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AUSSENHANDEL/1641: Druck auf Trump (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 10. November 2016
(german-foreign-policy.com)

Druck auf Trump


WASHINGTON/BERLIN - Berlin beginnt zur Sicherung deutscher Interessen in den USA Druck auf den künftigen Präsidenten Donald Trump aufzubauen. Gegenstand sind die Freihandelswünsche der deutschen Industrie; Trumps Absicht, Schutzmaßnahmen zugunsten der US-Wirtschaft zu ergreifen, könnten die erhofften Profite aus dem Export in die USA empfindlich schmälern, fürchten deutsche Unternehmenskreise. Die Vereinigten Staaten waren im vergangenen Jahr der wichtigste Abnehmer deutscher Ausfuhren überhaupt und sind daher als Absatzmarkt für die exportfixierte Industrie der Bundesrepublik von hoher Bedeutung. Auch jenseits ökonomischer Aspekte ist Berlin auf der Suche nach Einflusskanälen in Trumps Umfeld. Man müsse bezweifeln, dass der künftige US-Präsident vom bisherigen Washingtoner Establishment politisch kontrolliert werden könne, urteilen Experten. Schon jetzt zeichnen sich allerdings auch deutsche Profiteure des US-Regierungswechsels ab: Baustoffkonzerne, die eine Mauer zwischen den USA und Mexiko errichten wollen, sowie ausgewählte Rüstungsunternehmen.

Keine Zugänge

Nach wie vor ist in vielerlei Hinsicht unklar, welche Politik der künftige US-Präsident Donald Trump tatsächlich verfolgen wird. Seine Wahlkampfaussagen sind oft unklar und widersprüchlich gewesen; dies gilt ganz besonders für die Außenpolitik. Auch im Berliner Polit-Establishment tappen viele im Dunkeln. Die Elitenbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und den USA seien so eng, dass es vor Präsidentenwahlen immer "Kontakte in die Lager beider Kandidaten gegeben" habe, meistens auch zu den Kandidaten selbst, heißt es; "doch bei Trump ist das nicht der Fall".[1] Sogar das Auswärtige Amt beklage, "keine Kontakte und keine Zugänge zu Beratern" des nächsten US-Präsidenten zu haben; nicht einmal der deutschen Botschaft in Washington sei es gelungen, "Beziehungen in Trumps Lager aufzubauen". Im deutschen Außenministerium könne man auf die Frage nach außenpolitischen Beratern des US-Republikaners die verärgerte Antwort hören: "Er hat keine." Trump habe ein "paar Figuren um sich herum versammelt, die alle nicht ernst genommen" worden seien, wird ein Experte von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) zitiert.[2]

Die Macht der Exekutive

Skepsis herrscht unter Berliner Experten bezüglich der Frage, ob Trump vom Washingtoner Polit-Establishment faktisch kontrolliert werden kann. In der deutschen Hauptstadt wird darauf verwiesen, dass der US-Präsident zum einen dem "System der Checks and Balances", der Machtteilung mit dem Kongress, nicht so leicht entkommen kann. Zum anderen sei der Präsident "auf einen immer größeren Beraterstab angewiesen", heißt es; dabei sei "der Pool an qualifizierten Regierungsbeamten ... begrenzt", und diese entstammten ihrerseits gewöhnlich dem Washingtoner Establishment.[3] Dennoch solle man sich in Berlin lieber "nicht darauf verlassen, dass Trumps Unberechenbarkeit und seine extremen Positionen 'eingehegt' würden, sei es durch einen Beraterstab, das Kabinett, das Militär oder den Kongress", warnt die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Vor allem in der Außenpolitik habe der US-Präsident "weitgehende Möglichkeiten für Alleingänge"; "die Administration von George W. Bush" habe klar "vor Augen geführt, in welchem Maße ein zu allem entschlossener Präsident etablierte Entscheidungsverfahren umgehen oder aushebeln kann". Unter Barack Obama sei "die Macht der Exekutive eher noch gewachsen"; "selbst klare Verstöße gegen internationales oder amerikanisches Recht" seien für einen US-Präsidenten "nicht ausgeschlossen".[4]

Spitzengeschäfte

Um deutsche Interessen bei der künftigen US-Administration zu sichern, beginnt Berlin nun in Washington Druck zu machen. Erste konkrete Vorstöße kommen aus der Wirtschaft und dem Bundeswirtschaftsministerium. Hintergrund sind Trumps Pläne, das Freihandelsabkommen TTIP fallenzulassen, Schutzmaßnahmen für die US-Industrie zu ergreifen und in diesem Zusammenhang womöglich auch Schutzzölle zu verhängen sowie vielleicht gar Schritte gegen Länder einzuleiten, die in ihrem US-Handel einen exzessiven Handelsüberschuss aufgebaut haben. "Wenn Trump die Handelsschranken durchsetzen könnte, die er angekündigt hat, wäre der Schaden groß", urteilt der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest.[5] Tatsächlich sind die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr zum größten Abnehmer deutscher Ausfuhren überhaupt aufgestiegen und besitzen deshalb für die exportfixierte deutsche Industrie erhebliche Bedeutung. Bereits die Tatsache, dass die Ausfuhren in die USA im ersten Halbjahr 2016 um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahreswert schrumpften, ist in deutschen Wirtschaftskreisen mit einiger Sorge registriert worden. Ein weiterer Rückgang der US-Exporte wäre für viele deutsche Unternehmen ein schwerer Schlag. Er fiele umso mehr ins Gewicht, als die Bundesrepublik im vergangenen Jahr ein Außenhandelsplus von fast 55 Milliarden Euro aus dem Geschäft mit den Vereinigten Staaten gezogen hat: Deutsche Profite sind zu einem guten Teil US-finanziert.[6]

Trump-Verlierer

Entsprechend bringen sich deutsche Wirtschaftsverbände in Stellung. "Die Vereinigten Staaten müssen weiter auf offene Märkte setzen", forderte am gestrigen Mittwoch Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI): Die "Verunsicherung in der Wirtschaft" sei "riesengroß"; eine "Unklarheit über den künftigen Kurs" der USA könne "zu erheblichen negativen Effekten für die Weltwirtschaft führen". "Die deutsche Industrie wird sich weiterhin für ein faires TTIP mit guten Regeln für beide Seiten einsetzen", kündigt Grillo an.[7] Auch der Präsident des mittelständisch geprägten Verbandes Die Familienunternehmer, Lutz Goebel, sprach sich eindeutig gegen Handelsschranken aus: "Trumps Unberechenbarkeit und sein Protektionismus bringen enorme Unsicherheit mit sich - politisch und wirtschaftlich."[8] Zudem wird eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums mit der Äußerung zitiert, die Bundesrepublik habe "wichtige Wirtschaftsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten": "Und das soll so bleiben".

Trump-Profiteure

Jenseits der drohenden Schwierigkeiten im Handel zeichnen sich inzwischen allerdings auch erste deutsche Profiteure des US-Regierungswechsels ab. Zu ihnen zählt der Bayer-Konzern. Bayer hat zuletzt den US-Pharmariesen Merck und den US-Agrarkonzern Monsanto übernommen und nun den US-Republikanern für den Wahlkampf 433.000 Dollar gespendet [9]; Trump hat - anders als Clinton - nicht auf eine Senkung der Arzneimittelpreise gedrungen. Die Bayer-Aktie ist gestern deutlich gestiegen. "Mittelfristig bin ich positiv gestimmt", erklärt auch der Vorstandsvorsitzende von HeidelbergCement, Bernd Scheifele: Trump werde wohl größere Summen in die Infrastruktur investieren. Auch vom Bau der von Trump angekündigten Mauer an der US-Grenze nach Mexiko "könnte HeidelbergCement als Lieferant ... profitieren", heißt es in der Wirtschaftspresse.[10] Hoffnung auf profitable Geschäfte macht sich schließlich auch der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall. Trump werde Druck auf die Bundesregierung ausüben, den deutschen Rüstungsetat endlich auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern, wird ein Rüstungsmanager zitiert: Dies komme "einer Aufstockung des deutschen Rüstungsetats von bis zu 20 Milliarden Euro gleich".[11] Rheinmetall kann sich dabei Hoffnungen nicht nur auf neue Beschaffungs-, sondern auch auf Instandhaltungsaufträge der Bundeswehr machen. Die Rheinmetall-Aktie verzeichnete gestern ein Plus von zeitweise sechs Prozent.


Mehr zum Thema:
Weltpolitik nach Obama (I)
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59468
und Weltpolitik nach Obama (II)
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59469
und Ein wesentlicher Teil des Westens
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59478


Anmerkungen:

[1] Günter Bannas: Berlins Sorge vor dem "Hassprediger". www.faz.net 08.11.2016.

[2] Christian Kreutzer: Trump-Sieg stellt plötzlich alles infrage. www.t-online.de 09.11.2016.

[3] Marco Overhaus, Lars Brozus: US-Außenpolitik nach den Wahlen 2016. SWP-Aktuell 40, Juni 2016.

[4] Johannes Thimm: Auch ohne Trump wird vieles anders. SWP-Aktuell 64, Oktober 2016.

[5] Ein besonderer Wirtschaftspartner. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.11.2016.

[6] S. dazu Westgeschäfte
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59446

[7] Bundesverband der Deutschen Industrie: Pressemitteilung Nr. 40/2016. 09.11.2016.

[8] Große Verunsicherung nach dem "Schwarzen Dienstag". Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.11.2016.

[9] Sieg für Trump und Bayer. www.cbgnetwork.org 09.11.2016.

[10] Endlich mal wieder eine große Mauer - HeidelbergCement will vom Trump-Sieg profitieren. www.manager-magazin.de 09.11.2016.

[11] Trump zwingt Berlin zu höherem Rüstungsetat. Frankfurter Allgemeine Zeitung 09.11.2016.

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2016

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