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ENERGIE/1552: Benzin und Diesel - nie so teuer wie heute (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 9 vom 2. März 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Benzin und Diesel - nie so teuer wie heute
Explodierende Treibstoffkosten sprengen die Kassen

von Klaus Wagener


Wie es bislang aussieht, hat die Preiskurve für Rohöl in 2012 einiges Potential. Sie liegt bislang nicht nur deutlich über den Werten der Vorjahre, sie steigt dazu auch steil an. Plus von 13 Prozent. In vier Wochen. Selbst das bisherige Spitzenjahr, 2008, als im Juli für das Fass Nordseeöl der Sorte Brent über 145 Dollar gezahlt wurden, ließ sich nicht so profitträchtig an. Geht es so weiter, dürften einige Rekorde fallen. Bei den Benzinpreisen ist das schon jetzt der Fall. Mit durchschnittlich fast 1,70 Euro für den Liter Super haben die Spritpreise ein neues Allzeithoch markiert. Und das, obwohl der aktuelle Barrelpreis "erst" bei 124 Dollar liegt.

Die direkte Koppelung der Treibstoffpreise an die Rohölpreise ist natürlich ein PR-Märchen der Öl-Multis. Schon die Verzögerung durch Transportzeiten, Verarbeitung, Lagerhaltung etc. führen es ad absurdum. Von akuter Knappheit kann ebenfalls keine Rede sein: Saudi-Arabien hat nach Daten von JODI (Joint Organizations Data Initiative) im Dezember 2011 sowohl Produktion als auch Export gesenkt. Um immerhin 5,6 Prozent. Auch Iran hatte seine Produktion leicht zurückgefahren. Wichtiger: Ölmultis sind keine Non-Profit-Unternehmen. Benzin/Dieselpreise sind Monopolpreise. Monopolpreise sind auf Aufwandminimierung und Profitmaximierung optimiert. Entscheidend dabei ist die sogenannte Nachfrageelastizität, also die Veränderung der nachgefragten Menge bei einer bestimmten Veränderung des Preises. Grob formuliert: Es nutzt nichts den doppelten Preis zu kassieren, wenn der Absatz dabei auf ein Viertel schrumpft.

Die Nachfrageelastizität für Treibstoff ist allerdings keine (wie gerne unterstellt) "Natur"-Konstante. Sie wird beispielweise durch die gesellschaftlichen Debatten über Umweltschutz, Energiegewinnung, Lagerstätten (Peak Oil), Kriegs- und Bürgerkriegsunsicherheiten etc. erheblich beeinflusst. Auch aktuell versucht die Meinungsindustrie Preis-Akzeptanz (geringere Elastizität) mit dem Verweis auf die "Unsicherheit im Nahen/Mittleren Osten" (korrekter: Die eigenen Kriegsvorbereitungen gegen Syrien und Iran) zu schaffen. Dazu kommt die Universal-Gefahr China, die ja selbst für deutsche Joghurt-Preise verantwortlich zeichnet und die Erdölknappheit sowieso.

Längerfristig wichtiger aber dürfte sein, dass die, mit den heutigen Produktionsund Arbeitsstrukturen verbundenen, Mobilitäts- und Flexibilisierungsanforderungen die Überwindung entsprechend weiter Distanzen notwendig machen, bei denen es in den weitaus überwiegenden Fällen keine realistische Alternative zu Pkw und Lkw gibt. Die meisten müssen tanken, ob sie wollen oder nicht. Fast zu jedem Preis. Die Ölmultis sind auch aufgrund der langfristig forcierten Sackgassensituation des Individualverkehrs zu Trittbrettfahrern der "Globalisierung", wie auch der Klimaund Öko-Debatte geworden. Dass sie an den neuen Kriegen ums Öl gleich mehrfach profitieren, bedarf an dieser Stelle ja keiner weiteren Erläuterung.

