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INTERNATIONAL/064: Somalia - Vergebliches Warten auf Schecks der Migranten, US-Bank stoppt Service (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Januar 2012

Somalia: Vergebliches Warten auf die Schecks der Migranten - US-Bank stoppt Service

von Grit Porsch


Berlin, 2. Januar (IPS) - Auf den monatlichen Scheck eines ihrer im US-Bundesstaat Minnesota lebenden Kinder wird Madino Ji'ale Farah aus Mogadischu in Zukunft vergeblich warten. Die 60-jährige Großmutter hat 13 Angehörige zu versorgen. Doch zu Jahresbeginn hat die in Minneapolis ansässige 'Sunrise Community Bank' den Geldtransfer nach Somalia eingestellt, der den Zehntausenden in Minnesota lebenden somalischen Migranten die Versorgung ihrer Angehörigen im verelendeten Heimatland am Horn von Afrika ermöglichte.

Die Bank hatte befürchtet, mit den Anti-Terrorismusgesetzen der USA zu kollidieren, da sie sich beim Geldtransfer nach Somalia des traditionellen muslimischen Hawala-Systems bediente. Jetzt befürchten Experten und Vertreter von Hilfsorganisationen, dass andere US-Banken dem Beispiel der Sunrise Community Bank folgen und damit die Lebensader von Millionen somalischer Familien ernsthaft gefährden.

Laura Hammond, Dozentin an der 'School of Oriental and African Studies' in London, erklärte gegenüber dem UN-Nachrichtendienst IRIN: "Die Überweisungen der im Ausland lebenden Migranten erreichen die Familien in den Hungergebieten direkter und schneller als die Hilfen der meisten internatonalen Agenturen. Diese verfügen zwar über technische Expertise, doch wenn es darum geht, Geld dorthin zu schicken, wo es besonders dringend benötigt wird, sind die Exilsomalier mit ihrem Überweisungssystem schneller."

Unglücklicherweise sind Somalias Hungerregionen, die am dringendsten auf Hilfe angewiesen sind, auch die konfliktreichsten. Deshalb könnten die in den Geldtransfer eingebundenen Banken leicht kalte Füße bekommen, vermutete die Expertin. "In Notjahren sind die Überweisungen der Migranten sowohl für Einzelpersonen bestimmt als auch für kommunale Hilfseinrichtungen, für Flüchtlingslager und Zentren, die Lebensmittel verteilen."

Nach UN-Schätzungen sind in Somalia vier Millionen Menschen von Hilfsgütern abhängig. Von den drei Millionen Menschen in den von der Dürre besonders betroffenen südlichen Regionen droht 250.000 Menschen der Hungertod. Von den jährlich auf 1,3 bis zwei Milliarden US-Dollar geschätzten Überweisungen somalischer Migranten in die alte Heimat stammen allein 100 Millionen Dollar aus den USA.

Die zivilen Hilfsorganisationen 'Oxfam America' und 'American Refugee Committee' (ARC) haben den Rückzug der Sunrise Community Bank aus dem Hawala-Geschäft mit Somalia scharf verurteilt. Shannon Scriber, die für Oxfam America humanitäre Hilfe koordiniert, warnte: "Die Entscheidung, mitten in einer Hungersnot den Überweisungsverkehr zu stoppen, könnte schlimme Folgen haben." Sie forderte die US-Regierung auf, gegenüber der Bank zu versichern, sie habe von der Justiz nichts zu befürchten, wenn ihre Dienste Not leidenden Menschen in Somalia zugute kommen.


Mit Hawala-Überweisungen schneller bei den Hilfsbedürftigen

Der Somalia-Experte Ken Menkhaus, Dozent am Davidson College in Nord Carolina, betonte: "Ohne die außerordentliche Mobilisierung der somalischen Migranten, die ihre Angehörigen und Hilfseinrichtungen vor Ort mit Geld versorgten, hätte die Hungersnot in Somalia 2011 noch weit katastrophalere Folgen gehabt. Alle diese Überweisungen bedienten sich des Hawala-Systems."

Die 'Somalia American Money Services Association' (SAMSA) wies darauf hin, die für Somalia bestimmten Überweisungen kämen nicht nur bedürftigen Familienangehörigen zugute. "Auch die somalische Regierung, internationale Nichtregierungsorganisationen, die Vereinten Nationen und die US-amerikanische Entwicklungshilfeagentur (USAID) bedienen sich bei ihren Operationen in Somalia traditioneller Transfer-Agenten", erklärte SAMSA.

Der Verband betonte, seine Mitglieder hielten sich an die Vorgaben des 'Bank Secrecy Act' und des 'US Patriot Act' und befolgten auch alle übrigen einschlägigen Bundesgesetze und Vorschriften. (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
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http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=94551

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2012