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KIRCHE/1996: G7-Gipfel muss etwas gegen die Hungersnot unternehmen (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Mitteilung vom 22. Mai 2017

G7-Gipfel muss etwas gegen die Hungersnot unternehmen

Deutsche Fassung veröffentlicht am 24. Mai 2017


Es wird noch lange nicht genügend getan, um das Leben der 20 Millionen Menschen zu retten, die in Ländern wie Jemen, Somalia, Südsudan und Nigeria von einer Hungerkatastrophe bedroht werden. Davon betroffen sind auch 1,4 Millionen Kinder, die unmittelbar vom Hungertod bedroht sind, wenn ihnen nicht sofort geholfen wird.

In der heutigen Zeit ist Hunger nicht mehr tolerierbar - nicht nur, weil jeder Mensch in den Augen Gottes wertvoll ist und das Recht auf Nahrung hat, sondern weil die schwächsten und verletzlichsten Mitglieder unserer Gemeinschaft dem Hunger zuerst zum Opfer fallen.

Es ist die moralische Pflicht wohlhabender Nationen, alles zu unternehmen, lebensrettende finanzielle Hilfen und Unterstützung zur Verfügung zu stellen, um die eigentlichen Ursachen des Hungers zu beseitigen: Konflikte, unzulängliche institutionelle Strukturen und Klimawandel.

Letzten Sonntag wurden mehr als eine Milliarde Menschen christlichen Glaubens aufgefordert, an einem Weltgebetstag für ein Ende der Hungersnot teilzunehmen. Wir als Unterzeichner haben einen Beitrag zur Durchführung dieses weltweiten Ereignisses geleistet, denn wir glauben, dass diese Krise unsere Gebete erfordert und dass Regierungen, die Gesellschaft und alle gläubigen Menschen etwas unternehmen müssen.

Die aktuelle Krise ist das Ergebnis einer sich ständig verschlechternden Ernährungslage. Die Zahl der Menschen, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, ist im vergangenen Jahr um 35 Prozent von 80 auf 108 Millionen Menschen gestiegen. Diese erschreckenden statistischen Zahlen sprechen den weltweiten Verpflichtungen Hohn, Armut und Hunger bis 2030 zu beseitigen. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass sich die Lage für die Mehrheit der Menschen auf der Welt verbessert, während sie für die bereits am schlimmsten Betroffenen immer katastrophaler wird.

Humanitäre Organisationen und auch unsere Kirchenmitglieder vor Ort warnen vor der Katastrophe. In Ostafrika sind jetzt Hunderttausende von Menschen auf der Flucht vor Hunger und Krieg. Sie werden über Grenzen hinweg vertrieben und landen in Flüchtlingslagern, wo sie unter extrem harten Bedingungen leben müssen. Uganda betreibt inzwischen das weltweit größte Flüchtlingslager Bidi Bidi, wo mehr als 270 000 Menschen leben. Jeden Tag kommen Tausende neue Flüchtlinge aus dem Südsudan in Uganda an, darunter Hunderttausende unbegleitete Kinder, deren Eltern vermisst werden oder getötet wurden. Die verfügbare Nahrungsmittelhilfe ist bei weitem nicht ausreichend.

In Somalia haben Hunderttausende ihre von Dürre geplagte Heimat verlassen. Dort sind dem Wassermangel ganze Viehherden zum Opfer gefallen, in den verlassenen Dörfern gibt es keinerlei Lebensgrundlage mehr. Mitglieder humanitärer Organisationen berichten von Müttern, deren Kinder auf der langen Suche nach Nahrung und Wasser verhungert sind.

Kinder werden auch Opfer von Cholera, Diarrhöe und anderen Erkrankungen, da ihre geschwächten Körper Krankheiten nicht mehr besiegen können, die im Normalfall gut zu behandeln wären. Sie und ihre Familien sterben unbeachtet in abgelegenen Dörfern, unterwegs auf der Suche nach Hilfe oder gefangen in den Todeszonen kriegerischer Auseinandersetzungen, wo sie das Opfer von Bombardierungen, Kidnapping, Vergewaltigungen und Gewalt werden. Kinder bezahlen einen besonders hohen Preis.

