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URHEBERRECHT/092: Darf das Foto einer Brücke immer veröffentlicht werden? (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 5 vom 17. März 2009

Darf das Foto einer Brücke immer veröffentlicht werden?

Von Mathias Bäumel


TU-Experten befragt:
Wann der Architekt eines Bauwerkes einer Foto-Publikation zustimmen muss, erfragte UJ bei Anne Lauber-Rönsberg, Mitarbeiterin im Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Medienrecht der TUD


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Brücken sind häufig weithin sichtbare Bauwerke im öffentlichen Raum. Dennoch kann es Probleme geben, wenn ein Fotograf Abbildungen von Brücken veröffentlichen möchte. In bestimmten Fällen kann die Urheberschaft des Architekten einer Fotoveröffentlichung entgegenstehen. So ist beispielsweise gegenwärtig ein bei Wikipedia eingestelltes Foto des berühmten Viadukts von Millau in Frankreich zur Löschung nominiert. Vorsorgliche Begründung: In Frankreich gebe es keine sogenannte Panorama-Freiheit.

Was dies bedeutet und weitere mit dem Thema verknüpfte Problemstellungen erfragte das UJ bei Anne Lauber-Rönsberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Medienrecht der TU Dresden.


UJ: Darf man Bauwerke oder Kunst im öffentlichen Raum fotografieren, wenn an ihnen noch ein Urheberrecht besteht? Dürfen diese Fotos im Internet oder in anderen Medien veröffentlicht werden?

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Das Urheberrecht, das bis 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers besteht, gibt dem Urheber das Recht, es zu untersagen, dass Dritte sein Werk fotografieren und die Fotografien weiter nutzen. In Bezug auf Bauwerke wie Gebäude oder Brücken sowie Kunstwerke wie Skulpturen gibt es jedoch im deutschen Urheberrechtsgesetz mit Paragraph 59 eine Ausnahme vom Urheberrecht, die sogenannte Panoramafreiheit. Danach ist es grundsätzlich zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Dahinter steht der Gedanke, dass Bau- und Kunstwerke das Gesicht eines Ortes prägen und durch ihren öffentlichen Standort in gewisser Weise zu Allgemeingut werden, das jeder ohne Lizenz des Urhebers und ohne Zahlung einer Lizenzgebühr abbilden und dann auch in Printpublikationen oder im Internet verwerten darf.

UJ: Sind hierbei irgendwelche Einschränkungen zu beachten?

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Wichtig ist, dass die Werke von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen frei sichtbar sind, auch wenn sich das Werk selbst auf Privatgrund befindet. Das Foto muss von einem solchen öffentlich zugänglichen Platz aus angefertigt worden sein; eine Aufnahme von einem öffentlich nicht zugänglichen Ort, z. B. von einem Balkon, ist dagegen nur mit Lizenz möglich. Außerdem erstreckt sich diese gesetzliche Erlaubnis bei Bauwerken nur auf die von der Straße aus sichtbare Fassade, nicht auf Innenhöfe und Treppenhäuser. Innenansichten dürfen daher nur fotografiert werden, wenn entweder eine Lizenz des Rechtsinhabers vorliegt oder das Foto rein privaten Zwecken dient und nicht z. B. im Internet veröffentlicht wird. In diesem Fall greift eine andere Schranke des Urheberrechts, die Erlaubnis zur rein privaten Vervielfältigung ein. Außerdem gestattet das Urheberrechtsgesetz nur zweidimensionale Vervielfältigungen z. B. durch Fotografieren oder Filmen. Für eine dreidimensionale Nachbildung z. B. einer Brücke in Form eines Modells muss dagegen eine Lizenz eingeholt werden, sofern sie nicht durch andere Regelungen des Urheberrechts erlaubt wird, z. B. durch die eben schon erwähnte Privatkopie oder die Befugnis zur Vervielfältigung durch wissenschaftliche Zwecke; beide gestatten allerdings keine Veröffentlichung des Modells. Und schließlich muss sich das Werk bleibend an einem öffentlichen Platz befinden. Auf einen kurzen Zeitraum angelegte Events wie z. B. der verhüllte Reichstag dürfen daher nicht ohne Lizenz abgebildet werden.

UJ: Dürfen ältere Bauwerke, an denen kein Urheberrecht mehr besteht, ohne weiteres fotografiert werden?

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Dies ist leider nicht so klar, wie es sein sollte. Hier hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Fotograf zumindest dann, wenn er das Foto von dem öffentlich zugänglichen Privatgrundstück aus macht, auf dem sich das fotografierte Objekt befindet, vom Eigentümer des Gebäudes eine Erlaubnis einholen muss. Diese Ansicht halte ich für falsch, sie wurde von dem BGH wohl auch in einem späteren Urteil korrigiert, das die Rechtslage allerdings auch nicht ganz endgültig klarstellt. Richtig wäre es meiner Ansicht nach, dass der Eigentümer eines nicht mehr geschützten Gebäudes kraft seines Hausrechts zwar verbieten kann, dass Fotos gemacht werden. Besteht ein solches Verbot aber nicht, so sind Fotos zulässig.

