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ZIVILRECHT/594: Rundum sorglos mit der Rechtsschutzversicherung? Ein zweiter Blick lohnt sich (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 18. März 2013

Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht

Rundum sorglos mit der Rechtsschutzversicherung?
Ein zweiter Blick lohnt sich



Berlin (DAV). Viele der von etwa zwei Dritteln aller Rechtsschutzversicherer angebotenen Serviceleistungen könnten sich bei näherer Betrachtung als gar nicht so vorteilhaft für den Versicherungsnehmer herausstellen. "Versicherer sind bestrebt, ihre Kosten so gering wie möglich zu halten, deshalb lohnt sich ein zweiter Blick", argumentiert Monika Maria Risch, Fachanwältin für Versicherungsrecht und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht nimmt Angebote wie telefonische Erstauskunft, Anwaltsnetzwerk und Mediation kritisch unter die Lupe.

Grundsätzlich verhält es sich mit der Rechtsschutzversicherung so: Bei Verkehrsunfällen oder Ärger mit dem Arbeitgeber oder Vermieter kann der Versicherungsnehmer darauf bauen, dass sein Rechtsschutzversicherer die Kosten für einen Anwalt seiner Wahl trägt. Bei diesem Anwalt kann sich der Versicherungsnehmer Rat und Unterstützung holen oder im Bedarfsfall seine Interessen auf dem Weg einer Klage durchsetzen.

Telefonische Erstberatung? Rechtsrat ohne Akteneinsicht ist schwierig

Viele Rechtsschutzversicherer sind jedoch dazu übergegangen, ihren Kunden zunächst eine telefonische Erstberatung bei einem Rechtsanwalt zu empfehlen, den sie vertraglich - auch was die Gebühren betrifft - an sich gebunden haben. "Einen Sachverhalt zu beurteilen, ohne Akteneinsicht nehmen zu können, ist höchst problematisch", urteilt Fachanwältin Monika Maria Risch. Ihr Kollege Joachim Cornelius- Winkler, ebenfalls Fachanwalt für Versicherungsrecht, erläutert: "Nach Angaben einer Rechtsschutzversicherung sollen in der telefonischen Erstberatung durch vom Versicherer vermittelte Rechtsanwälte 90 Prozent der Fälle abschließend erledigt werden." In der telefonischen Erstberatung sieht er den Versuch, die Anwaltskosten gering zu halten. Grundsätzlich sei es zu begrüßen, wenn die Kunden schnell und unkompliziert einen Rechtsrat erhalten. Cornelius Winkler weist in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass dies nur in sehr einfach gelagerten Fällen funktioniere und die Versicherungsnehmer auch weiterhin erwarten dürfen, dass die Erfolgsaussichten in ihrem konkreten Fall jeweils gründlich geprüft werden. Letzteres erfordere zumeist den klassischen Gang zum Anwalt seines Vertrauens.

Mediation: Nur mit anwaltlicher Begleitung

Neben der telefonischen Erstberatung bieten viele Rechtsschutzversicherer die Inanspruchnahme eines Mediationsverfahrens an. Mediationsverfahren sollen in Streitfällen zwischen zwei Parteien eine Lösung ohne Gerichtsverfahren herbeiführen. "Eine Mediation ist sicher dann sinnvoll, wenn dadurch jahrelange Gerichtsverfahren vermieden werden können", räumt Fachanwalt Cornelius-Winkler ein. Gleichzeitig rät er Versicherungsnehmern, sich auch in einem Mediationsverfahren anwaltlich begleiten zu lassen: "Nur ein Rechtsanwalt kann beurteilen, ob der Versicherungsnehmer im Rahmen einer Mediation nicht unwissentlich auf ihm zustehende Rechte verzichtet." Die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht empfiehlt Versicherungsnehmern, grundsätzlich erst die rechtliche Situation durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen, bevor einem Mediationsverfahren zugestimmt wird. Dabei weist die Arbeitsgemeinschaft darauf hin, dass auch im Vorfeld oder in der Begleitung eines Mediationsverfahrens der Rechtsschutzversicherer für die Kosten des Rechtsanwaltes aufkommen muss.

Netzwerkanwalt: Wirklich die bessere Wahl?

Zunehmend empfehlen Rechtsschutzversicherer ihren Kunden, im Streitfall einen Anwalt aus dem kooperierenden Anwaltsnetzwerk zu konsultieren. Der Fachanwalt für Versicherungsrecht Dr. Klaus Schneider legt dar, dass die an den Netzwerken beteiligten Anwälte als Gegenleistung für die Vermittlung von Mandaten zumeist eine Gebührenvereinbarung mit dem Rechtsschutzversicherer schließen, die Preisnachlässe in einer Größenordnung von zwanzig bis zu fünfzig Prozent gegenüber den für Beratung und Vertretungsstätigkeit sonst üblichen Sätzen vorsehen. "Die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht hat nichts gegen Anwaltsnetzwerke an sich, denn die Qualität der anwaltlichen Beratung und Vertretung lässt sich nicht allein anhand der Vergütung messen", kommentiert Monika Maria Risch. Es ist auch durchaus zulässig, mit dem Mandanten im Rahmen der Beratungstätigkeit das Honorar vorab individuell zu vereinbaren, solange es nur angemessen ist. Es gibt - beschränkt ausschließlich auf die Beratungstätigkeit, also wenn der Rechtanwalt nicht nach außen tätig werden soll - keine gesetzlich festgelegten Gebühren, die hier unterschritten werden können. Im Bereich der außergerichtlichen Vertretung sieht das Gesetz allerdings vor, dass die Anwälte, nicht aber die Rechtsschutzversicherung des Mandanten, die Höhe der Gebühr bestimmen. Ihnen steht ein Spielraum innerhalb der vorgegebenen Rahmengebühren offen. Die Arbeitsgemeinschaft ist aber der Auffassung, dass der Versicherungsnehmer keinerlei wirtschaftlichen Nachteil oder Vorteil haben darf, wenn er einen vom Rechtsschutzversicherer empfohlenen Rechtsanwalt aufsucht. Die von vielen Versicherern geübte Praxis, dem Versicherungsnehmer für die Inanspruchnahme eines Netzwerk-Anwaltes Vorteile bei der Selbstbeteiligung einzuräumen oder umgekehrt ihn zu bewegen, einen Anwalt innerhalb des Netzwerkes zu beauftragen, ist vom Oberlandesgericht Bamberg (Urteil vom 20. Juni 2012, AZ: 3 U 236/11) für unzulässig erklärt worden mit der Begründung, dass dadurch das gesetzlich garantierte Recht jedes Versicherungsnehmers auf freie Anwaltswahl eingeschränkt wird. "Die Arbeitsgemeinschaft begrüßt dieses Urteil", betont die Vorsitzende Monika Maria Risch und ergänzt: "Sollte der BGH das Urteil bekräftigen, steht das Ende des Bonus-Malus-Systems ins Haus".

Die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht rät: Jeder Versicherungsnehmer sollte bereits beim Abschluss einer Rechtsschutzversicherung darauf achten, keinen Vertrag abzuschließen, bei dem ihm Nachteile bei der Wahl seines Wunschanwaltes drohen. Er sollte im Schadenfall stets seinen Vertrauensanwalt mit der Interessenwahrnehmung beauftragen.

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Quelle:
Pressemitteilung VersR 01/13 vom 18. März 2013
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2013