Schattenblick →INFOPOOL →REPRESSION → FAKTEN

INTERNATIONAL/094: Iran - Blockfreiengipfel in Teheran, UN-Chef unter Druck (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. August 2012

IRAN: Blockfreiengipfel in Teheran - UN-Chef unter Druck

von Thalif Deen



New York, 16. August (IPS) - Als Kuba 1979 den Vorsitz der Bewegung der Blockfreien (NAM) übernahm, sprachen die westlichen Staaten dem größten politischen Zusammenschluss der Welt die Legitimität ab. Als Begründung hieß es, Havanna sei enger Verbündeter der damaligen Sowjetunion.

Der Einfluss der Kuba-Gegner war groß - auch auf die Mainstream-Nachrichtenagenturen. So gab es einige Medien, die bis zum Ende des kubanischen NAM-Vorsitzes das Bündnis als 'sogenannte Blockfreie' bezeichneten. Sowohl Kuba als auch die NAM haben die Diffamierungskampagne des Westens überlebt.

Der 120-Staaten-Allianz und dem Iran steht nun ein ähnliches Schicksal bevor. Ende August wird Teheran den NAM-Vorsitz übernehmen. Inzwischen wächst der Druck von israelischer Seite auf UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, dem NAM-Gipfel vom 26. bis 31. August in der iranischen Hauptstadt Teheran fernzubleiben.

Israel, das dem Iran vorwirft, Atomwaffen zu bauen, hat bereits angekündigt, den Iran notfalls mit unilateralen Angriffen zur Aufgabe seines Atomprogramms zu zwingen. Teheran beharrt auf die Fortsetzung seines Nuklearprogramms, weil es angeblich dem friedlichen Zweck der Energiegewinnung und nicht der Herstellung von Atomwaffen dient.


Westen Messen mit zweierlei Maß vorgeworfen

Die Sorge des Westens vor dem iranischen Atomprogramm halten viele für unglaubwürdig. So meinte ein arabischer Diplomat, der sich Anonymität ausbat, es sei schon sonderbar, sich vor dem iranischen Atomprogramm zu ängstigen, sich aber gleichzeitig diplomatisch vor der Frage zu drücken, warum Israel Atomwaffen haben dürfe und der Iran nicht.

Die israelische Zeitung 'Haaretz' berichtete unlängst, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den UN-Chef persönlich ersucht habe, dem NAM-Gipfel im August fernzubleiben, weil der Iran "die größte Gefahr für den Weltfrieden darstellt".

Natürlich sollte er den Gipfel besuchen, sich aber in bilateralen Gesprächen mit der iranischen Führung über Themen, die in den Zuständigkeitsbereich des UN-Sicherheitsrats fielen, nicht auslassen, meinte Ernest Corea, ein ehemaliger srilankischer Botschafter in den USA und Autor des Buchs 'Non Alignment: The Dynamics of a Movement' (Die Blockfreien: Die Dynamik einer Bewegung). Es sei denn, er werde vom Sicherheitsrat ermutigt oder beauftragt, politische Fragen zu klären.

Sollte Ban tatsächlich nach Teheran reisen, um an dem NAM-Gipfel teilzunehmen, werde er den Bund zwischen den Vereinten Nationen und den 120-NAM-Mitgliedstaaten erneuern, betonte Ernest Corea gegenüber IPS.

Die 'Washington Post' warnte in einem Kommentar in der 'Washington Post' am 15. August, der unter Titel 'UN-Chef sollte Teheran-Konferenz boykottieren' erschienen war: "Die Teheran-Konferenz verspricht ein Festival des Widerstands gegen die Vereinigten Staaten, den UN-Sicherheitsrat und Israel zu werden."

Der Generalsekretär möge zwar von der Hoffnung geleitet werden, durch eine Teilnahme am NAM-Gipfel in Teheran die iranische Führung zu einem Verzicht auf Atombomben zu bewegen. Doch das setze voraus, dass der UN-Chef mehr Einfluss besitze als jeder andere vor ihm, hieß es in der Kolumne. "Was Ban als Gelegenheit für einen letzten diplomatischen Vorstoß in dieser Frage betrachten könnte, hat nicht die leiseste Chance auf Erfolg."

Zur Kritik an dem NAM-Gipfel in Teheran meinte Chakravarthi Raghavan, ein Journalist, der seit Jahrzehnten über die Vereinten Nationen in New York und Genf berichtet: "Ob es einem nun gefällt oder nicht - die NAM ist ein politischer Zusammenschluss und vertritt die größte Gruppe von Ländern und UN-Mitgliedstaaten." Der UN-Chef würde eine große Torheit begehen, dem NAM-Gipfel fernzubleiben. In einem solchen Fall würde er sich den Vorwurf einhandeln, den US-iraelischen Interessen und israelischen Lobbygruppen zu dienen.


Pläne Bans unbekannt

Auf die Frage, ob Ban beabsichtige, an dem NAM-Gipfel teilzunehmen, erklärte unlängst sein Vizesprecher Eduardo del Buey Reportern: "Wir sehen, dass Berichte aus Jerusalem kommen. Und es gibt keine Reise, die wir ankündigen müssten. Falls und wenn der Generalsekretär etwas anzukündigen hat, wird er es ankündigen." Am 15. August erklärte del Buey auf weitere Anfragen, dass "wir zu diesem Zeitpunkt nicht zu möglichen Reisen Stellung beziehen werden".

In einer am 13. August veröffentlichten Mitteilung drängte die 'Anti-Defamation League' (ADL), eine pro-israelische Lobbygruppe, Ban dazu, "deutlich zu machen, dass er nicht die Absicht habe, Ende des Monats in den Iran zu reisen". Die ADL schrieb in einem Brief an den UN-Generalsekretär, dass seine Anwesenheit zum derzeitigen Zeitpunkt die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, den Iran zur Einhaltung seiner im Atomwaffensperrvertrag eingegangenen Verpflichtungen zu bringen, konterproduktiv sein werde. Eine Antwort hat die Liga nicht erhalten.

Der 1961 gegründeten NAM saßen bereits zwölf Staaten des globalen Südens einschließlich Ex-Jugoslawien, Algerien, Sri Lanka, Indien, Simbabwe, Südafrika, Malaysia, Indonesien, Sambia und derzeit Ägypten vor, das den Vorsitz formell auf dem Gipfel in Teheran an den Iran abgeben wird.

Wie der ehemalige indische Premierminister Jawaharlal Nehru einmal erklärt hatte, war die Blockfreiheit gerade für die damals jungen, in die Unabhängigkeit entlassenen Staaten ein wirksames Instrument, die Kontrolle über die eigene Außenpolitik zu behalten und das eigene Haus ungestört in Ordnung zu bringen.

"Die NAM ist eine Koalition aus Ländern, die eine blockfreie Außenpolitik verfolgt oder vorgibt, dies zu tun", sagte Corea. Ihre Gründungsprinzipien - gegenseitiger Respekt, Nichteinmischung, friedliche Koexistenz und Handeln zum gegenseitigen Nutzen - hätten auch in der modernen Welt Gültigkeit und Bestand.

Der Einfluss der NAM hänge davon ab, wie sehr sich die Mitgliedsländer an die Prinzipien hielten, so Corea. "Manche Länder versuchen mit Hilfe ihres Vorsitzes, ihren Einfluss zu vergrößern. Manchen gelingt's, manchen nicht." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.nam.gov.za/
http://www.ipsnews.net/2012/08/u-n-chief-in-the-hot-seat-over-non-aligned-summit-in-iran/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. August 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2012