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SCHACH-SPHINX/04901: Kätzchen oder Tiger? (SB)


Das größte Handicap für einen Schachspieler ist ein ermüdender Körper und ein Gehirn ohne Denkreserven. Sind beide Ressourcen aufgebracht, wird auch aus einem Großmeister ein Schnurrkätzchen mit sanften Pfoten, dann ist er kein reißender Tiger mehr, sondern ein leicht zu überwältigendes Opfer. Die Beispiele von körperlicher und geistiger Ermattung sind milchstraßenlang, besonders wenn ein wochenlanger Wettkampf auszufechten ist. Emanuel Lasker, so erklärte er wenigstens später, hatte seinen Weltmeisterschaftskampf gegen den Kubaner José Capablanca nur verloren, weil das fremdartige Klima in Havanna seine Kräfte bis zum Äußersten annagte. Oder man denke an Anatoli Karpow, der in Moskau 1995 gegen seinen Herausforderer Garry Kasparow wie eine bejammernswerte Gestalt aus einem Wachsfigurenkabinett aussah. Beim Kandidatenwettkampf in Antwerpen zwischen dem Ungarn Lajos Portisch und dem Niederländer Jan Timman gab das Ausbluten der Kräfte nicht minder den Ausschlag über den letztgültigen Sieg. Nachdem Portisch erwartungsgemäß die Führung übernommen hatte, brach er ab der fünften Partie fast völlig zusammen und machte einen groben Fehler nach dem anderen. Im heutigen Rätsel der Sphinx leistete sich Portisch den ganz und gar hoffnungslosen Damenzug 1.Db7-f3? und mußte zwölf Züge später aufgeben. Tony Miles, der im Presseraum saß, hatte 1.Db7-d5 mit der Idee 2.d6-d7 empfohlen, um wenigstens noch eine Weile im trüben fischen zu können. Nun, Wanderer, hätte der Zug Wirkung gehabt?



SCHACH-SPHINX/04901: Kätzchen oder Tiger? (SB)

Portisch - Timman
Antwerpen 1989

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
An Mut hat es dem jungen Dänen jedenfalls nicht gefehlt. Gegen seinen berühmten Kontrahenten Boris Gulko wagte der Jüngling mit 1.Tg1xg7! alles. Die Frage war nur, ob die Angriffschancen einen Sieg rechtfertigten. Nach 1...Kf8xg7 2.Ld2xh6+ Kg7xh6 3.Ta1-g1 sah es in der Tat danach aus, und doch mußte Hoi nach 3...f7-f5 4.Dd3-e3+ f5-f4 erst das Damenopfer 5.Se4xd6!! finden, ehe ihm der Lohn für seinen Mut sicher war. Wegen der Mattdrohung 6.Sd6-f7# mußte Gulko den Springer nehmen. Das zweite Damenopfer allerdings war nicht abzulehnen und erzwang den Sieg: 5...Dc6xd6 6.De3-d3 Sd7-f8 7.Dd3-h7+ und Schwarz gab auf, da er nach 7...Sf8xh7 8.Tg1-g6# wundervoll mattgesetzt worden wäre.


Erstveröffentlichung am 24. April 2001

18. Oktober 2013





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