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FORSCHUNG/811: Beschwerdemanagement - Entschuldigen Sie bitte vielmals! (AGORA - Uni Eichstätt-Ingolstadt)


AGORA - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt,
Ausgabe 1 - 2015

Entschuldigen Sie bitte vielmals!

Von Holger Roschk


"'Sorry' seems to be the hardest word", heißt es in einem Lied von Elton John. Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Firmen fällt es manchmal schwer, sich angemessen für Fehler zu entschuldigen. Entscheidend ist dabei die Form, in der sie mit den Kunden kommunizieren.


Chris Brogan, Journalist und Berater, schildert auf seiner Homepage (www.chrisbrogan.com /the-power-of-apology), eine alltägliche Anekdote: "Was für ein Montag! Ich habe versehentlich über 17.000 Personen eine E-Mail geschickt, die eigentlich nur für 200 ausgewählte Empfänger gedacht war. Oh, ich wäre am liebsten im Boden versunken. Was sollte ich tun? Ich habe mir ein Herz gefasst und noch eine zweite E-Mail hinterhergeschickt in der ich um Verzeihung bat und schrieb, dass mir die letzte E-Mail Leid tut. Ich erhielt jede Menge Antworten aber keine einzige negative; zwei Beispiele: 'Alles verziehen. Gut zu sehen, dass auch die Profis die gleichen Fehler machen wie wir :)' oder 'DU kannst mir jederzeit Spam schicken! NUR DU! Hoffe alles ist in Ordnung und einen schönen Montag!'"

Es finden sich viele Geschichten wie diese, die davon erzählen, dass kleine und große Fehler vergessen werden, weil man um Verzeihung bittet. Eine Entschuldigung scheint also eine wichtige Reaktion zu sein, um Problemsituationen mit Kunden, die von einem Servicefehler betroffen sind, zu bewältigen. Aus wissenschaftlicher Sicht haben zahlreiche Studien im Bereich des Beschwerdemanagements untersucht ob ein nicht-materielles Ersuchen um Vergebung - eine Entschuldigung - einen Fehler wiedergutmachen kann. Viele Analysen wiesen dabei nach, dass Probanden nach einem Fehler im Durchschnitt zufriedener sind, wenn sie eine Entschuldigung erhalten haben als im Vergleich zu jenen Probanden, denen keine Entschuldigung offeriert wurde. Neben diesen positiven Befunden existieren interessanterweise aber auch empirische Belege dafür, dass um Verzeihung bitten gerade nicht hilft, einen Fehler zu bereinigen.

Ein Problem der bisherigen Studien besteht jedoch darin, dass stets untersucht wurde, ob man sich entschuldigt, jedoch nicht wie. Das Wie zeigt sich in einer Leserantwort zu dem Eingangsbeispiel. Mit den Worten "...dass Menschen eine Entschuldigung wertschätzen, wenn sie von Herzen kommt und aufrichtig ist" hebt der Leserbeitrag explizit hervor, dass eine Entschuldigung redlich sein muss. Insgesamt war es für meine Ko-Autorin Susanne Kaiser und mich überraschend, dass im Beschwerdemanagement bislang noch nicht untersucht wurde, wie Unternehmen für einen Fehler um Verzeihung bitten sollten. Denn als generelle Strategie zur Konfliktlösung steht die Entschuldigung nicht nur in der Marketingliteratur im Interesse der Forschung sondern auch in der sozialpsychologischen Literatur. Die sozialpsychologischen Befunde bestätigen dabei nicht nur, dass sich zu entschuldigen hilft, Konflikte zu überwinden. Sondern sie geben auch Hinweise darauf, dass es einen Unterschied macht, wie man um Verzeihung bittet. Das kann sogar so weit gehen, dass eine sorglose und schlampige Entschuldigung die Konfliktsituation weiter verschärft. Daraus ergaben sich für unser hier vorgestelltes Forschungsprojekt drei Forschungsfragen.

Ist bei einem Dienstleistungsfehler die reine Existenz einer Entschuldigung - unabhängig davon wie sie gegeben wird - bereits zufriedenheitsstiftend? In anderen Worten geht es also darum, zu untersuchen, ob eine schlechte Entschuldigung besser ist als gar keine Entschuldigung. Würden wir herausfinden, dass die Studienteilnehmer/innen mit einer schlechten Entschuldigung genauso zufrieden sind wie mit keiner Reaktion, würde dies beweisen, dass es nicht darum geht ob sondern wie man um Verzeihung bittet.

Wirken einzelne Komponenten einer Entschuldigung unabhängig voneinander positiv auf die Zufriedenheit? Aus der sozialpsychologischen Literatur heraus können wir folgende Facetten einer Entschuldigung identifizieren: (1) Empathie, d.h. wie gut kann sich die Person in das Gegenüber hineinfühlen; (2) Intensität, d.h. wie häufig wird das Wort Entschuldigung oder Synonyme verwendet; (3) Unverzüglichkeit, d.h. zu welchem Zeitpunkt bittet man um Verzeihung. Theoretisch lässt sich argumentieren, dass jede einzelne Facette den psychologischen Nutzen einer Entschuldigung steigern kann.

