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INTERNATIONAL/184: Wachsende Kritik an Misshandlung palästinensischer Kinder durch israelische Sicherheitskräfte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Mai 2015

Nahost: Wachsende Kritik an Misshandlung palästinensischer Kinder durch israelische Sicherheitskräfte

von Mel Frykberg


Bild: © El Baba/UNICEF

Palästinensische Kinder jeden Alters sind Zielscheiben von Polizei- und Militärgewalt
Bild: © El Baba/UNICEF

RAMALLAH, WESTJORDANLAND (IPS) - Der Botschafter Palästinas bei den Vereinten Nationen, Riyad Mansour, hat den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, im Zusammenhang mit der Misshandlung palästinensischer Kinder durch israelische Sicherheitskräfte aktiv zu werden.

"Tag für Tag und auf unterschiedliche Weise werden palästinensische Kinder Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Israel, wobei keines für zu jung befunden wird, um die Unterdrückung durch die Besatzungstruppen und extremistischen Siedler zu ertragen", so Mansour in einem Schreiben an den Sicherheitsrat. "Die an unseren Kindern begangenen Verbrechen sind unannehmbar."

Der Brief vom 1. Mai folgte auf die Festnahme des neunjährigen Ahmad Zaatari aus Wadi Joz in Ostjerusalem. Der Junge war in der Nacht des 28. April festgenommen und etwa acht Stunden lang von der israelischen Polizei festgehalten worden. Er und sein zwölfjähriger Bruder Muhammad Zaatari sollen einen israelischen Bus mit Steinen beworfen haben.

Berichte über Misshandlungen palästinensischer Kinder in Polizei- und Militärgewahrsam in Ostjerusalem und im besetzten Westjordanland sind keine Seltenheit.

"Übergriffe gegen Kinder, die es mit dem Militärgefängnissystem zu tun bekommen, scheinen (...) ein verbreitetes, systematisches und institutionalisiertes Phänomen zu sein", meinte das Weltkinderhilfswerk UNICEF in dem 2013 verbreiteten Bericht 'Children in Israeli Military Detention'.


UNICEF-Empfehlungen weitgehend ignoriert

Nach Rücksprache mit den israelischen Behörden hatte das Weltkinderhilfswerk 38 Änderungen vorgeschlagen. Doch ein im Februar 2015 publizierter Folgebericht über die Umsetzung der Empfehlungen kam zu dem Ergebnis, dass "Berichte über die mutmaßliche Misshandlung von Kindern während ihrer Festnahme, ihrer Überstellung, ihres Verhörs und ihrer Haft keine substanzielle Verringerung der Gewalt in den Jahren 2013 und 2014 erkennen lassen".

In einem im letzten Monat von der Menschenrechtsorganisation 'Military Court Watch' (MCW) vorgelegten Bericht 'Children in Israeli Military Detention' heißt es, dass mindestens 87 Prozent der UNICEF-Empfehlungen nicht eingehalten wurden und die Misshandlung von Kindern, die mit dem System in Berührung kommen, nach wie vor verbreitet, systemisch und institutionalisiert sei.

'Defence for Children International Palestine' (DCIP), eine palästinensische Kinderrechtsorganisation, wirft den israelischen Sicherheitskräften vor, palästinensischen Kindern mit der gleichen Gnadenlosigkeit zu begegnen wie Erwachsenen. Sie würden geschlagen und verschiedenen Formen von Folter ausgesetzt und über längere Zeit in Isolationshaft gehalten.

DCIP zufolge haben palästinensische Eltern nicht wie jüdische Eltern das Recht, bei einem Verhör ihrer Kinder anwesend zu sein. Es gebe Fälle, in denen palästinensische Kinder unter zwölf Jahren gefesselt, mit verbundenen Augen und an Schlafentzug leidend zu den Haftzentren geschafft worden seien.

Die Misshandlungs- und Foltererfahrung vor, während und nach den Verhören führe dazu, dass alle Kinder versprächen, ob sie nun das ihnen zur Last gelegte Vergehen begangen hätten oder nicht, diese künftig zu unterlassen. Oft würden sie dazu gezwungen, Schuldgeständnisse in Hebräisch zu unterschreiben, obwohl sie die Sprache weder lesen noch verstehen.

"Die Situation in Ostjerusalem und im Westjordanland weist aufgrund der langjährigen Militärbesatzung gewisse Ähnlichkeiten auf", erklärte Gerard Horton vom MCW im IPS-Gespräch. "Man kann tun, was man will - solange die Ursachen nicht angegangen werden, wird sich an der Situation wenig ändern."


Ursächliches Probleme: Besatzung und Militarisierung

Horton zufolge werden die meisten palästinensischen Kinder in der Nähe israelischer Siedlungen in Ostjerusalem und dem Westjordanland festgenommen. "Wenn man 500.000 Siedler in ein besetztes Territorium bringt und die Sicherheitskräfte mit ihrem Schutz beauftragt, führt das zwangsläufig zur Terrorisierung der Lokalbevölkerung", fügte Horton hinzu.

Israel wird auch in dem am 27. April von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon veröffentlichten Bericht für die Bombardierung des Gazastreifens im letzten Jahr kritisiert. Der Report macht Israel für den Tod von 44 Palästinensern und 227 Verletzte infolge von sieben israelischen Luftangriffen auf sechs UN-Einrichtungen im Gazastreifen verantwortlich, wo palästinensische Zivilisten Schutz gesucht hatten. Ban verurteilte die Bombenanschläge "mit allem Nachdruck".

Nach Aussagen von Chris Gunness, Sprecher des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), hatten die UN den Israelis die genauen Koordinaten der UN-Fazilitäten, in denen sich Zivilisten befanden, durchgegeben.

"Die UN-Untersuchung fand heraus, dass in allen sieben Fällen, mit denen sich der Untersuchungsausschuss befasst hat und in denen unsere Schulen direkt oder in unmittelbarer Nähe getroffen wurden, die israelischen Streitkräfte verantwortlich waren", so Gunness. Dabei habe man der Armee mehrfach die genauen GPS-Koordinaten über die Orte, an denen sich die Vertriebenen aufgehalten hätten, durchgegeben.

Der UN-Generalsekretär verurteilte auch palästinensische Gruppen. "Es ist verstörend, dass militante palästinensische Gruppen UN-Schulen in Gefahr bringen, indem sie sie als Verstecke für ihre Waffen missbrauchen. Allerdings waren die drei Schulen, an denen Waffen gefunden wurden, zum damaligen Zeitpunkt leer und wurden nicht als Notunterkünfte genutzt", sagte Ban.

Israelische Diplomaten hatten versucht, die UN an der Veröffentlichung des Berichts über den Krieg bis zur Vorlage einer eigenen Menschenrechtsuntersuchung zu hindern. Im September letzten Jahres ist die israelische Untersuchung von fünf Fällen inklusive Plünderungen angelaufen.

Mehr als 2.100 Palästinenser, die meisten von ihnen Zivilisten, wurden während der Angriffe auf den Gazastreifen getötet. Auf Seiten Israels kamen 67 Soldaten und sechs Zivilisten durch Raketen und Angriffe der palästinensischen Hamas und anderer militanter Gruppen ums Leben. (Ende/IPS/kb/06.05.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/05/israel-slammed-over-treatment-of-palestinian-children-in-detention/

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IPS-Tagesdienst vom 6. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2015

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