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BUNDESLIGA/547: Männer - Stichkampf (SB)



Stichkämpfe in der Schachbundesliga haben Seltenheitswert. Bevor gestern, am 24. Mai in Baden-Baden, das gastgebende Team und Solingen um den Titel rangen, war in der 38jährigen Geschichte der Liga, wie man sie kennt, eine Saison nur dreimal in die Verlängerung gegangen. Gleich nach der Einführung der eingleisigen Schachbundesliga im Jahr 1980 fand ein solcher Stichkampf zwischen Solingen und der SG Porz statt, den die Klingenstädter klar mit 5,5:2,5 für sich entschieden. Der nächste Stichkampf um die Deutsche Meisterschaft ließ lange auf sich warten. In der Saison 2003/04 beendeten Baden-Baden und Porz die Spiele mit je 28:2-Punkten auf gleicher Höhe. Im Entscheidungsspiel hatte Porz den längeren Atem und gewann den Titel mit 4,5:3,5. Im Jahr darauf kam es erneut zu einem Stichkampf zwischen Porz und Werder Bremen, den die Hanseaten mit 4,5:3,5 glücklich abschlossen. Nun, nach 13 Jahren, saßen sich Baden-Baden und Solingen zum vierten Stichkampf in der Liga-Geschichte gegenüber.

Weil Baden-Baden nach Ablauf der vorigen Saison zwei Brettpunkte mehr besaß als Solingen, ging das Heimrecht laut Klassement an den Titelverteidiger aus Baden-Baden, der sein Staraufgebot im Kulturhaus LA 8 mobilisierte. Was wunder, daß Baden-Baden an allen Brettern Elo-Vorteil besaß und sieben Spieler mit einer Elo-Zahl von über 2700 Punkten ins Rennen schickte. Baden-Baden war deutlich besser bestückt, aber Solingen konnte ein eingespieltes Team vorweisen und brachte erstmals in dieser Saison den Spitzenspieler Anish Giri ans Brett. In der Hauptsaison war Baden-Baden in Runde 10 etwas unerwartet Solingen unterlegen, aber im Gegenzug verloren die Klingenstädter ihr Treffen gegen Hockenheim in Runde 12, und als in der finalen Endrunde in Berlin beide Mannschaften ihre Aufgabe mit Bravour absolvierten, mußte ein Stichkampf ausgetragen werden.

Wie stark Baden-Baden aufgestellt war, zeigte sich auch daran, daß kein Geringerer als der Ex-Weltmeister Rustam Kasimdzanov am letzten Brett spielte. Von der Stamm-Mannschaft fehlten nur Levon Aronian und Francisco Vallejo-Pons, die durch Etienne Bacrot und Kasimdzhanov ersetzt wurden. Solingen dagegen mußte auf Pentala Harikrishna, Richard Rapport, Shekhar Ganguly, Robin van Kampen und Benjamin Bok verzichten. Dafür kamen neben Anish Giri Jan Smeets, Erwin l'Ami, Borki Predojevic, Mads Andersen und Pedrag Nikolic ins Finalkader.

Solingen als alter Rekordmeister ließ sich von der Baden-Badener Konkurrenz jedoch nicht über den Löffel barbieren und leistete energischen Widerstand. Drei Stunden waren gespielt, als Loek van Wely und Viswanathan Anand ihre Partie im 33. Zug mit Remis beendeten, wenngleich der Niederländer einen, jedoch schwer zu verwertenden Mehrbauern hatte. Weitere Remisen ergaben sich am 5. und 6. Brett. Erwin L´Ami konnte gegen Radoslaw Wojtaszek zwar eine gewisse Initiative entwickeln, aber das entstandene Doppelturmendspiel war von keiner Seite zu gewinnen. Das gleiche Ergebnis zwischen Michael Adams und Borki Predojevic. Der Engländer gewann zunächst einen Bauern, aber Predojevic verwickelte das Spiel, so daß, um dem Tumult auszuweichen, beide Spieler den sicheren Remishafen ansteuerten.

Jubel brauste auf, als Rustam Kasimdzhanov sein Team mit einem Sieg über Predrag Nikolic in Führung brachte. Der bosnische Großmeister konnte zuletzt die vielen Krisenherde in seiner Stellung nicht mehr hinlänglich verteidigen. Als dann auch noch Peter Svidler durch seinen Sieg gegen Jan Smeets am 4. Brett auf 3,5:1,5 erhöhte, schien der Himmel über Baden-Baden aufzuleuchten. Es folgten zwei weitere Punkteteilungen an den Brettern 2 und 7 zwischen Markus Ragger und Maxime Vachier-Lagrave bzw. Etienne Bacrot und Mads Andersen. Die Schlacht schien geschlagen, aber Anish Giri gelang am Spitzenbrett noch ein überzeugender Sieg gegen Fabiano Caruana, was dem bitteren Beigeschmack der 3,5:4,5-Niederlage im Titelkampf wenigstens eine leichte Spur von Süßigkeit verlieh.

Baden-Baden gewann zum zwölften Mal in den letzten 13 Jahren den Titel und zog damit in der ewigen Bestenliste mit Solingen gleich. Ein dreifacher Jahrestriumph für Baden-Baden, denn außer den deutschen Titel hatten die Herren auch den Pokal geholt, während die Damen ebenfalls die Deutsche Meisterschaft gewannen.


25. Mai 2018


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