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SCHACH-SPHINX/05506: Der Menschenfresser aus Baku (SB)


Sevilla 1987. In der südspanischen Hafenstadt und Handelsmetropole Andalusiens herrschte rege Betriebsamkeit. Nachdem Garry Kasparow zwei Jahre zuvor Anatoli Karpow vom Schachthron gestoßen hatte, begegneten sich beide wieder auf dem Duellantenplatz, diesmal jedoch mit umgekehrten Vorzeichen. Die Situation war gespannt. Daß beide sich nicht grün waren, merkte man nicht erst im Spielsaal. Sowohl im Vorwege des Turniers als auch unmittelbar hinter den Kulissen schwappte die schwarze Flut des Ressentiments über. Nun waren Karpow und Kasparow beileibe nicht die ersten weltmeisterlichen Rivalen, die sich nicht nur auf dem Brett anfeindeten. Aber Sevilla war 1987 nicht nur ein Ort des Rachefeldzugs. Auch die Freunde des Anekdötischen kamen dort auf ihre Kosten. Richten wir den Blick auf die 15. Wettkampfpartie. Karpow besitzt beim Abbruch der Partie einen Bauern mehr. Nur verwerten lassen konnte er sich nicht. So dachten nicht nur die Laien. Auch die Experten waren in diesem Punkt einhelliger Meinung. Die Partie war tot und remis, remis und tot. Alein Karpow stellte sich stur. Gereizt, wie man ihn selten sah, zog er sich aus der Halle zurück und meldete sich 15 Stunden lang nicht. Dann endlich klopfte sein Chauffeur und Freund Pischenko beim holländischen Schiedsrichter Gijssen an und überbrachte ihm Karpows Remisangebot. Erleichtert machte sich Gijssen nun auf zu Kasparow, doch der war gerade spazieren, und als Gijssen zum zweiten Mal kam, lag der Weltmeister gerade im Bett, und dessen spanische Köchin wagte es nicht, den Schlafenden zu wecken. Karpow, der langsam ungeduldig wurde, fühlte sich von Kasparows 'Kasperletheater' düpiert und wollte schon sein Remisangebot zurückziehen. Nur der händeringenden Überzeugungsarbeit von Gijssen war es zu verdanken, daß es nicht zu einem offenen Eklat kam. Nach einigem Hin und Her und diversen giftigen Blicken, Gesten, Worten kam es endlich zum lang erwarteten Remis. Josif Dorfman, Chefsekundant in Kasparows Heerlager, rechtfertigte die lange Verzögerung bei der Annahme des Remisangebots folgendermaßen: "Was wollen Sie? Karpows Chauffeur beschloß, Remis anzubieten, aber unsere Köchin lehnte es ab, das Angebot anzunehmen. Das ist doch bei einer Schachweltmeisterschaft ganz normal." Ironie in Reinkultur! Die Mätzchen rächten sich jedoch. In der darauffolgenden Wettkampfpartie, dem heutigen Rätsel der Sphinx, unterlief Kasparow in der Diagrammstellung ein schwerwiegender positioneller Fehler mit 1.Lf2xd4? Td8xd4 2.f5-f6. Welche starke Erwiderung hatte der Weltmeister, von der spanischen Tageszeitung 'Diario 16' "Menschenfresser von Baku" genannt, übersehen?



SCHACH-SPHINX/05506: Der Menschenfresser aus Baku (SB)

Kasparow - Karpow
Sevilla 1987

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Remis? Nie! So jedenfalls der Kölner Meister Eising, und prompt zauberte er aus dem Ärmel folgende Gewinnsequenz: 1...Db2xg2+! 2.Tg1xg2 Tb8-b1+ 3.Tg2-g1 Tg6xg1#


Erstveröffentlichung am 06. Juli 2002

15. Juni 2015


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