Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

FORSCHUNG/714: Hallesche Juristen forschen zum verbesserten Verbraucherschutz (idw)


Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - 01.03.2011

Hallesche Juristen forschen zum verbesserten Verbraucherschutz


Unerwünschte Telefonwerbung, versteckte Zusatzkosten in Verträgen oder die Rechte eines Kunden während der aktuellen Bahnstreiks: Das Thema Verbraucherschutz hat in den vergangenen Jahren eine zentrale Rolle eingenommen. Immer mehr Bürger nehmen den Dienst von Verbraucherschutzzentralen in Anspruch und können so erfolgreich gegen unlautere Geschäftemacher vorgehen. Obwohl so genannte "kollektive Rechtsschutzinstrumente" derzeit bereits effektiv eingesetzt werden, gibt es an einigen Stellen noch Nachbesserungsbedarf. Das hat eine Studie der Juristen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) ergeben.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich und Prof. Dr. Armin Höland hat eine Forschungsgruppe der MLU ein Jahr lang im Auftrag der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung die "Effektivität kollektiver Rechtsschutzinstrumente für Verbraucher im nationalen Recht" untersucht. "Das Thema hat große praktische Relevanz", erklärt Höland, "oft können sich die Verbraucher nicht angemessen gegen die Rechts- und Regelverletzungen der Anbieter wehren. Hinzu kommt, dass der Rechtsschutz im Verbraucherrecht spezielle Rechtskenntnisse erfordert, über die Verbraucher in der Regel nicht verfügen." An dieser Stelle kommen klagebefugte Verbände, wie Verbraucherzentralen ins Spiel: "Sie beobachten das Marktgeschehen ständig und können im Falle von Regelverletzungen mit Abmahnungen und Unterlassungsklagen reagieren." Für ihre Studie haben die Forscher Verbände, Gerichte und Richter befragt, Prozessakten und Gerichtsstatistiken analysiert und Expertengespräche mit Verbraucherschützern, Richtern und Rechtsanwälten durchgeführt.

Der Forschungsbericht ist mittlerweile im Internet abrufbar und fasst die Stärken und Schwächen des kollektiven Rechtsschutzes im Verbraucherrecht zusammen. "Zu den Stärken gehört unter anderem insgesamt gut entwickelte Praxis der Abmahnungen und der Unterlassungsklagen von Verbraucher- und Wirtschaftsverbänden gegen unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen", sagt Höland. Hier zeigt sich, dass der kollektive Rechtsschutz im Hinblick auf Prävention und Unterlassung vergleichsweise gut funktioniert.

Schwächen zeigt der kollektive Rechtsschutz im Verbraucherrecht hingegen beim Schadensausgleich und bei der Abschöpfung der auf unzulässige Weise erzielten Gewinne. "Durch Unterlassungsklagen lassen sich Schäden nicht ersetzen, die Verbraucher infolge unwirksamer AGB oder sonstiger verbrauchschutzgesetzwidriger Praktiken erlitten haben", so Caroline Meller-Hannich. Voraussetzung sei eine wirksamere Verzahnung von kollektiven und individuellen Rechtsschutzmöglichkeiten. Die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit der Gewinnabschöpfung zugunsten des Bundeshaushaltes hat hohe rechtliche Anforderungen und finanzielle Risiken. Deshalb kommen Klagen auf Gewinnabschöpfung im juristischen Alltag kaum vor.

Außerdem fordern die Forscher, den Ansatz der privaten Rechtsdurchsetzung auch im kollektiven Rechtsschutz zu verstärken. Er habe sich sowohl im Kartellrecht als auch im Wettbewerbs- und Verbraucherrecht bewährt. Die Forscher empfehlen außerdem die Einführung eines vereinfachten Musterklageverfahrens in verbraucherrechtlichen Streitigkeiten, das in die Zivilprozessordnung eingefügt werden soll. "Jegliche weitere Entwicklung des kollektiven Rechtsschutzes in Deutschland wird aber nur in Abstimmung mit entsprechenden Initiativen der Europäischen Union gelingen können", betont die Juristin.

Weitere Informationen unter:
http://download.ble.de/09HS011.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution167


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Corinna Bertz, 01.03.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2011