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INTERNATIONAL/107: Papua-Neuguinea - Wiedereinführung der Todesstrafe als Antwort auf 'Hexenmorde' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Juni 2013

Papua-Neuguinea: Wiedereinführung der Todesstrafe als Antwort auf 'Hexenmorde'

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Dorfbewohner in der Provinz Simbu in Papua-Neuguinea
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Sydney, 18. Juni (IPS) - Nach internationalen Protesten gegen die Serie brutaler Morde an Menschen, die der Hexerei bezichtigt wurden, hat die Regierung des südwestpazifischen Inselstaates mit der Abschaffung eines viel kritisierten Hexereigesetzes von 1971 und der Wiedereinführung der Todesstrafe reagiert. Doch Menschenrechtsaktivisten zufolge bedarf es gerade in den ländlichen Gebieten, wo sich die Fälle konzentrieren, einer Vielzahl von Maßnahmen, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Monica Paulus, Menschenrechtsaktivistin in der Hochlandprovinz Simbu, begrüßt die Abschaffung des Hexereigesetzes. Sie weiß, was es bedeutet, wegen 'sanguma' verteufelt zu werden, ein indigenes Wort für Zauberei oder schwarze Magie. Jetzt versucht sie denjenigen zu helfen, die Zielscheibe von Verbrennungen und anderen brutalen Übergriffen werden.

Paulus weiß allein im 58.000 Einwohner zählenden Bezirk Kundiawa von fünf Verbrechen, die in den letzten fünf Monaten im Zusammenhang mit Sanguma-Vorwürfen begangen wurden. Die Gesetzesreform allein werde daran nichts ändern, sagt sie und erklärt, dass der kulturelle Druck auf die Gemeinschaften, die Übergriffe totzuschweigen, bestehen bleiben werde. "Es bedarf vielmehr rascher und entschiedener Polizeieinsätze, die zeigen, dass die Straffreiheit für die Täter zu Ende ist."


Zeugenschutz gefordert

Ohne Zeugen und deren Schutz werde es keine Gerechtigkeit geben, sagt sie weiter. Vor allen in den ländlichen Gebieten, in denen 80 Prozent der sieben Millionen Einwohner zählenden Bevölkerung leben, ist der Glaube an Geister weit verbreitet. Der Tod vor allem junger Menschen wird auf böse Kräfte zurückgeführt. Und die Beschuldigten sind meist die schwächsten Glieder der Gesellschaft und den Tätern, meist jungen Männern ohne Perspektive, schutzlos ausgeliefert.

2009 veranlassten Berichte über den Anstieg der Sanguma-Gewalt - allein in der Provinz Simbu sollen bis zu 200 solcher Morde begangen worden sein - die Regierung zur Einrichtung einer Kommission für Verfassungs- und Rechtsreform, die sich mit dem Hexereigesetz aus der Zeit vor der Unabhängigkeit auseinandersetzen sollte. An die Empfehlung der Kommission, das Gesetz abzuschaffen, hat sich das Parlament gehalten. Zeitgleich wurde Ende Mai die Todesstrafe für Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und Raubüberfälle wiedereingeführt. Diese Entscheidung ist ebenfalls international auf Kritik gestoßen.

Arnold Kukari vom Nationalen Forschungsinstitut mit Sitz in Port Moresby, der Hauptstadt von Papua-Neuguinea, bezeichnete die Abschaffung des Hexereigesetzes als einen ersten wichtigen Schritt, um die im Zusammenhang mit 'Hexerei' begangenen Verbrechen wirksam zu bekämpfen. Doch gebe es noch weit mehr zu tun, um diese Form der Lynchjustiz zu beenden. "Es muss vor allem dafür gesorgt werden, dass die Polizei gegen diese Verbrechen vorgeht", fordert er.

Die Verbrennung der 20jährigen Kepari Leniata in der Stadt Mt. Hagen im Februar, die man für den Tod eines Kindes verantwortlich gemacht hatte, löste weltweit Entsetzen aus. Zwei Personen wurden inzwischen unter Anklage gestellt.

Im März wurden sechs Frauen und ein Mann in der Provinz Southern Highlands der Zauberei bezichtigt und aufs Schwerste gefoltert. Im Monat darauf kam es zur Entführung von zwei Frauen, von denen eine in der Ortschaft Lopele im Süden von Bougainville öffentlich geköpft wurde.

Die Untätigkeit der Polizei wird unter anderem auf die Unterfinanzierung der Sicherheitskräfte und Korruption zurückgeführt. So gibt es Berichte, wonach bedrohte Personen aufgefordert wurden, für die Spritkosten der Polizeifahrzeuge aufzukommen beziehungsweise für Untersuchungen und Festnahmen zu zahlen.

Seitdem die lokalen Medien in diesem Monat eine Aufklärungskampagne gestartet haben, zeigt die Regierung Bereitschaft, das Polizeiaufgebot aufzustocken und die Sicherheitskräfte in Kursen auf den Umgang mit diesen Verbrechen vorzubereiten.

Damit die Täter vor Gericht gestellt werden können, ist es nach Ansicht lokaler Aktivisten notwendig, das Vertrauen der Bürger in die Justiz wiederherzustellen. Auch gelte es potenzielle Zeugen zu schützen, die ansonsten Gefahr liefen, selbst als Zauberer und Hexen gejagt zu werden. Die Weigerung vieler Menschen, die Verbrechen anzuzeigen, wird auch auf den verbreiteten Glauben zurückgeführt, dass die Vernichtung des 'Bösen' dem Schutz der ganzen Gemeinschaft dient.


Diskriminierung der Frau

Die Verbrechen werden auch auf die Geschlechterungleichheit im Land zurückgeführt. So hat Amnesty International darauf hingewiesen, dass das Risiko für Frauen, der Hexerei bezichtigt zu werden, sechs mal größer ist als für Männer. "Die tief verwurzelte Ansicht, dass Männer für die Gesellschaft wichtiger sind als Frauen, macht es für Frauen schwer, sich zu verteidigen oder zur Wehr zu setzen."

"Sanguma ist in unserem Land ein gefährliches Wort", sagt Josephine, die seit mehr als zehn Jahren als Hexe verschrien ist. "Du wirst es für den Rest deines Lebens nicht mehr los." Kukari zufolge sorgt Gewalt im Zusammenhang mit dem Hexereivorwurf dafür, dass Frauen in ständiger Angst und Isolation leben und jeder Aussicht, sich aktiv um eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse zu bemühen, beraubt werden.

Andere Experten sehen einen Zusammenhang der Verbrechen mit der wachsenden wirtschaftlich-sozialen Ungleichheit in einem Land, dass aller Voraussicht nach kein einziges UN-Millenniumsentwicklungsziel (MDG) erreichen wird.

Die MDGs, die im Anschluss an den New Yorker UN-Millenniumsgipfel im Jahr 2000 formuliert wurden, sehen bis 2015 die Halbierung von Armut und Hunger vor, Grundschulbildung für alle, die Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frau, die Senkung der Kindersterblichkeit und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Müttern. Darüber hinaus zielen sie auf die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie HIV/Aids und Malaria, die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und den Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und Südens.

Eine 2010 von der Hilfsorganisation Oxfam veröffentlichte Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass die Gewalt im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Hexerei auch auf "hohe Erwartungen zurückzuführen ist, die in Frust und Ängsten münden, da sich viele Menschen von den Entwicklungserfolgen ausgeschlossen sehen".

Der Bericht weist ferner darauf in, dass die Hexereivorwürfe häufig aus Neid und Rache erhoben werden. Das Leben im Hochland ist schwer und arm an wirtschaftlichen Möglichkeiten und Dienstleistungen. In Simbu, wo 48 Prozent der Männer und 34 Prozent der Frauen Analphabeten sind, gibt es gerade einmal 31 Gesundheitszentren für 260.000 Menschen.


Integrale Maßnahmen erforderlich

Ein Patentrezept zur Überwindung von Aberglauben und niedriger menschlicher Entwicklung ist nicht vorhanden. Rechtliche Reformen und eine strafrechtliche Verfolgung solcher Verbrechen gelten jedoch als erster Ansatz, dem jedoch multisektorale Anstrengungen folgen müssen, damit sich ein kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Wandel erzielen lässt.

"Alle Bürger des Landes müssen sich des Problems annehmen", meint Kukari. Auch den Behörden und den Kirchen käme dabei eine wichtige Rolle zu.

Doch Josephine ist der Meinung, dass es vor allem wichtig ist, dass die Menschen die Angst verlieren, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. "Sie müssen offen darüber reden. Dann kann es auch Lösungen geben." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ipsnews.net/2012/04/sorcery-related-violence-on-the-rise-in-papua-new-guinea/
http://www.ipsnews.net/2013/06/no-quick-fixes-to-sorcery-related-violence/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2013