Wie stark ist der Effekt der einzelnen Komponenten ist und wie stark ist der Effekt der Entschuldigung insgesamt? Aus der Beschwerdeliteratur ist uns die Effektstärke einer finanziellen bzw. materiellen Wiedergutmachung bekannt. Eine Auskunft über die Effektstärke ermöglicht uns daher, die Wirkung einer Entschuldigung und einer finanziellen Wiedergutmachung zu vergleichen.

Um die drei Forschungsfragen zu beantworten, führten wir ein Experiment durch. In dem Experiment wurde ein Restaurantbesuch nachgestellt und die Empathie (hoch vs. niedrig), Intensität (hoch vs. niedrig) und Unverzüglichkeit (sofort vs. später) manipuliert, mit der sich die Kellnerin für die lange Wartezeit der bestellten Steaks entschuldigt. Konkret vermittelt die empathische Entschuldigung eine warmherzige Reaktion wohingegen die wenig empathische Version vergleichsweise gefühllos ausfällt. In der intensiven Variante wählt die Kellnerin das Wort Entschuldigung oder Synonyme insgesamt vier Mal, in der wenig intensiven Version nur ein Mal. Entschuldigt sich die Kellnerin unverzüglich (alternativ: spät), bittet sie um Verzeihung kurz nach der Beschwerde als sie an den Tisch zurückkehrt (alternativ: erst als die Gäste die Rechnung bezahlen). Zusätzlich existiert noch ein Beschwerdeszenario, indem sich die Kellnerin nicht entschuldigt (Kontrollgruppe).

Insgesamt ergeben sich so neun verschiedene Beschwerdeverläufe, die mit Hilfe des Jugendtheaters Ingolstadt auf Videos nachgestellt wurden. Videostimuli erlauben uns das Experiment realitätsnah und mit so wenig externen Störeffekten wie möglich zu gestalten. Auch haben sie den Vorteil, dass die Probanden die Reaktion der Kellnerin sehen und somit auch erfahren können. Insgesamt sahen sich 225 nach Alter und Geschlecht repräsentative Studienteilnehmer/innen je einen Beschwerdeverlauf an und beantworteten anschließend eine Reihe von Fragen. Die Fragen messen unter anderem die Zufriedenheit mit der Beschwerdebehandlung. Auch wurde sichergestellt, dass die an ein Experiment gestellten Voraussetzungen erfüllt werden. So muss zum Beispiel ein Proband, der die empathische Entschuldigungsversion sieht, diese auch als einfühlsamer empfinden als ein Proband, der die weniger empathische Variante erhält.

Für unsere erste Forschungsfrage stellen wir fest, dass eine schlechte Entschuldigung, die wenig empathisch und auch nicht intensiv ausfällt, zu ähnlichen Zufriedenheitswerten führt wie gar keine Reaktion. Daraus folgt, dass nicht das Ob, sondern das Wie der Entschuldigung für unsere Probanden entscheidend ist. Es zeigt sich sogar, dass die mittleren Zufriedenheitswerte durch eine schlechte Entschuldigung unter das Niveau der Kontrollgruppe fallen können. Allerdings lässt sich dieses Ergebnis nicht statistisch absichern. Es verbleibt daher als interessanter Hinweis darauf, dass eine sorglose Bitte um Verzeihung die Situation verschlimmern kann.
Weiterhin offenbaren die Daten, dass alle drei Komponenten einen eigenständigen positiven Einfluss haben. Im Mittel waren die Studienteilnehmer mit einer empathischen Entschuldigung zufriedener als mit einer wenig Empathischen, mit einer intensiven Verzeihung zufriedener als mit einer weniger intensiven und mit einer sofortigen Reaktion zufriedener als mit einer späten. Die Ergebnisse versprechen damit auch einen Beitrag zur sozialpsychologischen Literatur. So wurde dort die Intensität implizit als eine Entschuldigungskomponente genannt, empirisch aber noch nicht nachgewiesen.
Schließlich stellt sich mit Blick auf die Effektstärken heraus, dass die Empathie die größte Wirkung auf die Zufriedenheit besitzt. Die Effekte von Intensität und Unverzüglichkeit sind jeweils in etwa halb so groß. Die Studienteilnehmer legen also den größten Wert auf Einfühlungsvermögen. Insgesamt waren die Probanden am zufriedensten, wenn sich die Kellnerin empathisch, intensiv und sofort für die lange Wartezeit der Steaks entschuldigt. Interessant ist, dass der mittlere Effekt der Entschuldigung als ebenso stark einzustufen ist, wie der einer finanziellen/ materiellen Kompensation. Einschränkend muss hier aber darauf verwiesen werden, dass die Stärke einer Entschuldigung vom Fehlertyp abhängt und die mittleren Zufriedenheitswerte auf einem eher mäßigen Niveau lagen, sodass sie als alleinige Reaktion nicht ausreichend ist.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass eine Entschuldigung im Fehlerfall eine relevante Wiedergutmachungsoption für Unternehmen ist. Menschen legen dabei nicht darauf Wert, ob um Verzeihung gebeten wird, sondern wie. Dabei sollte eine Entschuldigung empathisch, intensiv, und prompt ausfallen - Menschen schätzen keine Roboterantwort.


PD Dr. Holger Roschk ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Internationales Management der KU.

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Quelle:
AGORA - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
31. Jahrgang / Ausgabe 1 - 2015, Seite 24-25
Herausgeberin: Die Präsidentin der Katholischen Universität
Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsreferat der KU, 85071 Eichstätt
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2015

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