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RUNDBRIEF/014: Gruß zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel 2020/2021 (SB)



Mit den folgenden Versen wünscht Ihnen die Schattenblick-Redaktion
für die Weihnachtsfeiertage und zum Jahreswechsel
gemütliche und besinnliche Stunden.

 



Waldfrieden

Auf des Baumes feuchter Rinde
hat sich Fäulnis eingefunden,
um mit Pilzen und Gesinde
seine Seele zu verwunden,
dessen Lebenskraft zu zehren
und statt Baumes grüner Pracht
eig'nen Wildwuchs zu ernähren
und zu schaden Tag und Nacht.

Gibt der Baum sein Letztes her
und verschenkt sich mit Substanz,
wüten die Schmarotzer mehr,
feiern ihren Siegestanz.

Doch die grüne Unschuld trügt,
hatten nicht der Bäume Schatten
auch die Wiesen umgepflügt,
sich zu nehmen, was die hatten?

Und zuvor die ander'n Pflanzen
haben sich auf lange Sicht
auch genommen von dem Ganzen
wie vom warmen Sonnenlicht.

Siehst du schöne Blumenfelder,
Kostbarkeiten der Natur,
Sümpfe, Wiesen oder Wälder,
findest du die Sieger nur
eines rigorosen Krieges
um den Platz im Sonnenlicht,
wassernah im Fall des Sieges,
die Verlierer siehst du nicht.

So, am Beispiel uns'rer Bäume,
schreibt sich die Exilgeschichte
in den Schlaf verbannter Träume
oder Phantasiegesichte
einer Wirklichkeit und Welt,
die das unscheinbarste Leben
gegen alles and're hält
und nicht nehmen kann, nur geben.

Dafür rauscht in Wipfelblättern
vielversprechend doch der Wind,
läßt es wachsen oder klettern,
daß es auch gedeiht, das Kind,
und erkennt erst ausgereift,
daß der Wind nicht mit ihm flüstert,
sondern durch die Äste pfeift,
wie im Ofen Feuer knistert.

Wenn wir lange genug warten,
eines Tages, hier und jetzt,
ist des Edens schöner Garten
umgepflügt und neu besetzt.

Und Bazillen oder Viren
geh'n mit ihrem Nachwuchs bald
voller Lebenslust spazieren
durch den Virenmärchenwald.

Helmut Barthel
© 2004 by MA-Verlag (*)




(*) Helmut Barthel: "Lyrik-Lesung 3", MA-Verlag 2015, Seite 55


15. Dezember 2020


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