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EDITORIAL/129: Schützen vor den Schützern ... (SB)



Wochendruckausgabe 129 der Elektronischen Zeitung Schattenblick zum 20.04.2019


Aufgeschlagene Schattenblick-Zeitung in den Händen eines Lesers - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

Schützen vor den Schützern ...

Ein kleines Männlein, dessen erster Namensteil wohl Kobold oder Dämon heißen mochte, könnte mit jenem Rumpel das stampfende, erdtretende, alles verschlingende Elementarwesen darstellen, dessen Verläßlichkeit und Sturheit jedoch nicht nur zu erhoffen und zu erwarten wäre, sondern weit über den Begriff der Treue hinaus seinem tiefsten Wesen eigen war. Der lärmende, polternde und tanzende Kleine, dessen Name einfach so etwas wie ein Markenzeichen sein mußte, endet in dem gleichnamigen Märchen wohl auch genau deshalb derart schrecklich und unstatthaft.

Gegen einen fairen Handel mit der Müllerstochter, in welchem er die vom gierigen König zum Goldspinnen aus Stroh in drei Folgenächten verurteilte Frau darin unterstützte, ihm dieses Gold zu spinnen, erwarb er dafür in der ersten Nacht ihr Halsband, in der zweiten ihren Ring und in der dritten das Versprechen auf ihr erstes Kind, das sie gebären würde.

Als nun die Stunde gekommen war, daß die indessen zur Königin aufgestiegene Müllerstochter aufgefordert wurde, ihm ihr erstes Kind zu überlassen, gab das Männchen der deshalb klagenden und greinenden Königin abermals die Chance, über einen Ratehandel ihr Kind doch behalten zu können. In den drei folgenden Tagen allerdings fand einer der Bediensteten beim Durchforsten und Erforschen vieler Namen im Lande tatsächlich dann den Namen des kleinen freundlichen Männchens heraus. Als die Königin dem Kleinen nun triumphierend seinen Namen mitteilte, so heißt es in dem Märchen, hätte dieser sich mit einem Bein vor Wut und Enttäuschung tief in den Boden gerammt und zuletzt mit beiden Händen am anderen Bein in zwei Teile gerissen.

Der Diener erzählte, tief im Wald ein kleines Haus gesehen zu haben, vor dem ein Feuer brannte, und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem Bein und schrie:

"Heute back ich,
morgen brau ich,
übermorgen hol ich der Königin ihr Kind:
ach, wie gut ist, daß niemand weiß,
daß ich RUMPELSTILZCHEN heiß.

Kann ich doch dem Kindlein nützen
und es vor der Zukunft schützen,
einer grausen Hofintrige,
es zu morden in der Wiege,
und die Müllerstochter auch,
daß sie fortweh'n wie der Rauch
und der Königssohn dann schändlich
freit in seinem Adel endlich."

Die zweite Strophe jedoch hatte der Lakai, wie es bei Dienern üblich ist, der Königin gegen guten Lohn wohl unterschlagen und verschwiegen.

Ihre Schattenblick-Redaktion


18. April 2019


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