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KIRCHE/501: Stärkeres Engagement für Migrantenrechte gefordert (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 21.06.2007

Ökumenisches Netzwerk für Migrationsfragen fordert stärkeres Engagement der Kirchen für Migrantenrechte

Von Fredrick Nzwili (*)


Kirchen in aller Welt sind über das Schicksal von Migranten besorgt, die vor Armut und Gewalt in ihren Heimatländern fliehen. In Afrika ist es die Hoffnung auf ein besseres Leben, die viele junge Menschen zur Flucht nach Europa oder in die USA verlockt, wo viele von ihnen als illegale Migranten enden. In Sri Lanka hat der Konflikt zwischen Regierungstruppen und den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) zur Flucht von Tausenden von Menschen geführt, die jetzt als Migranten in ständiger Angst vor Abschiebung leben. In Jordanien und Syrien warten irakische Christen seit mehr als zehn Jahren auf ein Immigrantenvisum.

Die Geschichten dieser Menschen wurden auf der Migrationskonferenz vom 6.-8. Juni 2007 in Nairobi, Kenia, erzählt und stellen eine Herausforderung an die Kirchen dar, sich stärker in der Migrationsproblematik zu engagieren.

Vertreter und Vertreterinnen von Kirchen, kirchlichen Organisationen und ökumenischen Einrichtungen aus Afrika, Asien, Australien, der Karibik, Lateinamerika, dem Nahen Osten, Nordamerika und dem Pazifik nahmen an der Konferenz des Globalen Ökumenischen Netzwerkes für Migrationsfragen (GEM) teil, die von der Gesamtafrikanischen Kirchenkonferenz (AACC) ausgerichtet wurde. Das Netzwerk wurde 2006 vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) eingerichtet, um die Kirchen in die Arbeit mit Migranten einzubinden und sie zu ermutigen, sich stärker für diese Menschen zu engagieren. Es tritt an die Stelle des Globalen Ökumenischen Netzwerks für entwurzelte Menschen, das 1999 gegründet worden war.

Der Rat der Kirchen im Mittleren Osten (MECC) mit Sitz in Amman, Jordanien, leistet z.B. gegenwärtig humanitäre Hilfe für christliche Flüchtlinge, die nach Ansicht der nahöstlichen Kirchen in einer Flüchtlingskrise gefangen sind, "die sich in beispielloser Weise ausweitet und verschärft". Seit Beginn des US-geführten Feldzugs gegen Saddam Hussein sind zwei Millionen Menschen geflohen, die meisten von ihnen nach UNO-Angaben in die Nachbarländer Iran und Türkei. Unter ihnen sind auch Angehörige der christlichen Minderheit im Irak, von denen viele - so George J. Hazou, Leiter der MECC-Abteilung für die Unterstützung palästinensischer Flüchtlinge - glauben, dass sie im Irak keine Zukunft mehr haben, unabhängig davon, wie der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten ausgeht.

Seit dem Sturz Saddam Husseins seien diese Christen zum Angriffsziel geworden, berichtete Hazou auf der Migrationskonferenz, und nach jahrelangem friedlichen Zusammenleben mit Sunniten und Schiiten würden jetzt Kirchen bombardiert und Christen entführt. "Einige Muslime unterscheiden nicht zwischen Christen und westlichen Truppen", erklärte er und fügte hinzu, dass christliche Frauen aus Angst vor Angriffen dazu übergingen, auf der Straße den Schleier zu tragen.

Über einen anderen gewalttätigen Konflikt berichtete Pfr. Freddy De Alwis, Exekutivsekretär für Gerechtigkeit, internationale Angelegenheiten, Entwicklung und Dienste der Asiatischen Christlichen Konferenz (CCA). Die Lage in Sri Lanka nehme, so De Alwis, "immer schlimmere Formen" an.

De Alwis äußerte nicht nur Kritik an der Regierung, sondern auch an den Kirchen, die "in der Vergangenheit so viel getan haben", aber jetzt anscheinend "schlafen": "Sie wollen nur missionieren, Kirchen gründen, christianisieren, sonst nichts. Wie es den Menschen geht, ist ihnen egal, weil die meisten Menschen im Nordosten Hindus oder Muslime sind."

