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LATEINAMERIKA/060: Neue Impulse für Konfliktlösung in Kolumbien (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 25.11.2009

Neue Impulse für Konfliktlösung in Kolumbien

Von Mark Beach


Beinahe vier Stunden lang haben sich kirchliche Aktivisten während der Advocacy-Woche des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) bei den Vereinten Nationen in New York eingehend mit den Tragödien und Ungerechtigkeiten des anhaltenden blutigen Konflikts in Kolumbien beschäftigt.

Die Fakten und Zahlen, unterlegt mit persönlichen Erlebnissen, waren überwältigend.

Tausende haben den Tod gefunden. Immer mehr Kinder werden von selbst gebastelten, als Spielzeug getarnten Landminen und nicht-explodierter Munition verstümmelt und getötet.

Väter und Söhne sind von paramilitärischen und Guerilla-Gruppen entführt und ermordet worden. Viele haben ihren Grund und Boden verloren, sind geflohen, haben Frauen und Kinder zurückgelassen. Kolumbien hat die weltweit zweithöchste Zahl von Binnenvertriebenen.

Auf den Fluren der Macht im UN-Gebäude gegenüber des Church Centers, wo die Sitzungen der Advocacy-Woche stattfinden, wird der Tragödie in Kolumbien kaum noch Aufmerksamkeit geschenkt. "Jedes Mal, wenn wir mit UN-Vertretern zusammentreffen, fragen wir: 'Was ist mit Kolumbien?'", berichtet Joseph Donnelly, der Caritas Internationalis bei den Vereinten Nationen vertritt. "Sie wollen das nicht hören und sagen: 'Nicht schon wieder Kolumbien'."

Bischof Juan Alberto Cardona, der Bischof der Methodistischen Kirche in Kolumbien, sagte vor der Gruppe, während sich die kolumbianischen Kirchen aktiv für Konfliktlösung und Friedensstiftung einsetzten, würde die Rolle, die Kirchen in aller Welt dabei spielen könnten, zum jetzigen Zeitpunkt nicht wahrgenommen. Dieser Hinweis führte der Gruppe engagierter kirchlicher Aktivisten vor Augen, wie weit der Weg bis zur Überwindung von Ungerechtigkeit noch ist.

Die Advocacy-Woche des ÖRK bei der UNO in New York brachte vom 15. bis 20. November Vertreter und Vertreterinnen von Kirchen in aller Welt zusammen, um sich mit einer Reihe von Themen zu befassen, darunter der Frage der Menschen, die durch Klimaveränderungen vertrieben werden, die Anliegen indigener Völker sowie der anhaltende Konflikt in Kolumbien. Gleichzeitig bauen sie Kontakte auf und statten den Vertretungen verschiedener Staaten bei der UNO in New York Besuche ab.

Die Vision von Frieden mit Gerechtigkeit

Das leidenschaftliche Engagement für Frieden und Gerechtigkeit wurde in dem halben Dutzend Präsentationen von kirchlichen Verantwortlichen und Aktivisten innerhalb und außerhalb Kolumbiens deutlich und beeindruckte die rund 80 Teilnehmenden an der Sitzung am zweiten Tag der Advocacy-Woche.

Jenny Neme, Leiterin des Christlichen Zentrums für Frieden, Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit (JUSTAPAZ) und Mitglied der Mennonitengemeinden in Kolumbien, sagte in der Sitzung, dass sich die Kirchen in Kolumbien vor mehr als zehn Jahren eingestanden hätten, dass "wir weder das Licht, noch das Salz gewesen sind, dass Kolumbien braucht".

Seither haben sie sich dafür engagiert, einen Weg zu Frieden und Gerechtigkeit in Kolumbien zu finden, indem sie in Gemeinschaften und Gemeinden über die Situation informieren, ihre theologische Reflexion fortsetzen und die schmerzliche Aufgabe übernommen haben, das Leiden in der Gesellschaft, insbesondere unter den Christen, zu dokumentieren.

