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KIRCHE/1210: Ökumene als Gemeinschaft gleichberechtigter Kirchen (VELKD)


Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) - 5. November 2011

Ökumene als Gemeinschaft gleichberechtigter Kirchen

Friedrich Weber hält Catholica-Bericht auf der VELKD-Synode


Magdeburg - Der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche (VELKD), Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber (Wolfenbüttel), hat in seinem Bericht vor der Generalsynode den Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. kritisch gewürdigt. Nicht zu unterschätzen sei die ökumenische Bedeutung des Ortes, des evangelischen Augustinerklosters in Erfurt, an dem das Treffen mit der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) stattfand. Damit habe erstmals ein Papst eine Lutherstätte besucht und erstmals "kam es während eines Papstbesuches in Deutschland zu einem ökumenischen Gottesdienst in einer evangelischen Kirche". Dass dann allerdings Luther nur im nicht-öffentlichen Gespräch, nicht aber im Gottesdienst, genannt wurde, sei enttäuschend gewesen. Positiv nahm Weber die Äußerungen des Papstes zur Wahrheitsfrage des christlichen Glaubens auf. Der gemeinsame Grund des Glaubens liege im Christusgeschehen. Es sei erfreulich gewesen, wie der Papst das reformatorische Lebensthema Luthers, seine Suche nach dem gnädigen Gott, formuliert habe.

Trotz der vertanen Chance, etwas zur gemeinsamen Eucharistiefeier von Ehepaaren zu sagen, sei das vor sechs Jahren vom Papst geäußerte Bekenntnis zur Ökumene "nicht obsolet" geworden. Insbesondere, dass der Papst "alles in seiner Macht Stehende" zur Förderung der Ökumene tun wolle, wecke "Hoffnung auf weitere Schritte noch während seines Pontifikats".

Für die weiteren Schritte der Lehrökumene hielt Weber "die Rede vom differenzierten Konsens" für hilfreich, wie sie insbesondere im Zusammenhang der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre im Jahr 1999 dokumentiert wurde. Demnach könne es "durchaus so etwas wie ökumenische Vertragswerke geben, die auf einem tieferen Hineindenken in den Glauben" beruhten. Weber wies zudem auf eine aktuelle Veröffentlichung zu den biblischen Grundlagen der Lehre von der Rechtfertigung hin, in der ein weitgehender Konsens darüber erreicht worden sei, dass Gottes rettendes Handeln der Antwort des Menschen darauf vorausgehe.

Die Frage nach einem Sprecheramt des Papstes für die christlichen Kirchen sah Weber als abhängig davon an, ob man von einer "Gemeinschaft gleichberechtigter Kirchen" ausgehen könne. Wenn dem so sei, könne der Papst "in außergewöhnlichen Situationen in Absprache mit den anderen Kirchen im Namen der ganzen Christenheit" sprechen. "Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg", resümierte Weber. "Ökumene als Grundverpflichtung der Kirche bedarf der Beharrlichkeit und Geduld."

Es bleibe zudem fraglich, ob die Christenheit einen gemeinsamen Sprecher benötige. Die frühe Kirche kenne ein solches Amt nicht. Das Christentum sei "konkret nur in konfessioneller Ausprägung erfahrbar und wahrnehmbar". Eine biblisch angemessene und realistische Möglichkeit sei daher in einer konziliaren Gemeinschaft der Konfessionen zu sehen. In den evangelischen Kirchen habe sich für die ökumenische Zusammenarbeit das Konzept der "versöhnten Verschiedenheit" als Leitlinie herausgebildet, das auch für die Ökumene mit der römisch-katholischen Kirche wegweisend sein könne.

Darüber hinaus bleibe deutlich zu machen, dass der Primat des Papstes nicht für das Heil notwendig sei. Ein solcher Primat könne zwar als notwendig für die Einheit der Kirche angesehen werden, nicht aber als die Kirche begründend. Dies habe eine Fachkommission aus lutherischen und katholischen Theologen in einem fünfjährigen Studienprozess herausgearbeitet.

