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INTERNATIONAL/031: Weltweiter Trend - Menschenrechtsaktivisten werden zunehmend kriminalisiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Oktober 2011

Menschenrechte: Aktivisten zunehmend kriminalisiert - Weltweiter Trend

von Melanie Haider


New York, 27. Oktober (IPS) - Ein Stuhl blieb leer auf der Pariser Veranstaltung am 24. Oktober anlässlich der Präsentation eines neuen Berichts über die weltweit zunehmende Unterdrückung von Menschenrechtsaktivisten. Ursprünglich war er für Ales Bialiatski vorgesehen, der Vorsitzende des weißrussischen Menschenrechtszentrums Viasma, doch der bereits dreimal für den Friedensnobelpreis nominierte Aktivist konnte nicht kommen, weil er seit August im Gefängnis sitzt.

Bialiatski verbüßt eine Haftstrafe wegen Steuerflucht. Seinen Unterstützern zufolge ist der Vorwurf vorgeschoben, um den langjährigen und renommierten Menschenrechtler aus dem Verkehr zu ziehen. Er ist einer von hunderten Aktivisten, die aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit ihrer Freiheit und ihrer fundamentalen Rechte beraubt werden.

Wie aus dem neuen 600 Seiten starken Bericht der Beobachterstelle zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern hervorgeht, sind Aktivisten in aller Welt einer Vielzahl von Übergriffen ausgesetzt. Dazu gehören physische Gewalt und Schikanen, Drohungen, Haftstrafen und willkürliche Festnahmen sowie Verleumdung und die Einschränkung fundamentaler Rechte wie freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit.

Die Beobachterstelle, ein Programm der Internationalen Menschenrechtsliga (FIDH) und der Weltorganisation gegen Folter (OMCT), hatte sich mit der schwierigen Situation von Menschenrechtaktivisten in 70 Ländern in Nord- und Subsahara-Afrika, in Nahost, Asien, Nordafrika sowie in Nord- und Südamerika und Europa im Zeitraum Januar 2010 bis April 2011 befasst. Der Report 'Steadfast in Protest' ('Unerschütterlich im Protest') basiert auf Informationen, die OMCT und FIDH von ihren Mitgliedern und Menschenrechtsorganisationen erhalten hatten, die wiederum mit 400 unabhängigen Basisorganisationen vor Ort in Verbindung stehen.


Gesetze als Werkzeuge der Unterdrückung

Wie der FIDH-Generaldirektor Antoine Bernard gegenüber IPS erklärte, erhebt der neue Bericht nicht den Anspruch, allumfassend zu sein. Vielmehr gehe es darum, Trends aufzuzeigen. Dazu gehöre auch eine auf der ganzen Welt erkennbare Kriminalisierung sozialer Proteste. "Anstatt dass Gesetze Menschen vor Übergriffen schützen, werden sie als Unterdrückungswerkzeuge eingesetzt, um Menschenrechtler mundtot zu machen", sagte Bernard.

Bei der Präsentation des neuen Berichts wurde vor allem die kritische Lage in Syrien thematisiert, wo seit dem Aufstand der Demokratiebewegung im März mehr als 3.000 Menschen ums Leben kamen. "Keiner weiß genau, wie viele Menschen festgenommen wurden. Doch wir schätzen die Zahl auf über 30.000", erklärte Radwan Ziadeh vom Syrischen Zentrum für politische und strategische Beziehungen mit Sitz in New York.


Druck durch Geiselnahme von Angehörigen

Seit Beginn der Revolution stehen Ziadeh und seine Mitarbeiter im engen Kontakt zu untergetauchten syrischen Menschenrechtsaktivisten. Diese berichteten über Festnahmen ihrer Angehörigen als Versuch, sie mundtot zu machen. Auch Ziadehs Bruder, ein Onkel und drei Cousins - darunter ein 14-Jähriger - wurden eingesperrt, um den Menschenrechtsaktivisten in New York für seine regierungskritische Arbeit zu bestrafen.

"Das syrische Regime hat die Fußballmeisterschaft nur deshalb abgesagt, weil sie alle Fußballstadien in Haft- und Folterzentren umfunktioniert hat", sagte Ziadeh. Er bedauerte, dass die von westlichen Staaten eingebrachte Resolution des UN-Sicherheitsrats gegen Syrien am Veto Chinas und Russlands gescheitert ist.

Wie die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über die Situation von Menschenrechtsverteidigern, Margaret Sekaggaya, erklärte, ist es wichtiger denn je, für eine Umsetzung der Erklärung für Menschenrechtsverteidiger von 1998 zu sorgen. Zudem müsse die Erklärung einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Auch wenn die Erklärung selbst nicht verbindlich sei, berühre sie Rechte, deren Umsetzung in anderen Abkommen verpflichtend sei, sagte Sekaggaya. Als Beispiel nannte sie das Recht der Menschenrechtsaktivisten auf finanzielle Förderung, das allerdings in etlichen Ländern eingeschränkt ist. (Ende/IPS/kb/2011)

Links:
http://www.fidh.org/Steadfast-in-Protest-2011-Report
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105609

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2011