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SCHACH-SPHINX/06527: Die Logik des Vorteils (SB)


In den modernen Zeiten ist der Kopf eines Schachmeisters vollgestopft mit unzähligen Varianten zur Spanischen Partie, zur Sizilianischen Verteidigung, zum Damengambit usf, usw. Man versteht nun wohl auch, warum es Mode-Varianten gibt. Die Entlastung, der Weg des geringeren Widerstandes war auch hier der Vater des Gedankens. Es verwundert daher auch nicht, daß neue Systeme, wenn sie eingeführt werden, zunächst ungemein erfolgreich sind. Die Hausanalyse ist schließlich der beste Ratgeber in Sachen Bedenkzeit. Der Logik des Vorteils zufolge ist es alles andere als nachteilig, wenn Spieler zu veralteten Systeme zurückgreifen, den Pfeil im Köcher an dieser und jener Stelle ein wenig spitzer feilen und dann auf Jagd gehen. Wer hat schon ein solch universelles Gedächtnis für die Dutzenden von Abzweigungen und Hunderten von Feinheiten beispielsweise der Wiener Partie? Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte der schottische Meister Motwani auf der Schacholympiade von Manila 1992 seinen portugiesischen Kontrahenten Antues mit ebendieser "alten" Eröffnung ein Bein gestellt. Antues, der plözlich auf den eigenen Hirnkasten angewiesen war, strauchelte denn auch beim siebten (!) Zug und stand zwei Züge später glatt auf Verlust. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte der Portugiese zuletzt mit 1...Sc6xd4 einen Bauern geschlagen. Sein Springer war durch Lf8-c5 zwar indirekt gedeckt, nicht aber so sein König, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06527: Die Logik des Vorteils (SB)

Motwani - Antues
Manila 1992

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die schwarzen Figuren standen in der Tat gedrückt auf der siebten und achten Reihe und die Rochadestellung war kaum geschützt. Daher nahm Weiß die Einladung zum Teufelsritt mit 1.Lb1xh7+! ohne Bedenken an. Nach 1...Kg8xh7 2.Sc3-e4 drohte das klassische Matt, aber Schwarz hatte noch eine Verteidigungsidee parat, so daß der weiße Angriff variationsreicher geführt werden mußte: 2...Kh7-g8 3.Se4-g5 g7-g6 4.Se3-g4 Se7-f5 - nur so, da andernfalls 4...Lf8-g7 5.Sg4-f6+ samt der Drohung De2-f3-h3 entschieden hätte - 5.Tf1xf5! - prächtige Inszenierung eines Mattdramas - 5...e6xf5 - 5...g6xf5 6.Sg4-f6+ Sd7xf6 7.e5xf6 und 8.De2-h5 setzt den Schlußpunkt - 6.De2-f2! Lf8-e7 7.Sg4- f6+ Sd7xf6 8.e5xf6 Le7xf6 - bittere Notwendigkeit, aber Schwarz hofft noch auf eine Ausrede - 9.Df2-h4! - zerstört alle Hoffnungen, nach 9...Lf6xb2 gewinnt 10.Te1xe8+! und Matt in zwei Zügen - 9...Td8-d1 10.Dh4-h7+ Kg8-f8 11.Lb2-a3+ Td1-d6 12.La3xd6+ Db8xd6 13.Te1xe8+! - berauschender Opferreigen - 13...Kf8xe8 14.Dh7xf7+ Ke8-d8 15.Sg5-e6+ Dd6xe6 16.Df7xe6 und die Partie war im Grunde entschieden. Schwarz war dem Matt zwar entkommen, materiell jedoch in eine aussichtslose Lage geraten. Es folgte noch 16...Tc8-c6 17.De6-g8+ Kd8-c7 18.Dg8xg6 Tc6-d6 19.g2-g3 Td6-d1+ 20.Kh1-g2 Td1-d2+ 21.Kg2-h3 Lf6-e7 22.a2-a4 Td2-f2 23.Dg6-f7 Kc7-d7 24.Df7-d5+ Kd7-c7 25.c4-c5 Le7-d8 26.b3-b4 Kc7-c8 27.b4-b5 a6xb5 28.a4xb5 Ld8-c7 29.Dd5-e6+ Kc8-d8 30.c5-c6 b7xc6 31.b5xc6 Tf2-d2 32.De6-g8+ Kd8-e7 33.Dg8-g5+ und Schwarz gab auf.


Erstveröffentlichung am 10. April 2005

7. April 2018


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