Einen weiteren Zugang zur ökumenischen Zukunft könne sich aus der gemeinsamen Anerkennung der Taufe ergeben, so Weber weiter. In der Magdeburger Erklärung aus dem Jahr 2007 hätten elf Konfessionen in Deutschland ihre Taufe gegenseitig anerkannt. Die Taufe könne als verbindendes Element genutzt werden, um auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft weiter zu kommen. Weber zufolge sei zu untersuchen, "ob nicht ein tieferes Verständnis der Taufe zu einem Türöffner wird, unsere vermeintlich kirchentrennenden Unterschiede im Kirchenverständnis zu überwinden".

In diesem Zusammenhang wies er auf ein von der bayerischen Landeskirche geplantes ökumenisches Taufformular hin, in dem gemischtkonfessionelle Familien eine stärkere Berücksichtigung erfahren sollen. Auf internationaler Ebene sei zudem eine trilaterale Gesprächsgruppe zwischen dem Lutherischen Weltbund, dem päpstlichen Einheitsrat und der Mennonitischen Weltkonferenz zum Thema Taufe geplant. Ergänzend verwies Weber darauf, dass die auf evangelischer und katholischer Seite praktizierten Wortgottesdienste oder Stundengebete zur Einheit der Kirchen beitragen können.

Neben einer Ökumene der Lehre und der Liturgie betonte Weber insbesondere eine Ökumene des Lebens und erinnerte an die vier Lübecker Märtyrer vom 10. November 1943. Drei römisch-katholische Priester und ein evangelischer Pastor hatten in der Ablehnung des nationalsozialistischen Staates zu einer geistlichen Gemeinschaft untereinander gefunden. Das in der historischen Rückschau auch des lutherischen Pastors Karl Friedrich Stellbring gedacht wurde, sei ein ökumenisches Verdienst der katholischen Kirche. "Von der katholischen Gedenkkultur gäbe es sicherlich manches zu lernen auch für uns evangelische Christen."

Im Nachgang zur Begegnung der Kirchenleitung der VELKD Anfang des Jahres mit Papst Benedikt XVI. und dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, in Rom seien in den kommenden Jahren weitere Gespräche von Seiten des Leitenden Bischofs und des Catholica-Beauftragten der VELKD beabsichtigt. Als ökumenisches Zeichen seien im Januar sogenannte Korrespondenzbäume zum Luthergarten in Wittenberg an der Basilika di San Marco in Mailand und bei der päpstlichen Basilika St. Paul in Rom gepflanzt worden. An beiden Orten stehen seitdem die ersten Luther-Olivenbäume.

Weber ist seit 2005 Catholica-Beauftragter der VELKD und berichtet einmal jährlich vor der Generalsynode über die ökumenischen Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Der Catholica-Bericht wird in der Reihe "Texte aus der VELKD" veröffentlicht werden.

Weitere Informationen im Internet unter
www.velkd.de/Generalsynode2011.php

Magdeburg/Hannover, 5. November 2011
Dr. Eberhard Blanke
Pressesprecher der VELKD


Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) ist ein Zusammenschluss von acht Landeskirchen. Ihr gehören an: die Ev.-Lutherische Kirche in Bayern, die Ev.-lutherische Landeskirche in Braunschweig, die Ev.-lutherische Landeskirche Hannovers, die Ev.-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, die Nordelbische Ev.-Lutherische Kirche, die Ev.-Lutherische Landeskirche Sachsens und die Ev.-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe. Die VELKD repräsentiert rund 10 Millionen Gemeindeglieder. Leitender Bischof ist Bischof Gerhard Ulrich (Kiel), stellvertretende Leitende Bischöfin ist Landesbischöfin Ilse Junkermann (Magdeburg). Das Amt der VELKD in Hannover wird von Dr. Friedrich Hauschildt geleitet.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 5. November 2011
Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD)
Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2011