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SCHACH-SPHINX/05646: Ironische Hintertür (SB)


Rätsel umgeben noch heute den ehemaligen Weltmeister Emanuel Lasker. Seine Spiellaune, denn so muß man es bezeichnen, war von bestechender Unfaßbarkeit. Wenig pretentiös war sein Partiebeginn, unspektakulär auch der Übergang ins Mittelspiel, doch dann, unmerklich oft, übernahm Lasker, der keineswegs immer die besten, nicht selten und kurioserweise sogar nur die zweit- oder drittbesten Züge finden wollte, das Ruder. Entlang verborgener Klippen manövrierte er das Schiff, und wie es ihm paßte, steuerte er entweder hart gegen den Wind oder ließ sich treiben. In diesem Partieabschnitt beherrschte er die Lage und auch den jeweiligen Kontrahenten. Es war, als ob die Spinne ihrer Beute sicher sein konnte, egal, wie sehr sie zappelte oder auch diesen und jenen Faden abriß. Das Netz schmiegte sich sofort an anderer Stelle um das bißchen Fliege, das entkommen wollte. Einer seiner Großmeisterkollegen, der Wiener Rudolf Spielmann, näherte sich dem "Phänomen Lasker" durch die ironische Hintertür: "Letzten Endes ist das Vorbereiten freilich eine große Kunst, ebensogroß wie das Spiel selbst. Der größte Künstler der Vorbereitung ist wohl Dr. Lasker. Er versteht dieses Metier wie kein anderer. Allerdings muß er alle Kräfte hierfür aufwenden. Seine philosophischen Eigenschaften kommen ihm hierbei sehr zugute. Wieviel Sorgfalt er in dieser Beziehung anwendet, erhellt sich aus der Bedingung, die er den Turnierveranstaltern zu stellen pflegt: mehrere Monate vor Beginn muß ihm die definitive Einladung zugestellt werden! Als er noch Weltmeister war, forderte er für Wettkämpfe sogar eine mindestens sechsmonatige Frist! Also mehrere Monate braucht dieser größte aller Turnierspieler, um kampfbereit zu sein! Der Strebende merke sich dies und nehme sich's zu Herzen. Er kann durchaus zumindest etwas lernen, was als vorbereitender Faktor für Erfolg und Größe von hervorragender Bedeutung ist. Nämlich Erkennen der menschlichen Unvollkommenheit, Erkennen der Grenzen der eigenen Fähigkeiten, Erkennen, wie unergründlich tief, schön und rätselvoll das Schachspiel ist, oder mit einem Wort - Bescheidenheit!" Die Schleier über Lasker werden dadurch nicht gelüftet, gestatten jedoch, einige Blickwinkel kennenzulernen, unter denen er von Zeitgenossen gesehen wurde. Im heutigen Rätsel der Sphinx "überrumpelte" er seinen späteren Thronräuber José Capablanca. Mit den weißen Steinen hatte Lasker aus der Abtauschvariante der Spanischen Partie dies Stellungsnetz um Capablanca gesponnen. Mit welchem Manöver zog er es fest, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05646: Ironische Hintertür (SB)

Lasker - Capablanca
St. Petersburg 1914

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Um die innere Kohärenz gebracht, fiel die schwarze Stellung nach 1.Sc3- d5! wie ein Kartenhaus im Sturm zusammen. Dem Nachziehenden blieb kaum etwas anderes, als sich nach 1...Db6xb5 2.Dh5xg6! f7xg6 3.Sd5-e7+ Kg8- h8 4.Tf1-f8# mattsetzen zu lassen.


Erstveröffentlichung am 21. November 2002

02. November 2015


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