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INTERNATIONAL/003: Sri Lanka - Zivilbevölkerung abgeschlachtet, Film dokumentiert Bürgerkriegsgräuel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juli 2011

Sri Lanka: Zivilbevölkerung abgeschlachtet - Film dokumentiert Bürgerkriegsgräuel

Von Naseema Noor


Washington, 20. Juli (IPS) - Nicht nur Kambodscha, auch Sri Lanka hat seine 'Killing Fields'. Ein britischer Dokumentarfilm zeigt erschreckende Bilder von Menschenrechtsverbrechen an Zivilisten in der Endphase des Bürgerkriegs der Armee gegen die Rebellenorganisation der Tamilen-Tiger (LTTE).

'Sri Lanka's Killing Fields' gebe ein grausiges Bild der Menschheit in ihrer schlimmsten Ausprägung ab, sagte der Co-Vorsitzende des Tom-Lantos-Menschenrechtsausschusses des US-Repräsentantenhauses, James McGovern, vor einer Vorführung des Films am 15. Juli im Washingtoner Kapitol.

Der Regisseur Callum Macrae hat Augenzeugenberichte und erschütternde Aufnahmen zusammengebracht, um von Soldaten und Rebellen zwischen Januar und Mai 2009 begangene Verbrechen an Zivilisten im Nordosten des Inselstaates zu dokumentieren. In der Region führte die LTTE seit 1983 einen erbitterten Kampf um Unabhängigkeit.

Um der Guerilla endgültig den Garaus zu machen, begann die srilankische Armee vor zweieinhalb Jahren mit einer groß angelegten Offensive. Dabei wurden zahlreiche Angehörige der ethnischen Tamilen getötet. Menschenrechtsaktivisten fordern nun eine Aufklärung der während des Konflikts begangenen Verbrechen an der Zivilbevölkerung.

Die 50-minütige Dokumentation wurde von den Organisationen 'Human Rights Watch', 'Amnesty International', der 'International Crisis Group' und der 'Open Society Foundation' finanziert. Gezeigt wurde der Film bereits in Genf und am Sitz der Vereinten Nationen in New York.


Zivilisten wurden Zielscheiben von Armee und Guerilla

Die Aufnahmen, die die UN als authentisch beurteilt hat, wurden von Zivilisten, Soldaten und Rebellen mit Fotoapparaten und Handys gemacht. Manche Szenen sind für die Zuschauer nur schwer zu ertragen. Unter anderem werden über den Boden verstreute Leichenteile nach einem Bombenangriff der Armee auf ein Krankenhaus gezeigt. "Man konnte sehen, wie das Blut der Toten zusammen mit dem Regenwasser wegfloss", berichtete ein Augenzeuge.

Ein UN-Expertenausschuss hat in einem im April veröffentlichten Bericht festgestellt, dass bei den häufigen Bombenangriffen des Militärs mindestens 40.000 Zivilisten ums Leben kamen. Nach Angaben von Augenzeugen und Menschenrechtsaktivisten richtete die Armee ihre Angriffe absichtlich gegen zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser und Verteilstellen für Lebensmittel.

In einer anderen ergreifenden Filmszene sieht man weinende kleine Mädchen, die von einem Bunker aus verzweifelt nach ihrer Mutter rufen, die schwer verletzt einige Meter von ihnen entfernt liegt. Die Zuschauer erfahren, dass eine weitere Angriffswelle verhindert hat, dass die Kinder zu ihrer sterbenden Mutter laufen konnten. Die Attacke habe Zivilisten gegolten, die Verletzten zur Hilfe kommen wollten. In einer anderen Sequenz sind Soldaten zu sehen, die Gefangene hinrichten, und die Leichen von Frauen, die offensichtlich sexuell missbraucht wurden.

Die Gräuel gingen allerdings nicht nur auf das Konto der Streitkräfte. In dem Film werden auch LTTE-Rebellen gezeigt, die Gruppen von Zivilpersonen beschießen. Die UN fand glaubwürdige Hinweise, dass die LTTE Menschen als lebende Schutzschilde benutzte und alle diejenigen tötete, die zu fliehen versuchten.

"Solche Szenen sind nicht nur schockierend", sagte McGovern. "Sie sind auch ein schlagkräftiger Beweis dafür, dass eine unabhängige Untersuchung notwendig ist, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn die srilankische Regierung auf diese Forderung nicht eingeht, muss die internationale Staatengemeinschaft an ihrer Stelle handeln", erklärte der Abgeordnete.


Kritik an staatlichen Untersuchungen

Der Vizevorsitzende des Friedensforschungsinstituts International Crisis Group, Mark Schneider, kritisierte die bisherigen Untersuchungen der Regierung in Colombo. Die staatliche Versöhnungskommission sei nicht nach international üblichen Standards vorgegangen, die eine Überprüfung ihrer Arbeit ermöglicht hätte, sagte er. Für die weitere Entwicklung Sri Lankas sei es aber wichtig, dass lückenlos Rechenschaft abgelegt werde.

Tom Malinowski von Human Rights Watch sieht nicht nur eine moralische, sondern auch eine strategische Notwendigkeit für die Aufklärung der Vorfälle im Bürgerkrieg. Um die Rebellen auszulöschen, sei das srilankische Militär auch mit tödlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen und habe unerwünschte Augenzeugen wie Journalisten und internationale Beobachter aus den Kampfzonen ausgesperrt. Auch mörderische Kriegsparteien, die aus der Zuversicht heraus, als Sieger Geschichte zu schreiben, solche Verbrechen begingen, müssten zur Verantwortung gezogen werden. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.channel4.com/programmes/sri-lankas-killing-fields/episode-guide/series-1/episode-1
http://tlhrc.house.gov/
http://www.un.org/News/dh/infocus/Sri_Lanka/POE_Report_Full.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56534

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2011