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SCHACH-SPHINX/05964: Bequeme Denkart des Vorgegebenen (SB)


Als Adolf Anderssen bei seinem Pariser Wettkampf gegen den amerikanischen Kombinationskünstler Paul Morphy zum seltsam-skurrilen Eröffnungszug 1.a2-a3 griff, fand sich niemand unter den angereisten Meisterkollegen, der spöttisch die Lippe verzog. Wie denn auch! Anderssen war ihr Schlachtroß, einer, der in zahlreichen Partien bewiesen hatte, daß nicht der Götze der Theorie den Ausschlag gab und was dieser für tischfein hielt, sondern allein und ausschließlich, was der Spieler sich gedankenstark zusammenreimt. Heutzutage scheint wenig von dieser Geisteshaltung übriggeblieben zu sein. Alle Welt spielt nach der Norm, begnügt sich mit der bequemen Denkart des Vorgegeben. Die Zeiten sind wohl verflossen, wo eigenes Gedankengut die Speise des Schachspiels würzte, und derjenige belächelt und schief angesehen wurde, der nichts beitrug zum Erkunden von Neuland. Es läßt sich unter vielen Meistern eine gewisse heilige Scheu finden, die geradezu zurückschreckt vor dem risikobeladenen Schritt in Gefilde, wo das Latein der häuslichen Vorbereitung tatsächlich zu Ende und nutzlos wäre. Sicherlich, das Zeitnotgespenst hat in dieser Sache seine Schuldigkeit getan. So begibt man sich lieber in den Griff der gewohnten Fessel. Jede Zeit wählt sich ihre Gespenster. Man muß sie aber auch zu vertreiben wissen. Und damit zurück zum heutigen Rätsel der Sphinx und zu einem Meister, der keine Gespensterfurcht zu kennen schien und unbetretene Bezirke so willkommen hieß wie kaum einer in seinem Jahrhundert. Also, Wanderer, wie brachte sich David Bronstein mit Weiß am Zuge in Siegesnähe?



SCHACH-SPHINX/05964: Bequeme Denkart des Vorgegebenen (SB)

Bronstein - Olafsson
Portoroz 1958

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Zug 1.Lc5xb6? ließ gänzlich außer acht, daß der feine Zwischenzug 1...g5-g4! alle Zuversicht und Träumerei zunichte machte. Meister Treybal sicherte sich seine Mehrfigur, doch nach 2.Lb6-a5 Tb8xb2! 3.Sd4-c2 - 3.Td2xb2 Dh6xc1 und das Matt auf h1 ist nicht mehr zu verhindern - 3...Tb2-b3 4.Tc1-g1 h4xg3+ gab er belehrtermaßen auf, weil auf 5.Tg1xg3 Dh6xh3+ 6.Tg3xh3 Tb3xh3+ nebst 7...Th3-h1# gefolgt wäre.


Erstveröffentlichung am 01. Oktober 2003

20. September 2016


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