Das letzte Mal hat die Welt im Jahre 2011 von einer solchen Hungerkatastrophe erfahren - damals starben 260 000 Menschen in Somalia, die Hälfte davon Kinder. Die Situation ist heute noch dramatischer. Nach Aussage der Vereinten Nationen hat es seit 1945 keine humanitäre Katastrophe dieser Dimension gegeben. Zwar wissen wir genau über den Verlauf dieser Krise Bescheid, aber trotzdem reagiert die Weltgemeinschaft viel zu langsam darauf. Warum unternehmen wir erst etwas, wenn uns der Tod schon ins Gesicht starrt?

Aus diesem Grund erfordert diese Krise eine inspirierende Führung der Staats- und Regierungschefs der G7-Länder. Diese Führungsqualitäten werden gebraucht, um Maßnahmen in drei Bereichen auf den Weg zu bringen.

Zunächst geht es um Verpflichtungen, die für lebensrettende Maßnahmen erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen. Dazu gehören neben der Lebensmittelhilfe auch therapeutische Behandlungen und Nahrungsergänzungsmittel, damit Kinder wieder eine Überlebenschance haben, die Entsendung von Wassertankwagen zur Sicherung der Trinkwasserversorgung sowie Maßnahmen für die Gesundheits- und Sanitärversorgung, um die Ausbreitung tödlicher Krankheiten zu stoppen. Bisher sind nur $1,67 Milliarden der erforderlichen $4,9 Milliarden zur Verfügung gestellt worden. Der fehlende Betrag muss jetzt dringend gezahlt werden. Alle eingegangenen Verpflichtungen müssen sofort in bare Münze umgesetzt werden.

Zweitens müssen wir uns der schwierigen Aufgabe stellen, die Ursachen für Konflikte und Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Dies bedeutet ein ständiges Engagement in den härtesten und gefährlichsten Krisengebieten der Welt. Staaten und internationale Organisationen müssen sich für den Frieden einsetzen, bevor Konflikte ausbrechen. Sie müssen Regierungen für die Verletzung von Menschenrechten und für die Eskalation von Konflikten, die sie eigentlich entschärfen sollten, zur Verantwortung ziehen und mit Regierungen zusammenarbeiten, um Institutionen und Zivilgesellschaften aufzubauen und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen. Auch die Finanzierung von Programmen, die den armen Ländern bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels helfen, gehört zu ihren Aufgaben.

Die G7 müssen die Vorstellungen derjenigen zurückweisen, die weniger Interventionen fordern und die für humanitäre Hilfe und Entwicklungsarbeit erforderlichen finanziellen Mittel kürzen wollen. Es ist mehr anstatt weniger Geld erforderlich, um die zersetzenden Auswirkungen von Ungerechtigkeit, Vertreibung und Isolation zu verhindern.

Schließlich beten wir dafür, dass die Staats- und Regierungschefs der G7-Länder alle Regierungen dazu inspirieren können, den ärmsten Nationen der Welt zur Seite zu stehen und ihnen den gleichen verbesserten Wohlstand zuteil werden zu lassen, den Hunderte Millionen Menschen bereits erfahren haben. Die Hungersnot, die wir zurzeit erleben, ist die tödliche Konsequenz extremer Armut. Es erfordert den kontinuierlichen politischen Willen, das Engagement und die finanzielle Unterstützung der Regierungen und ihrer Bürgerinnen und Bürger, um diese Situation zu beenden. Jetzt ist es an der Zeit, um Leben zu retten und diese Plage der Menschheit auszurotten.

Unterzeichner:

ACT-Bündnis
John Nduna, Generalsekretär

Caritas in Veritate International-CiVI
Henry Cappello, Präsident und Geschäftsführer

Lutherischer Weltbund
Pfr. Dr. Martin Junge, Generalsekretär

Heilsarmee
General André Cox

Ökumenischer Rat der Kirchen
Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, Generalsekretär

Weltweite Evangelische Allianz (WEA)
Bischof Efraim M. Tendero

World Vision International
Thabani Maphosa
Partnership Leader, Food Assistance

Chris Derksen Hiebert
Direktor World Vision International,
Public Policy and External Relations

Christopher Hoffman MPM,
World Vision International,
Direktor humanitäre Zusammenarbeit und Nothilfe für die Region Ostafrika

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK inzwischen 348 Mitgliedskirchen an, die zusammen über 500 Millionen Christen aus protestantischen, orthodoxen, anglikanischen und anderen Traditionen in mehr als 140 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 24. Mai 2017
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2017

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