Schattenblick → INFOPOOL → RELIGION → MEINUNGEN


STANDPUNKT/066: Finanz-Chef des Papstes vertuschte sexuelle Gewalt von 900 Priestern (Gerhard Feldbauer)


Franziskus kalt erwischt

Sein Finanz-Chef vertuschte sexuelle Gewalt von 900 Priestern

Von Gerhard Feldbauer, 3. März 2016


13 Tage vor dem dritten Jahrestag seines Amtsantritts hat es Franziskus wieder einmal kalt erwischt. Einer seiner engsten Mitarbeiter, der frühere Erzbischof von Sydney, Kardinal George Pell, den er im Februar 2014 als Präfekt des vatikanischen Wirtschaftsrats mit der Leitung der Finanzen des Vatikans beauftragte, wird beschuldigt, jahrelang schwerste Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche Australiens vertuscht zu haben. Am Montag wurde der Kardinal von einer Untersuchungskommission der Landeskirche in Melbourne per Video-Schaltung mit Rom zu den Verbrechen befragt. Die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete, dass dabei zur Sprache kam, dass jährlich 600 Fälle von Pädophilie bekannt wurden, in den letzten 10 Jahren 900 Priester sich an Kindern und Jugendlichen vergingen und Pell seit langem beschuldigt wurde, von den Vergewaltigungen gewusst, aber nichts unternommen zu haben.

Der frühere Erzbischof gab zu, der Kindesmissbrauch sei jahrelang heruntergespielt worden und er habe "schreckliche Fehler" begangen. Er habe dazu geneigt, eher einem Priester zu glauben, der die Taten leugnete, als dem Opfer, das ihn beschuldigte". Bekannt wurden Äußerungen Pells, der pädophile Priester mit Lkw-Fahrern verglich, die Autostopperinnen belästigen.

Auch wenn letzteres Verhalten ebenfalls nicht verharmlost werden sollte, werden damit Verbrechen wie die des Priesters Edward Dowlan verharmlost, der 2015 in der Stadt Ballarat wegen sexuellen Missbrauchs an 20 Jungen einer katholischen Kirche zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Eher am Rande wird bekannt, dass der Finanzchef des Papstes, der mit den Korruptionsaffären im Vatikan aufräumen soll, es selbst nicht so genau nimmt. So soll er in den ersten sechs Monaten seiner Tätigkeit als Wirtschaftspräfekt über eine halbe Million Euro an Spesen in Rechnung gestellt haben, darunter für teure Business-Class-Flüge. Das Mitglied der von Franziskus eingesetzten vatikanischen Anti-Missbrauchs-Kommission, der Brite Peter Saunders, in seiner Kindheit selbst Opfer eines pädophilen Priesters, hat den Papst aufgefordert, den Präfekten nach Australien zurückzuschicken. Aus Protest gegen die schleppende Arbeit der Kommission hat er seine Mitarbeit vorrübergehend eingestellt.

Vatikankenner halten die an die Öffentlichkeit kommenden Enthüllungen nur für die Spitze eines Eisberges. Der frühere Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Professor Hubertus Mynarek, hat in seiner 2015 veröffentlichten Biografie "Papst Franziskus" allein in den USA 2004 4.392 Priester wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt wurden, genannt. Dieser Bedrohung, so rechnet Mynarek auf, sind in 200.000 kirchlichen Bildungseinrichtungen 40 bis 50 Millionen Schüler ausgesetzt.

Die Aktivistengruppe Bishop Accountability (Bischöfe zur Rechenschaft ziehen) nannte 130.000 Fälle von sexuellem Missbrauch, an denen 3.000 Priester beteiligt waren. Sie machte den Fall des katholischen Bischofs von Kansas City-Saint Joseph publik, der wie Kardinal Pell Missbrauchsfälle vertuschte. Darunter den eines Priesters, der Hunderte Kinderpornographien von jungen Mädchen auf seinem Computer gespeichert hatte. Monatelang verdeckte der Bischof den Vorfall, ehe er schließlich die Polizei informierte. Ein Gericht verhängte gegen ihn deswegen eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Der Priester selbst wurde 2013 zu 50 Jahren Haft verurteilt.

*

Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang