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MELDUNG/076: 68. Deutscher Juristentag - Ende des Lotteriespiels gefordert (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 22. September 2010

Pressekonferenz anlässlich des 68. Deutschen Juristentages

§ 522 ZPO - DAV fordert Ende des Lotteriespiels


Berlin (DAV). Mit der Reform der Zivilprozessordnung im Jahre 2001 wurde der § 522 Abs. 2 ZPO eingeführt. Seitdem kann das Berufungsgericht eine Berufung durch Beschluss zurückweisen, was aus Sicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) eine nicht hinnehmbare Rechtswegverkürzung darstellt. Der DAV begrüßt daher die Ankündigung der Bundesmi-

nisterin der Justiz, § 522 ZPO ändern zu wollen. Mit Ungeduld erwartet er den bereits für den Sommer 2010 angekündigten Referentenentwurf. Zwar ist nicht mit der Abschaffung der Vorschrift zu rechnen, immerhin soll das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde eingeführt werden.

"Für den Bürger ist der Zugang zum Recht durch diese Vorschrift verkürzt. Durch die unterschiedliche Praxis an den Land- und Oberlandesgerichten ist die Frage, auf welche Weise ein erstinstanzliches Urteil überprüft wird, aus Sicht des Bürgers zum Lotteriespiel geworden", so Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident, anlässlich des 68. Deutschen Juristentages in Berlin. Diesem Lotteriespiel würde die vom Bundesjustizministerium angekündigte Änderung immerhin ein Ende bereiten. Die Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde werde deshalb vom DAV als Schritt in die richtige Richtung begrüßt.

Während in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern die Quote der Zurückweisungen bei über 50 Prozent liege, beträgt sie in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg lediglich etwas über 20 Prozent, wie eine Umfrage des Bundesjustizministeriums aus dem Jahre 2006 ergeben hat. "Dies können wir unseren Mandantinnen und Mandanten nicht erklären", so Ewer weiter. Das sei für den Rechtsstaat und sein Ansehen im Allgemeinen sowie die Akzeptanz der Justiz und ihrer gerichtlichen Entscheidungen im Besonderen schädlich.

Das BMJ beabsichtigt, das für die Praxis außerordentlich relevante Problem dadurch zu lösen, dass für Zurückweisungsbeschlüsse nach § 522 Abs. 2 ZPO die Nichtzulassungsbeschwerde eingeführt wird. Dieses Rechtsmittel könnte zukünftig bei Streitwerten über 20.000 Euro eingelegt werden. Voraussichtlich wird der Entwurf im November 2010 dem Bundeskabinett vorgelegt.

Der DAV hat sich von Anfang an gegen die Einführung dieser Vorschrift gewehrt und seine Abschaffung gefordert. Seit der Reform der Zivilprozessordnung im Jahre 2001 muss das Berufungsgericht eine Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Entscheidung des Gerichts nicht erforderlich ist, weil die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und auch die einheitliche Rechtsprechung eine Entscheidung nicht erfordert. Ziel des Gesetzgebers war eine Beschleunigung des Verfahrens in Fällen (offensichtlich) "unbegründeter" Berufungen.

"Dies kann aus Sicht der Praxis nicht bestätigt werden", betont Ewer weiter. Verfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO führten gegenüber den Verfahren, in denen mündlich verhandelt werde, nicht zur Beschleunigung. Das hänge damit zusammen, dass bei Verfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO die Akte zunächst beim Berichterstatter liege. Da es keinen Verhandlungstermin gebe, der zur Bearbeitung drängt, komme es in diesen Verfahren im Gegenteil häufig zu einer Verzögerung der Verfahren.

Die Praxis zeigt zudem, dass auch bei sehr schwierigen Rechtsstreitigkeiten mit sehr hohen Streitwerten nach § 522 Abs. 2 ZPO, also durch Beschluss, entschieden wird. "Der Bürger, für den das Verfahren in diesen Fällen von existenzieller Bedeutung sein kann, fühlt sich dann vom Rechtsstaat nicht ernstgenommen", so Ewer weiter. Die Erfolgsquote von Nichtzulassungsbeschwerden habe im Jahr 2006 beim Bundesgerichtshof immerhin bei 20 Prozent gelegen. Ewer hierzu: "Jede fünfte Entscheidung wurde damit abgeändert!"


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Quelle:
Pressemitteilung DJT 1/10 vom 22. September 2010
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2010