenbar glaubte er allen Ernstes, nach dem Wegziehen mit dem Läufer auf b2 Schach geben zu können. Nicht wahr, Wanderer, Nachahmer sind schon eine besondere Sorte Mensch!
Chandler - Schulz
Hamburg 1980
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Nach beschaulicher Entwicklung griff der Engländer Keene zu, als sein
spanischer Kontrahent Bellon mit 1.Da3-c1? danebengriff: 1...Lh5xf3!
2.Kf2xf3 - 2.Le2xf3? Sc5-d3+ mit Damenfang - 2...Sc5xe4 3.Ld2xh6 -
Tribut an die Nerven, aber was sollte Weiß sonst spielen? - 3...g7xh6
4.Tg2-g6 Tg8xg6 5.f5xg6+ Kh7-g7 6.Le2-d1 Se4-c5+ und Weiß gab auf. Die
schwarze Bauernwalze hätte die Partie früher oder später ohnehin
entschieden.
Erstveröffentlichung am 17. September 2005
16. September 2018
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