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INTERNATIONAL/144: Indonesien - Todesstrafe für Drogenschmuggler, Präsident Widodo unbeugsam (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. März 2015

Indonesien: Keine Gnade für Drogenschmuggler - Präsident zeigt sich in Sachen Todesstrafe unbeugsam

von Sandra Siagian



Bild: © Sandra Siagian/IPS

Der indonesische Präsident Joko Widodo auf einer Wahlveranstaltung am 9. Juli 2014
Bild: © Sandra Siagian/IPS

Jakarta, 26. März (IPS) - Als der indonesische Justiz- und Menschenrechtsminister Yasonna Laoly im Dezember letzten Jahres eines der Landesgefängnisse besuchte, machte er Bekanntschaft mit einem Nigerianer, der wegen Drogenschmuggels in der Todeszelle sitzt. Der Gefangene, ein begnadeter Sänger, brachte dem Minister ein Ständchen und überreichte ihm ein selbstgemaltes Bild. Der Mann habe eine wundervolle Stimme, sagte Laoly, dem auch das überreichte Gemälde sehr gut gefiel.

Vor einem Monat, bei einem der wöchentlichen Treffen mit Vertretern der christlichen Kirchen im Ministerium, wandte sich eine Pastorin an Laoly mit der Bitte, sich für die Begnadigungen mehrerer Todeskandidaten einzusetzen. Auf ihrer Liste stand auch der Name des Nigerianers, den der Minister im letzten Jahr persönlich kennengelernt hatte. Der Mann sei zum Christentum übergetreten und inzwischen ein guter Mensch, versicherte seine Fürsprecherin.

"Sie bat mich zu helfen. Ich versicherte ihr, dass mich der Fall seelisch belaste und ich mich mit ihm befassen werde", erläuterte der Minister gegenüber IPS. "Ich sprach daraufhin mit dem Generalstaatsanwalt [H. M. Prasetyo], der bei dem Gefängnisbesuch dabei gewesen war. Doch er sagte nur: 'So lautet das Gesetz. Und wir haben uns an die Regeln zu halten.'"

Die Regierung des 250 Millionen Einwohner zählenden Inselarchipels setzt im Kampf gegen den Drogenhandel und -schmuggel auf eine Politik der Null-Toleranz. Am 18. Januar ließ sie sechs Todeskandidaten von einem Erschießungskommando hinrichten. Es waren die ersten Exekutionen seit Amtsantritt von Präsident Joko 'Jokowi' Widodo im vergangenen Oktober.

Weiteren zehn Personen, die im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurden - Bürger Australiens, Brasiliens, Frankreichs, der Philippinen, Ghanas, Nigerias und Indonesiens - steht nach ihrer Verlegung ins Inselgefängnis Nusakambangan nun das gleiche Schicksal bevor.


Keine Hinrichtungen im letzten Jahr

Vor Widodos Wahlsieg im letzten Jahr war die Zahl der Hinrichtungen rückläufig gewesen. Nach einer Vollstreckungspause von fünf Jahren wurden 2013 vier Menschen exekutiert. 2014 wurde in dem südostasiatischen Land niemand mit dem Tode bestraft.

Derzeit sitzen 138 Personen - ein Drittel von ihnen Ausländer - wegen Drogendelikten in der Todeszelle. Die Regierung begründet ihre Politik der harten Hand mit dem Anstieg der Drogenkriminalität im Lande. Demnach verlaufen 45 Prozent aller Drogentransporte in Südostasien durch Indonesien.

Troels Vester, Leiter der Indonesien-Sektion des UN-Büros für Drogenkontrolle und Verbrechensbekämpfung, beziffert die Zahl der Drogenkonsumenten in Indonesien derzeit mit 5,6 Millionen. Er beruft sich dabei auf Informationen der Nationalen Behörde für Rauschmittel (BNN). Von offizieller Seite ist ferner zu hören, dass der Drogenmissbrauch jeden Tag 40 Indonesiern das Leben kostet.

Regierungsvertreter weisen ferner darauf hin, dass der Drogenmissbrauch den Gesundheitsetat des Landes erheblich strapaziere. So müsse der Staat auf einen zunehmenden Bedarf an Beratungen, Tests und Behandlungen der Süchtigen und HIV-Infizierten reagieren, die sich über Spritzen angesteckt hätten.

Die Vereinten Nationen haben indes Indonesien aufgefordert, sich an international geltendes Recht zu halten und die Vollstreckung der Todesstrafe auszusetzen. Diese habe sich ohnehin als wirkungslos im Kampf gegen den Drogenhandel herausgestellt, heißt es.

Anfang des Monats erinnerten 40 Menschenrechtsgruppen aus aller Welt den indonesischen Präsidenten daran, dass "Hinrichtungen gegen Artikel 28 (a) der indonesischen Verfassung verstoßen, die jedem das Recht auf Leben einräumt". Weiter hieß es in dem Schreiben, dass die Todesstrafe zudem einen Bruch internationaler Verpflichtungen bedeutete. So verstoße Indonesien mit der Vollstreckung gegen Artikel 6 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), der allen Menschen ein unveräußerliches Recht auf Leben garantiere.

Doch bisher gibt sich der Präsident kompromisslos. Und auch Gnadengesuche aus dem In- und Ausland werden von ihm abgewiesen. Bei fünf der sechs im Januar hingerichteten Personen hatte es sich um Ausländer gehandelt. Für die Rettung des Niederländers Ang Kiem Soe hatte sich sogar der niederländische König Willem-Alexander persönlich eingesetzt.

Brasilien und die Niederlande beriefen nach der Hinrichtung ihrer Bürger die Botschafter aus Jakarta ab. Australien bemüht sich weiterhin um die Freilassung von zwei zum Tode verurteilten Staatsangehörigen. Der Vorschlag der australischen Außenministerin Julie Bishop für einen Gefangenenaustausch wurde jedoch abgelehnt. Auf alle Begnadigungsgesuche gibt Widodo stets die gleiche Antwort: Es werde keinen Kompromiss in der Frage geben.


Vorwurf der Zahlenmanipulation

Menschenrechtsorganisationen wie 'Amnesty International' werfen dem indonesischen Präsidenten "Rückständigkeit" im Zusammenhang mit der Todesstrafe vor. Außerdem beschuldigen sie ihn, seine Entscheidungen mit manipulierten Zahlen zu untermauern.

"Er behauptet, dass jeden Tag 40 bis 50 Menschen an Drogen sterben. Doch woher nimmt er diese Zahlen?", fragt auch Haris Azhar, Koordinator der Kommission für vermisste Personen und Gewaltopfer (Kontras). Von Krankenhäusern, Ärzten und dem Gesundheitsminsterium seien keine Zahlen zu erwarteten. Es gebe nur die BNN-Daten, deren Glaubwürdigkeit nicht überprüft werden könnte.

Hendardi, Leiter des Setara-Instituts, wirft dem Präsidenten vor, mit seiner kompromisslosen Haltung bezüglich der Todesstrafe an der Verbesserung seines Images zu arbeiten, nachdem ihm Schwäche bei der Umsetzung der Gesetze vorgeworfen worden sei.

Bisher gibt es keine landesweite Untersuchung zur Akzeptanz der Todesstrafe im Lande. Wohl aber ergaben Umfragen der Medien, dass 75 Prozent der Bevölkerung hinter der Todesstrafe im Zusammenhang mit Terroranschlägen, Korruption und Drogendelikten stehen.

In Indonesien werden die Hinrichtungen von Erschießungskommandos aus jeweils zwölf Personen ausgeführt. Geschossen wird aus fünf bis zehn Metern Entfernung. Die Häftlinge dürfen entscheiden, ob sie sitzend oder stehend erschossen werden. Auch können sie zwischen einer Augenbinde und einer Haube wählen. Die Betroffenen werden meist 72 Stunden vor der Hinrichtung über die Vollstreckung der Todesstrafe informiert.

Auch wenn der Justiz- und Menschenrechtsminister der Meinung ist, dass die Todesstrafe wenig gegen die Drogenkriminalität ausrichtet, hält er ein entschlossenes Durchgreifen für einen ersten Schritt, um Millionen Menschen vor der Drogenabhängigkeit zu bewahren.

Das UNODC schätzt die Zahl indonesischer Heroinabhängiger auf 100.000, die der Chrystal-Meth-Konsumenten auf 1,2 Millionen. Nach Ansicht des Menschenrechtsaktivisten Azhar lässt sich das Drogenproblem jedoch nicht "wegexekutieren".

Amnesty International hat darauf hingewiesen, dass 140 Länder die Todesstrafe abgeschafft haben. Indonesien habe nun die Chance, das 141. Land zu werden, so die Organisation. Doch bisher ist ein diesbezügliches Interesse des Präsidenten nicht zu erkennen. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/03/indonesian-president-unyielding-on-death-penalty/

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IPS-Tagesdienst vom 26. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2015

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