Die JUSTAPAZ-Gruppe hat inzwischen einen 100-seitigen Bericht herausgegeben, der mit zum Teil erschütternden Einzelheiten das Leiden der evangelischen Kirchen in Kolumbien dokumentiert.

Donnelly berichtete über die kleinen Schritte, die unternommen worden sind, um die UNO dazu zu bringen, sich mit der Situation in Kolumbien zu befassen. Der Internationale Strafgerichtshof beschäftige sich mehr und mehr mit Kolumbien, sagte er - auch wenn dies vielleicht eher mit der Tatsache zu tun habe, dass der Strafgerichtshof nur wenig Erfolg damit habe, in seiner gegenwärtigen Arbeit im Bereich der Großen Seen in Afrika zu Verurteilungen zu gelangen.

Die Kirche aber müsse standhaft und beharrlich in ihrer Fürsprachearbeit sein, sagte Donnelly. Heute gebe es fast 5000 akkreditierte Nichtregierungsorganisationen im Umfeld der UNO, fügte er hinzu, die alle einen Zugangsausweis für die UN-Gebäude hätten. Er zeigte der Gruppe seinen eigenen Ausweis und sagte, "aber selbst das garantiert den Zugang noch nicht."

Wenn die Kirche nicht konsequent und beharrlich ist, gerät sie wenige Wochen nach einem Besuch in Vergessenheit. Donnelly erinnerte daran, dass die Kirche in den Anfangsjahren der UNO Hand in Hand mit den politischen Verantwortlichen an der Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gearbeitet hatte, deren 60-jähriges Bestehen 2008 gefeiert wurde.

Bischof Cordona sagte in einem Interview nach seiner Ansprache, dass die weltweite Kirche eine wichtige Rolle zu spielen habe. "Erstens kann die Kirche mit prophetischer Stimme sprechen", sagte er.

Zweitens "kann die Kirche die frohe Botschaft von der Gleichberechtigung verkündigen, die das Evangelium enthält. In Kolumbien durchdringt die Kirche die ganze Gesellschaft und ist dafür verantwortlich, eine prophetische Sicht anzubieten."

"Was den Ökumenischen Rat der Kirchen anbelangt, so kann er Fürsprache auf höchster Ebene leisten, damit wir auf dem Verhandlungsweg zu einer Lösung für die Situation in Kolumbien gelangen können", sagte er.

In gewissem Sinne bringt dies das Engagement der Kirchen für Kolumbien zurück in die Korridore der UNO.

Das Church Center, in dem die Advocacy-Woche stattfindet und sich die Verbindungsbüros zur UNO des ÖRK, der Evangelisch-Methodistischen Kirche, der Presbyterianischen Kirche und anderer Kirchen befinden, liegt dem UNO-Gebäude gegenüber. Im nahen Umkreis gibt es weitere kirchliche Vertretungen und Büros wie z.B. der Quäker und der Mennoniten.

Laut Donnelly kann die Kirche Zugang zur UNO erhalten, sie kann Einfluss nehmen, aber das brauche Zeit; und wenn Sie um ein Zusammentreffen ersuchen, "legen Sie Fakten vor", riet er.

"Wir müssen konsequenter und beharrlicher sein", fügte er hinzu.


Mark Beach ist Direktor der ÖRK-Kommunikationsabteilung.

ÖRK-Mitgliedskirchen in Kolumbien:
http://www.oikoumene.org/de/mitgliedskirchen/regionen/lateinamerika/k olumbien.html

ÖRK-Besuch Lebendiger Briefe in Kolumbien, Dezember 2008:
http://gewaltueberwinden.org/de/konvokation/lebendige-briefe/kolumbie n.html

Mehr zur ÖRK-Advocacy-Woche bei den Vereinten Nationen (auf Englisch):
http://unaw.oikoumene.org

Aufnahmen von Ansprachen und Interviews von der Advocacy-Woche (auf Englisch):
http://www.oikoumene.org/en/events-sections/unaw/audio.html

Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 25. November 2009
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2009