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INTERNATIONAL/085: Proteste gegen Ausnahmezustand in Amed (Cenî)


Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e. V. - 15. Juli 2012

Proteste gegen Ausnahmezustand in Amed

Bericht einer Frauendelegation vom 14.7.2012



Der Kongresses für eine demokratische Gesellschaft DTK und der Partei für Frieden und Demokratie BDP hatten für den 14. Juli 2012 in Amed (Diyarbakir) zu einer Kundgebung mit der Forderung "Freiheit für Abdullah Öcalan" aufgerufen. Obwohl der Gouverneur die Kundgebung verboten hatte, beharrten die Veranstalter, unterstützt von Gewerkschaften, Frauenorganisationen, progressiven türkischen Organisationen und NGOs darauf, mit der Durchführung der Kundgebung ein Signal für eine politische Lösung der kurdischen Frage zu setzen und sich das Recht auf Versammlung und Meinungsäußerung nicht verbieten zu lassen.

Eine Frauendelegation, die vom Kurdischen Frauenbüro für Frieden Cenî e.V. initiiert wurde und sich seit dem 6. Juli in Nordkurdistan befindet, nahm an der gestrigen Kundgebung in Amed teil. Die Delegationsteilnehmerinnen berichteten, dass die Situation in Amed einem Ausnahmezustand gleiche.

Die gesamte Stadt war im Vorfeld der Kundgebung durch Polizei und Militär abgeriegelt, aus insgesamt 11 Städten waren Gendarmerie, Polizeikräfte, Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge nach Amed verlegt worden. Ab den Morgenstunden wurden Menschenmengen, die sich in Parks und an verschiedenen Plätzen versammelten mit Schlagstöcken, Gasgranaten, Panzern, aus Wasserwerfern und Helikoptern mit Pfeffer- und Tränengas gezielt angegriffen. Die Polizei setzte teilweise auch Schusswaffen ein.

Parlamentsabgeordnete, BürgermeisterInnen, internationale BeobachterInnen und PressevertreterInnen wurden von der Polizei mit Wasserwerfern aufgehalten und durch die Polizei angegriffen. Die Parlamentsabgeordnete Pervin Buldan erlitt eine schwere Beinverletzung durch eine Tränengasgranate und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Auch der Oberbürgermeister von Amed, Osman Baydemir sowie die Parlamentsabgeordneten Ayla Akat Ata und Mülkiye Birtane mussten aufgrund von Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden.

Weiterhin kam es zu Dutzenden von Festnahmen. Unter den Festgenommenen befinden sich auch die Journalisten der Nachrichtenagentur DIHA, Mahsum Saglik und Mehmet Begüm. Desweiteren berichten Augenzeuginnen, dass auch Kinder unter den Festgenommen waren, die stundenlang mit Handschellen gefesselt, misshandelt wurden.

Trotz der scharfen Repressionen gelang es VertreterInnen der BDP und KundgebungsteilnehmerInnen eine öffentliche Presseerklärung abzuhalten, in der sie erklärten, dass sie sich der Polizeigewalt und der faschistischen Regierungspolitik nicht beugen werden.

Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. verurteilt die Menschenrechtsverletzungen gegen DemonstrationsteilnehmerInnen, JournalistInnen und BeobachterInnen auf das Schärfste sowie die Angriffe auf demokratische Grundrechte seitens der AKP-Regierung.

Wir unterstützen die Forderungen der Kundgebung:

- Eine politische Lösung der kurdischen Frage!
- Freiheit für Abdullah Öcalan!

Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
Düsseldorf, 15. Juli 2012


Delegationsteilnehmerinnen berichten von schweren Angriffen der Polizei

Die Teilnehmerinnen der von Ceni e.V. initiierten Frauendelegation berichten, dass der Platz vor dem Hotel bereits ab mittags von einem Wasserwerfer, zwei Panzern und fünf oder sechs gepanzerten Militärfahrzeugen und Mannschaftsbussen der Polizei belagert wurde.

Vom BDP-Gebäude aus, das ungefähr 3 Kilometer vom geplanten Kundgebungsort entfernt liegt, versuchte ein Teil der Gruppe gemeinsam mit Parlamentsabgeordneten der pro-kurdischen BDP zur Kundgebung zu gelangen. Sie berichten, dass um das BDP-Gebäude Polizei und auch Wasserwerfer zahlreich postiert waren. Der Bus der Abgeordneten, der schließlich zur Kundgebung aufbrechen wollte, wurde nicht durch diese Sperren gelassen. Die Abgeordneten entschlossen sich zu Fuß zum Bahnhof, dem Kundgebungsort zu gelangen. Zwei Teilnehmerinnen der Frauendelegation folgten in PKWs gemeinsam mit einem schwedischen Europaparlaments-Abgeordneten und den Künstlern Ferhat Tunc und Suavi und erreichten schließlich den an den Bahnhof angrenzenden Stadtteil Ofis. Sie berichten, dass es dort bereits zu "Ausschreitungen der Sicherheitskräfte" gekommen war und "Wasserwerfern und Panzerwagen durch die Hauptstraßen patrouillierten."

Der Kundgebungsort war quasi hermetisch abgesperrt und auch dort kam es zu zahlreichen Übergriffen. Die Delegation berichtet, dass "ein Mann mit Krücken ca. eine Minute dauerhaft beschossen wurde. Die Menschen in der Umgebung versuchten sich in die in unmittelbarer Nähe befindliche Moschee zu begeben. Die Polizei schoss mit Gas-Wasser-Werfern in das Gebäude der Moschee. (...) Vor uns warfen unentwegt Polizisten in Uniform und in Zivil Steine in allen Größen und Varianten in den vor uns liegenden Sümer Park. (...) Es wurde massenhaft Gas-Wasser in den Park geschossen. Auch wenn Passanten an dem Park entlang liefen. Während die Polizisten Steine warfen, kam ein Polizist mit einer überdimensional großen türkischen Flagge, die er aufwickelte und vor den Gittern des Parks hielt." Ein Zivilpolizist habe diese Flagge schließlich übernommen, wobei seine Kollegen ihm und anderen Steine werfenden Polizisten applaudierten.

Die Abgeordneten, die schließlich einige der Absperrungen überwinden konnten, beschlossen sich im angrenzenden Sümerpark zu sammeln. Dort zogen sie sich zur Beratung zurück und gaben danach in einer Presseerklärung bekannt, dass sie die Nacht im Park verbringen und am kommenden Tag um 11 Uhr erneut eine Pressekonferenz auf dem Kundgebungsort abhalten werden.

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Quelle:
Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e. V.
Corneliusstr. 125, 40215 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2012