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SCHACH-SPHINX/02861: Trickreiche Psychologie (SB)


Ein Ausdruck dafür, daß sich der Stil eines Meisters mit den gängigen Konzepten der Schachstrategie nicht erfassen läßt, ist - Originalität. Die Kommentatoren haben es dann leicht. Ihr eigenes mangelndes Verständnis vorausgesetzt, sprechen sie in solchen Fällen von "originellen Zügen", was wohl andeuten soll, daß ihr Hirnkasten nicht Platz genug hat, um die Manöver zu begreifen. In dieselbe Kategorie, aber mit umgekehrten Vorzeichen fallen Beschreibungen wie "unnatürlicher Zug" oder "ziemlich ausgefallen". Die Sprache wird hier zum Beweisstück. Der Ex-Weltmeister Dr. Emanuel Lasker hatte während seiner langen Regentschaft eine Menge Partien gespielt, in denen er "merkwürdige" Züge machte, aber er hatte erkannt, daß die psychologische Seite des Schachspiels nicht weniger wichtig ist als die theoretisch-konzeptionelle. Gegen einen bestimmten Spieler ziemlich originelle Züge zu machen, zeugt mitunter davon, daß hier ein tieferes Verständnis menschlicher Urteilsfindungen vorliegt. So kann es scharfsinning sein, nur den zweitbesten Zug zu wählen und damit eine Fortsetzung zu favorisieren, von der man annehmen kann, daß sie dem Kontrahenten große Schwierigkeiten bereiten wird. Im heutigen Rätsel der Sphinx war die Phase der Originalität abgeschlossen. Schwarz besaß eine aussichtsreiche Angriffsstellung, Wanderer. Es fehlte nur noch die Stoßrichtung.



SCHACH-SPHINX/02861: Trickreiche Psychologie (SB)

Lautier - Kramnik
Cannes 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Mit 1...De2-e3+ 2.Kg1-h1 Ta8-a6! hätte Schwarz noch Widerstand leisten können. Nach 1...Sf6-g4? gab es für ihn keine Rettung mehr: 2.Df5-h7+ Kg8-f8 3.Ta1-f1 f7-f6 4.Lc2-g6! und Schwarz gab auf angesichts der Folge 4...De2-e6 5.d4-d5 De6-g8 6.Dh7xb7 usw.


Erstveröffentlichung am 08. Juli 1999

26. April 2010