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MELDUNG/031: Datensammlungen auf Vorrat gefährden das demokratische Gemeinwesen (Grundrechtekomitee)


Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Pressemitteilung vom Dienstag, 20. April 2010

Datensammlungen auf Vorrat gefährden das demokratische Gemeinwesen


Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2010 das bundesdeutsche Gesetz zur Speicherung aller Kommunikationsverbindungen für grundgesetzwidrig erkannt. Nun muss die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung aufgehoben werden. In einem Offenen Brief wendet sich das Komitee für Grundrechte und Demokratie gemeinsam mit 47 weiteren Organisationen an die Bundesministerin der Justiz und fordert sie auf, sich sowohl in der Bundesrepublik als auch auf EU-Ebene gegen jede Speicherung von Telekommunikationsdaten einzusetzen.[1]

[1] http://www.grundrechtekomitee.de/sites/default/files/brief_vorratsdatenspeicherung_2010-04-19_anonymis.pdf

Solche Speicherungen von Kommunikationsverbindungen ermöglichen es, soziale Kontakte der Bürger und Bürgerinnen auszuforschen. Sie gefährden damit das Grundrecht auf Meinungsfreiheit wie auch das demokratische Gemeinwesen.

Im Volkszählungsurteil (1 BvR 209/83) stellte das Bundesverfassungsgericht 1983 das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung noch direkt in den Kontext des Rechts auf freie Meinung und auf das Recht zur politischen Betätigung ohne Angst vor Nachteilen. Es machte somit den unmittelbaren Zusammenhang mit den Grundbedingungen einer Demokratie deutlich. "Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Artikel 8, 9 GG) verzichten."

Demokratie braucht den Widerspruch, der aus der Sorge um die lebendige Demokratie, um die Grund- und Menschenrechte entsteht. Überwachung soll genau das verhindern. Wenn kritisches Denken, Reden und Schreiben die Lebensperspektiven beeinträchtigen können, wenn die Kommunikation mit jemandem, der oder die dies tut, verdächtig macht, dann wird diese Kommunikation unterlassen. Wer Angst haben muss aufzufallen, wird die Schere im eigenen Kopf schärfen und sich so angepasst wie möglich verhalten.

gez. Dr. Elke Steven
Komitee für Grundrechte und Demokratie


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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. April 2010
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Aquinostr. 7-11, 50670 Köln
Telefon: 0221/9726920
E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
Internet: www.grundrechtekomitee.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2010