UJ: Wer jetzt - eventuell auch mit kommerzieller Wirkung - Fotos von urheberrechtlich geschützten Bauwerken auf die Cover von CDs, die Startseite seines Weblogs oder den Einband von Büchern platziert: In welchen Fällen handelt der rechtens?

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Solange sich der Fotograf im Rahmen der Panoramafreiheit bewegt, handelt er rechtens, auch wenn er keine Lizenz des Urhebers eingeholt hat. In diesen Fällen muss er auch dann kein Honorar an den Urheber zahlen, wenn das Foto zu kommerziellen Zwecken genutzt wird. Aus diesem Grund wird die Panoramafreiheit von einigen auch als ein zu großer Eingriff in die Rechte des Urhebers angesehen.

UJ: Wer hätte die Rechte am Bild und dürfte über dessen Verwendung entscheiden? Der Fotograf oder der Architekt?

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Auf alle Fälle hat der Fotograf ein Schutzrecht an dem Bild. Fremde Fotos dürfen daher grundsätzlich nur mit Zustimmung des Fotografen verwendet werden. Ob auch der Architekt des Bauwerkes ein Wörtchen mitzureden hat, hängt davon ab, ob sich das Foto im Rahmen der Panoramafreiheit hält - wenn ja, ist keine Lizenz des Architekten erforderlich.

UJ: Wie ist die rechtliche Situation einzuschätzen, wenn der Fotograf aus seinem auf der Brücke fahrenden Auto aus fotografiert, aber die Brücke nur per Maut befahren werden kann?

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Hier kommt es darauf an, ob die Brücke trotz der Maut für jedermann, der den festgelegten Betrag zahlt, frei zugänglich ist. Da dies wohl der Fall sein dürfte, spricht vieles dafür, auch diese Ausnahme als von der Panoramafreiheit gedeckt anzusehen. Dagegen ist irrelevant, ob die Brücke im Eigentum des Staates oder eines Unternehmens steht.

UJ: Ist die rechtliche Lage von Staat zu Staat verschieden?

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Ja, es gibt Staaten wie z. B. Frankreich, die diese Panoramafreiheit nicht anerkennen. Dort ist schon für das Foto eine Lizenz erforderlich.

UJ: Anders als bei den meisten Kunstwerken ist doch ein Bauwerk Produkt vieler "Urheber". Der Architekt hat die Form gestaltet, konstruiert wurde nach wissenschaftlichen Erkenntnissen - durchaus unter Nutzung von geschützten oder patentierten Verfahren oder Elementen. So könnte zum Beispiel bei einer Brücke für die Lager ein besonderes Material, dessen Zusammensetzung patentiert ist, zum Einsatz gekommen sein, ohne das der Architekt seine Formvorstellungen nicht hätte realisieren können. - Welchen Anteil an der Urheberschaft einer solchen Brücke haben andere neben dem Architekten?

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Es kann durchaus sein, dass eine Brücke verschiedene rechtlich geschützte Positionen in sich vereint. Diese unterscheiden sich jedoch in ihrer Schutzrichtung: Während das Urheberrecht des Architekten nur die Gestaltung der Brücke schützt, bezieht sich das Patent an dem Material nur auf die Verwendung des Materials, nicht aber auf die Ansicht der Brücke. Bei Fotografien, die nur die Ansicht abbilden, ist daher keine Lizenz des Patentinhabers des dazu verwendeten Materials erforderlich.

UJ: Der Betreiber einer mautpflichtigen Brücke müsste doch froh sein, wenn Bilder seiner großartigen Brücke überall veröffentlicht werden - sorgen die doch für höhere Nutzerzahlen.

ANNE LAUBER-RÖNSBERG: Diese Frage stellt sich in der Praxis durchaus, wie man ja daran sieht, dass Unternehmen im Rahmen von Sponsoring-Verträgen Geld dafür zahlen, dass ihr Logo oder ihre Produkte öffentlichkeitswirksam vermarktet werden. Natürlich kann es auch Fälle geben, in denen der Urheber sogar dafür zahlt, dass eine Abbildung seiner Brücke verwendet wird. Anders herum kann es natürlich auch nicht sein, dass ein Urheber für eine von ihm nicht initiierte, ihm "aufgedrängte" Werbung zahlen muss. Letztlich hängt dies also von der Verhandlungsstärke der Beteiligten ab, ob hierfür ein Honorar herausverhandelt werden kann.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 20. Jg., Nr. 5 vom 17.03.2009, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2009