Obwohl seine Kirche das Problem der Entführungen durch bewaffnete Gruppen aktiv verfolgt - eine Gefahr, der Flüchtlinge in Sri Lankas Hauptstadt Colombo täglich ausgesetzt sind - kritisierte De Alwis, dass die kirchliche Hierarchie sich nicht genug für diese Menschen einsetze. "Die Opfer sind unschuldige Menschen, deshalb bin ich so wütend", sagte er.

Juliana Omale-Atemi vom African Women and Child Feature Service (AWC) lenkte die Aufmerksamkeit der Konferenzteilnehmenden auf die ständig wachsende Zahl von Migrantinnen, die "Missbrauch und Ausbeutung (riskieren), nur weil sie Frauen sind". Sie fügte hinzu, dass einige Mädchen entführt und gezwungen würden, in der Tourismus-, Unterhaltungs- und Sexindustrie zu arbeiten.

"Die Kirche hat Möglichkeiten, Einfluss auf die internationale Migrationspolitik zu nehmen und sich für die Menschenrechte von Migrantinnen sowie die ihrer Familien und Gemeinschaften in den Herkunftsländern einzusetzen", argumentierte sie.

Die Migration hat das Gesicht der Kirche sowohl in den Aufnahme- als auch in den Herkunftsländern verändert, da die Migranten mit ihren psychischen Schwierigkeiten und geistlichen Bedürfnissen eine große Herausforderung für die Kirchen darstellen.

"Viele Migranten gehen nicht mehr in die Kirche, sie haben ihren Glauben und ihre Werte verloren. Diejenigen, die die Partnerkirchen ihrer Heimatkirchen besuchen, spüren, dass sie dort nicht wirklich willkommen sind", sagte Pfrin. Gertrude Kapuma, eine der Vizepräsidentinnen der Gesamtafrikanischen Kirchenkonferenz. Die daraus resultierende Enttäuschung habe zur Entstehung vieler kleiner Kirchen mit afrikanischer Liturgie geführt, die auf die Bedürfnisse der afrikanischen Migranten eingingen, berichtete sie.

Die Mitglieder des Globalen Ökumenischen Netzwerks für Migrationsfragen beschlossen auf der Konferenz, sich gegenseitig in den Regionen zu besuchen, um das Bewusstsein für die Migrationsproblematik unter den Mitgliedskirchen zu stärken und Informationen über die rechtliche, soziale und psychische Situation der Migranten in den Aufnahmeländern sowie über die Beziehungen zwischen den Kirchen in den Herkunfts- und Aufnahmeländern auszutauschen.

Mehrere Konferenzteilnehmende erklärten, die Kirche müsse das Problem der Migration besser verstehen, Rassismus bekämpfen und die Menschen über die Schwierigkeiten aufklären, denen sie in ihrem Gastland begegnen könnten. Sie forderten die Kirchen auch auf, nachdrücklicher für die Menschenrechte von Migranten einzutreten und zu prüfen, ob ihre Regierungen ratifizierte Übereinkommen auch tatsächlich anwendeten.

Nach Angaben der Koordinatorin des ÖRK-Projekts "Migration und soziale Gerechtigkeit", Sydia Nduna, plant das Netzwerk, Abschiebungen aus europäischen Ländern bis Ende 2008 durchgängig zu verfolgen und gleichzeitig für eine engere Zusammenarbeit der Afrikanischen und der Europäischen Union in Fragen der Migrationspolitik zu werben.

"Wir rufen an erster Stelle zu bewusstseinsbildenden Maßnahmen innerhalb Afrikas auf, weil wir dort leben", erklärte Pfr. Prof. Maake Masango von der Presbyterianischen Kirche Südafrikas. "Den europäischen Kirchen sagen wir, dass sie den Menschen in ihren Ländern die Augen für die zugrunde liegenden Probleme öffnen müssen, wenn Migranten aus unseren Ländern als illegal bezeichnet, festgenommen, auf unmenschlichste Weise behandelt und brutal abgeschoben werden."

(*) Fredrick Nzwili ist freiberuflicher Journalist aus Kenia. Er arbeitet gegenwärtig als Korrespondent für Ecumenical News International (ENI) in der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

Die Erklärung der Konferenz wird demnächst auf der Webseite des GEM veröffentlicht werden:
http://www.oikoumene.org?id=3414&L=2

Weitere Informationen über die Arbeit des ÖRK zu Migration und sozialer Gerechtigkeit finden Sie (auf Englisch) unter:
http://www.oikoumene.org?id=3123&L=2

(Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.)


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Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 347 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 21. Juni 2007
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2007