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MELDUNG/452: 71. Deutscher Juristentag in Essen - Lob und Kritik für mehr Öffentlichkeit in Gerichtssälen (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 14. September 2016
Pressemitteilungen anlässlich der Pressekonferenz auf dem 71. Deutschen Juristentag in Essen

DAV: Lob und Kritik für mehr Öffentlichkeit in Gerichtssälen


Essen/Berlin (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) blickt mit Zustimmung und Skepsis auf den Gesetzentwurf zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren. Positiv bewertet der DAV, dass die Gerichtssäle mit der Initiative des Bundesjustizministeriums behutsam für die Medienöffentlichkeit geöffnet werden. Zugleich bestehen Zweifel, ob der Gesetzentwurf die Belange der Verfahrensbeteiligten ausreichend schützt.

"Es ist vernünftig, öffentlichkeitsrelevante Verhandlungen in einen ausschließlich für Medienvertreter zugänglichen Nebensaal des Gerichts per Ton zu übertragen", sagt DAV-Präsident, Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg. Damit könne das Problem von räumlichen Engpässen in den Gerichtssälen, wie etwa im Fall des NSU-Prozesses in München, rechtssicher umgangen werden. "Es muss jedoch absolut sichergestellt sein, dass Unbefugte, wie etwa Zeugen, keinen Zutritt zu einem solchen Medienraum haben", so Schellenberg. An dieser Stelle sei der Gesetzentwurf unzureichend. Es könne jedenfalls nicht dem Richter oder der Richterin zugemutet werden, neben der Verfahrensleitung und der Beweisaufnahme auch noch den Medienarbeitsraum im Blick zu haben.

Persönlichkeitsrechte der Beteiligten müssen geschützt werden

Mit Blick auf die geplanten Fernsehaufnahmen von Urteilsverkündungen der obersten Gerichtshöfe des Bundes sagt Schellenberg: "Insbesondere in Strafsachen ist es besonders wichtig, das Persönlichkeitsrecht der Beteiligten zu schützen." Der Moment, in welchem die Betroffenen erfahren, ob und wie ein jahrelang andauerndes Verfahren zu Ende geht, dürfe nicht in Ton und Bild eingefangen werden.

Der DAV schlägt daher vor mithilfe von Auflagen sicherzustellen, dass allein das Gericht bei der Urteilsverkündung im Bild ist und nicht die Reaktionen der Betroffenen eingefangen werden. Ebenso muss es dem Vorsitzenden möglich sein, die Medienöffentlichkeit auszuschließen, wenn er im Rahmen der Urteilsverkündung auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils (bei welchem das Fernsehverbot nach wie vor gilt) näher eingeht.

Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz zur Reform des § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), greift Vorschläge der von der Bundesjustizministerkonferenz eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf. Neben der Einrichtung eines Medienarbeitsraumes bei Gericht und der Aufnahme von Urteilsverkündungen an weiteren obersten Gerichten des Bundes, soll es auch möglich sein, bei Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung die Hauptverhandlung für wissenschaftliche oder historische Zwecke aufzuzeichnen. Letzteres begrüßt der DAV ausdrücklich.

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Quelle:
Pressemitteilung DJT 1/16 vom 14. September 2016
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2016

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