Das Ergebnis ist an den Bilanzen leicht ablesbar. Exxon weist einen Profit in 2011 von 40,06 Mrd. US-Dollar aus. Ein Plus gegenüber 2010 von 35 Prozent. Shell gibt für den gleichen Zeitraum einen Cash-Flow (operationelles Ergebnis von 36,7 Mrd. US-Dollar, plus 34 Prozent, an. Selbst der an seinem Deepwater-Horizon-Desaster laborierende BP-Konzern präsentiert einen Cash-Flow von 22,2 Mrd. Dollar. Ein Plus von 60 Prozent. Auch der Bundesfinanzminister hofft in 2012 auf 40,15 Mrd. Euro aus der Energiesteuer (früher Mineralölsteuer). Benzin wird mit 65,45 Ct/l besteuert, Diesel mit 47,04 Ct/l. Macht zusammen ein Steuersoll von 35,7 Mrd. Euro (2010). Plus 19 Prozent Mehrwertsteuer, selbstverständlich. Je höher die Preise, umso höher die Mehrwertsteuer. Zwar können die erdölproduzierenden Staaten hoffen, so noch eine gewisse Zusatzrente für Investitionen für die Zeit danach zu erzielen, wenn ihre Lagerstätten erschöpft sind. (Sofern ihre politischen und sozial-ökonomische Strukturen diese Vorsorge ermöglichen). Einen nicht unerheblichen Teil des Kuchens dürfte sich aber die Rohstoffspekulation sichern. Da der letzte Crash nicht zu der notwendigen Schrumpfung des Finanzcasinos geführt hat, sondern die eklatanten Ungleichgewichte mit viel Zentralbankgeld überkleistert wurden, besteht das typische Problem der Überakkumulation fort: Wohin mit dem Geld? Die großzügigen Geldproduktionen der EZB zur Euro-(Banken)-Rettung haben dieses Problem nicht gerade verringert. Da man auf alles und jedes wetten kann, sind natürlich auch lebenswichtige Rohstoffe wie Getreide und Energie kein Tabu. Da Rohstoffmärkte, in Relation zu den Mitteln der Finanzmafia, relativ eng sind, kann es hier zu starken Ausschlägen kommen.

Der Weizenpreis war so zwischen April 2007 und April 2008 auf fast das Dreieinhalbfache hochgetrieben worden. Das Geschäft mit dem Hunger stürzte nach Weltbank-Zahlen 40 Mio. Menschen ins Elend.

Konjunkturell kommt die jetzige Ölpreisblase zur Unzeit. Die globale Ökonomie droht in eine zweite Rezession zu fallen. Weite Teile sind von der wieder aufflammenden Krise schon erfasst, andere stehen unmittelbar vor dem Rückfall. Ein weiter stark steigender Öl- und Energiepreis hätte das Potential den Absturz erheblich zu beschleunigen. Sollten die Falken in Jerusalem und Washington tatsächlich auf den Roten Knopf drücken, könnte das zum Startsignal zu einem massiven ökonomischen Abschwung werden. (Das soll nicht die Leiden derjenigen relativieren, die von diesem Krieg unmittelbar betroffen wären).

Perspektivisch dürfte die globale automobile Aufrüstung mit 77,8 Mio. produzierten Einheiten in 2010 auch ökonomisch an Grenzen stoßen. Wenn die Transport- und Fahrtkosten wieder produktionsstrategisch relevante Dimensionen annehmen, dürfte auch die Globalisierung der Fertigungsstrukturen auf dem Prüfstand stehen. Die forcierte Suche nach einer Alternative (Bio, Elektro oder Hybrid) nimmt sich momentan noch nicht sehr erfolgreich aus. Eine relevante Substituierung der fossilen Brennstoffe scheint bislang ebenso in weiter Ferne zu liegen, wie ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsstrukturen. Der ÖPNV (Öffentliche Personennahverkehr) deckte in der EU in 2000 gerade noch 16,8 Prozent Verkehrsanteil ab. Verlust in den letzten 30 Jahren fast 10 Prozent. Um den Trend auch nur zu stoppen, wären erhebliche Investitionen in Struktur und Arbeitskraft erforderlich. Angesichts der Staatsschulden, sowie der als Lösung durchgesetzten prozyklischen Austeritätsprogramme eine Utopie.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 9 vom 2. März 2012, Seite 5
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2012