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SCHACH-SPHINX/05352: Kunst ist nicht für den Zeitgeschmack (SB)


Den Aderlaß des Lebens zu stillen, eine heilsame Arznei zu finden gegen die Tristesse der Tage, die Verrohung der Sitten mit Weisheit zu mildern, Geist und Seele sich laben zu lassen an einer Quelle, die verjüngt, erfrischt, erquickt, also Trost zu schaffen, das war in den meisten arabischen Ursprungslegenden des Schachspiels die übereinstimmende Wurzel gewesen. Der Mensch und seine Nöte standen im Zentrum aller kunstschaffenden Interessen bei den Arabern. Kunst ist für die Menschen, nicht für den Zeitgeschmack. Nun war der Islam sicherlich keine ausgesprochen fortschrittliche Kraft in der Menschheitsgeschichte. Aber Islam ist nicht gleich Islam, und eine solch kohärente Erscheinung, wie im Westen gerne propagandistisch lanciert wird, ist und war der Islam nie gewesen. Es läßt sich sogar der Schluß ziehen, daß mit dem Aufblühen des Schachspiels jene intellektuellen Kräfte zu Wort kamen, die dem schicksalsfördernden Charakter der Abrahamsreligion aufs heftigste entgegentraten. Einer ihrer Köpfe, al-Masudi, nahm wie folgt Stellung zu diesem Dualismus: "Neulich äußerte ein Moslemphilosoph die Ansicht, daß der Erfinder des Schachs ein Verfechter des freien menschlichen Willens, der des Nardspiels aber ein Fatalist sei. Die wahre Weisheit aber bestehe darin, sein Leben im Einklang mit den Glücksfällen zu formen." Das Nardspiel war ein Brettspiel, das in Persien vor der Zeit des Schachs mit Würfeln gespielt wurde. Feinhörige und in philosophischen Fragen Bewanderte erkennen in den Worten al-Masudis unschlüssig den Trotz gegen jedweden Dogmatismus. Auch bei den Persern und Araber war das Schachspiel also tiefster Ausdruck emporstrebender Geisteskräfte. Auf ihrem schöpferischen Höhepunkt war auch die ehemalige Frauenweltmeisterin Maja Tschiburdanidse beim Turnier in Banja Luka. Als erste Frau in der Schachgeschichte gewann sie ein Herrenturnier und bestätigte damit ihren Titel als Internationale Großmeisterin. Im heutigen Rätsel der Sphinx führte sie die schwarzen Steine zu einem grandiosen Sieg. Kannst du die lange Siegeskombination mit dem richtigen Zug einleiten, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05352: Kunst ist nicht für den Zeitgeschmack (SB)

Sibarevic - Tschiburdanidse
Banja Luka 1985

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Bedauerlich, daß unser Schachfreund Gawehns trotz langjähriger Turniererfahrung den netten Fünfzüger gegen Meister Sieglen nicht gefunden hatte. So heimsten sich spätere Analytiker den Ruhm ein, die Gewinnkombination gefunden zu haben: 1...Db4-b1+ 2.Kg1-g2 Db1-h1+! - diesen Zug hatte Gawehns offenbar nicht gesehen -3.Kg2xh1 Lh5-f3+ 4.Kh1-g1 Td2-d1+ 5.Te8-e1 Td1xe1# oder 3.Kg2-h3 Dh1-f1+ 4.Kh3-h4 g7- g5+ 5.Kh4xh5 Df1-h3#


Erstveröffentlichung am 07. Februar 2002

12. Januar 2015





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