Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

URHEBERRECHT/083: Lehre wird zur illegalen Datenverbreitung (Bremer Uni-Schlüssel)


Bremer Uni-Schlüssel - Nr. 101, Mai 2008
Die interne Zeitung der Universität Bremen

Mit einem Bein im Knast?
Lehre wird zur illegalen Verbreitung von Daten

Von Richard Verhoeven


Professorinnen und Professoren sollten sich schon mal im Gebrauch der Kreide üben: Das Tafelbild könnte wieder in Mode kommen. Denn Ende 2008 läuft das Privileg aus, das die freie und kostenlose Verbreitung von Daten für Bildung und Wissenschaft erlaubt.

Die Folgen sind den meisten Lehrenden nicht bewusst. Schnell hat man die neuesten Abbildungen und Zitate aus dem Reich der Wissenschaft in die Präsentation eingebaut. Das Lehrmaterial, bereitgestellt auf Stud.IP, enthält dann noch Aufsätze, Grafiken und Tabellen der wichtigsten Literatur. Kein Problem: Bildung und Wissenschaft haben einen Sonderstatus, wenn es um das Urheberrecht geht - noch.

Nach dem neuen Urheberrechtsgesetz vom 13. Dezember 2007 ist das Privileg nur noch bis Ende 2008 befristet. Dann braucht auch die Wissenschaft und Lehre für jede Nutzung eine Lizenz, erklärt Karl-Heinz Rüdiger. Professor für Informatik und engagiert im Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft. Schon das Speichern der im Internet gefundenen Dokumente für spätere Zwecke macht Lizenzgebühren fällig. Die Weitergabe der Daten wird illegal. Es sei denn, die Uni-Bibliothek sorgt vor und kauft gleich eine Campuslizenz. Die ist zwar teuer, aber ermöglicht ein halbwegs normales wissenschaftliches Arbeiten.


Ist die Uni kommerziell?

Auch heute schon ist der Status schwierig, denn die Nutzung der Dokumente darf nicht kommerziell sein. Eine Uni, so könnte man meinen, ist ja nicht kommerziell - oder doch? Zahlreiche Forschungsvorhaben arbeiten mit der Industrie zusammen, mit privaten Instituten, Krankenkassen, Banken etc. Promotions- und Diplomthemen werden gerne auch in Unternehmen bearbeitet. Hier wird der Austausch von Quellen schlichtweg illegal, erklärt Rödiger: "Das Gesetz behindert die freie Forschung, indem sie den Zugang zu Wissen verteuert und Kooperationen mit Unternehmen behindert."

Geschützt werden sollen mit dem neuen Urheberrecht die geistigen Schöpfer. Was für die Kunst ehrenhaft ist, muss für die Wissenschaft nicht sinnvoll sein, Denn ein Honorar bekommen die Autoren für ihren Aufsatz nicht. Auch Gutachter und Herausgeber von Zeitschriften arbeiten ehrenamtlich. Kommerziell arbeitet nur der Verlag. Und der kassiert auch die Lizenzgebühren.

Subito, der Dokumentlieferdienst, dem auch die Uni-Bibliothek angeschlossen ist, versendet im Jahr 1.5 Millionen Dokumente, um den Wissensdurst deutscher Forscherinnen und Forscher zu stillen. Allein 2006 bediente die Bremer Uni-Bibliothek 20.366 Bestellungen, erzählt Maria Elisabeth Müller, Direktorin der Uni-Bibliothek. Hierfür werden nun zusätzliche Lizenzgebühren fällig.


1.000 Euro pro Doktorarbeit?

Auch über die Online-Fernleihe können Artikel nicht mehr elektronisch verschickt werden, sobald der Verlag die Dokumente selber zum Download bereit hält. Dann aber kann er für seinen Artikel auch den Preis frei bestimmen. Wer sich einen Überblick über sein aktuelles Forschungsthema verschaffen will, kann für jeden Aufsatz, den er in seiner Bibliothek nicht bekommt, 30 bis 35 Euro rechnen. Für eine Doktorarbeit kommen da schnell 1.000 Euro zusammen, rechnet Müller vor.

Der Wissenschaftsbetrieb verstärkt die Abhängigkeit von den Verlagen. Denn wer wissenschaftlichen Ruhm erlangen will, muss in den richtigen Zeitschriften publizieren. Sonst hat man bei der Berufung keine Chance. Andersherum: Wer diese Aufsätze nicht zitiert, hat sein Thema nicht hinreichend bearbeitet. Bibliothekare sprechen schon vom Elsevier-Trauma: Die Verlage können verlangen, was sie wollen. Für die 2.500 Zeitschriften, die die SuUB bei Elsevier abonniert hat, zahlt sie schon heute eine Million Euro im Jahr.


Open-Access-Plattformen

Zum Glück gibt es hier ein Umdenken. Immer mehr Wissenschaftler weigern sich, den Verlagen das alleinige Recht am Werk zu überlassen. Sie stellen Ihre Publikationen zusätzlich in Open-Accesa-Plattformen, um ihre Arbeit im Internet frei zugänglich zu machen. Denn auch hier gibt es Zeitschriften, deren Artikel einem Gutachterverfahren unterliegen, weiß Rödiger. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DEG fördert dieses Ansinnen und der wissenschaftliche Stellenwert dieser Publikationen steigt. Das schafft auch Druck auf die Verlage.

Weitere Informationen zu diesem Thema:
www.open-access.net
www.urheberrechtsbuendnis.de


*


Quelle:
Bremer Uni-Schlüssel Nr. 101, Mai 2008, S. 2
Herausgegeben im Auftrag des Rektors von der
Pressestelle der Universität Bremen
Bibliothekstraße, VWG
Postfach 33 04 40, 28334 Bremen
Tel.: 0421/218-60 150
E-Mail: eschol@presse.uni-bremen.de
Internet: www.uni-bremen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2008