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SCHACH-SPHINX/05754: Korrumpierte Zeit (SB)


Kein Sportwettkampf zieht sich so lange hin wie der Weltmeisterschaftskampf um die Schachkrone. Das soll in Zukunft anders werden. Statt des ehrwürdigen Dauer- und Zweierduells zwischen Herausforderer und Thronhalter ist geplant, im Sinne der Fastfood- Mentalität K.o.-Turniere einzuführen. Wer verliert, fällt vom Karussel herunter, und wer zuletzt noch allein im Ring steht, darf sich die Krone aufsetzen. Zeitgemäß ist diese Korrumpierung auf jeden Fall, erhofft man sich doch dadurch, das Schach medienwirksamer an den Mann bringen zu können. Sicherlich, der Marterweg beim 179tägigen WM-Kampf 1984/85 zwischen Anatoli Karpow und Garry Kasparow, der noch nicht einmal zu Ende geführt, sondern durch den FIDE-Präsidenten Campomanes abgebrochen worden war, spottete jeder Tradition. Schuld daran war aber nicht die Form des Wettkampfs, sondern lediglich die damals neu erlassene Bestimmung der unbeschränkten Zahl an Partien. Da sich Karpow und Kasparow seinerzeit in schier endlosen Remisgeplänkeln aufrieben, geriet sogleich die ganze Wettkampfidee in Verruf. José Capablanca und Alexander Aljechin hatten 1927 "nur" 74 Tage benötigt, um unter sich den Sieger und Weltmeister zu ermitteln. Grundsätzlich ist gegen eine Reform kein Einwand zu erheben, aber wenn mit dem Bade auch das Kind ausgeschüttet wird, beginnt man sich doch allen Ernstes zu fragen, ob es zulässig und tragbar sein kann, wenn Mediengewalt und Profitinteressen einzelner Gruppen dem Schachspiel einen widersinnigen Stempel aufdrücken. Zurück zum längsten WM-Kampf in der Schachgeschichte und damit zum heutigen Rätsel der Sphinx. Anatoli Karpow hatte an diesem 1. Oktober keinen guten Tag. Alles ging schief vom Aufstehen bis zum Vorbereitungstermin mit seinen Sekundanten. Als er in der Partie zuletzt 1...Tc8-d8? zog, war ihm der Tag gänzlich vermiest worden. Warum, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05754: Korrumpierte Zeit (SB)

Kasparow - Karpow
11.WM-Partie 1984/85

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Alexander Aljechin hatte keine Mühe, die kleine Gewinnkombination, die mit 1.Tf7xg7! Tf8xf6 2.Kf4-e5 eingeleitet wurde, zu finden. Natürlich gab Meister Yates nach kurzem Überlegen auf. Er benötigte nicht hundert Jahre, um zu erkennen, daß er nach 2...Tf6-f8 3.Tg7-h7+ Kh8-g8 4.Tc7-g7# mattgegangen wäre.


Erstveröffentlichung am 08. März 2003

22. Februar 2016


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