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SCHACH-SPHINX/06120: Arabische Anekdoten I (SB)


Der arabisch beherrschte Kulturraum kennt eine Anzahl hübsch pointierter Schachanekdoten, die von nun an nacheinander erzählt werden sollen. Schließlich wurde das Schach, wenn auch in einer anderen Form als heute bei uns üblich, von den Arabern nach Europa gebracht. Niqfur - in unserer Geschichtsschreibung heißt er Nicehporus - war König von Byzanz und tributpflichtig dem Herrscher von Bagdad al- Raschid gegenüber. Lange schon mißhagte ihm das arabische Joch. Also schrieb er an al-Raschid einen Brief, in dem er die Sprache des Schachspiels benutzte, um sich von der arabischen Schirmherrschaft ein für allemal loszusagen. "Von Niqfur, dem König von Byzanz an Harun, König der Araber, die Kaiserin, meine Vorgängerin auf dem Thron, billigte Dir den Rang eines Ruk (Turm) zu, sich selber achtete sie dem Range eines Bauern gleich und entrichtete Dir Tribut, den Du rechtmäßigerweise ihr hättest entrichten sollen. Dies geschah aus weiblicher Schwäche und Launenhaftigkeit. Wenn Du also meinen Brief gelesen hast, dann zahle mir den Tribut, den du bisher erhalten hast, zurück und komme selber zu mir mit dem, was Du mir schuldest. Andernfalls soll das Schwert zwischen uns sein." Der Herrscher der Rechtgläubigen war von dieser Unbotmäßigkeit ebenso erzürnt wie darüber, daß er, die Leuchte des wahren Glaubens, in Anspielung auf das Schachspiel zu einem Bauern erniedrigt wurde, daß er den Brief noch am selben Tage, da er ihn gelesen hatte, zurückschickte, doch nicht ohne zuvor auf der Rückseite des Schriftstücks seine Drohung niederzuschreiben: "Im Namen Allahs! Des Barmherzigen und Gnädigen! Von Harum, dem Feldherrn der Gläubigen, an Niqfur, den Hund aus Byzanz. Ich habe Deinen Brief gelesen, Sohn einer Ungläubigen. Die Antwort darauf sollst Du sehen und hören." So ließ er sein Heer mobil machen und ritt zu den Toren von Hiraqla, wo Niqfur seine Residenz hatte. Als dieser die gewaltige Armee des Arabers sah, zögerte er nicht, sich vor al-Raschid in den Staub zu werfen und um Vergebung zu bitten. Mit aller zweckdienlichen Katzenschmeichlerei erkannte er al- Raschid schließlich als seinen Ruk an, worauf sich der Herrscher von Bagdad versöhnlich gab und mit seinem Heerwurm wieder abzog, die Sättel jedoch voller Gold und wertvoller Edelsteine. Du siehst also, Wanderer, daß man keinen Herrscher als Schachbauern beschimpfen darf, wenn man nicht die nötige Stellung dazu besitzt. Im heutigen Rätsel der Sphinx besaß Meister Rjumin durchaus die Macht, alles zu sagen und zu tun, denn der weiße König schwebte bereits in einem unentrinnbaren Mattnetz.



SCHACH-SPHINX/06120: Arabische Anekdoten I (SB)

Popow - Rjumin
Moskau 1979

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Nichts hätte den Blick des schwedischen Meister trüben können, denn deutlich sah er vor seinen Augen den Gewinnweg: 1.Le4xg6!! Se5xg6 2.Sh4-f5+ Kg7-f7 3.Dd2xh6 Tf8-g8 4.Ta1-e1! Ta8-a7 5.Sf5xe7! Ta7xe7 6.Tf1xf6+! Kf7-e8 7.Te1xe7+ Sg6xe7 8.Tf6xd6 und Schwarz gab auf, da er nach 8...Db6-c7 9.Dh6-h5+ Ke8-f8 10.Td6-f6+ Kf8-g7 11.Dh5-h6# mattgesetzt worden wäre.


Erstveröffentlichung am 03. März 2004

23. Februar 2017


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