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ARBEIT/2455: Ein sanfter Anstoß hilft gegen Langzeitarbeitslosigkeit (idw)


Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 03.08.2015

Ein sanfter Anstoß hilft gegen Langzeitarbeitslosigkeit


Erhalten Arbeitssuchende wissenschaftlich fundierte Informationen zur Jobsuche, erhöht sich ihr Erfolg auf dem Arbeitsmarkt spürbar. In einem Experiment hatten von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohte Menschen, die gezielt über Erkenntnisse aus der Arbeitsmarkt- und Verhaltensforschung informiert wurden, nach einem Jahr rund 450 Euro mehr verdient und waren länger beschäftigt als eine Kontrollgruppe, die diese Informationen nicht erhalten hatte. Das hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Bonn in einer vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) veröffentlichten Studie herausgefunden.


Die Ergebnisse wurden nun auf der Diskussionsplattform "VOXeu" des Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London zusammengefasst.

Wissenschaftliche Studien belegen, dass sich mit jedem Monat der Arbeitslosigkeit die Chance verringert, einen neuen Job zu finden. "Die Daten zeigen außerdem, dass aktive Stellensuche ein Schlüssel zum Erfolg ist. Leider unterschätzen viele Menschen aber das Ausmaß dieser Effekte", sagt der Ökonom Prof. Dr. Armin Falk von der Universität Bonn. Gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam erarbeitete Falk deshalb eine Broschüre, die Arbeitssuchende in knappen und motivierenden Worten über aktuelle Erkenntnisse aus der Arbeitsmarktforschung und Verhaltensökonomik informiert.

"Bei vielen Menschen ohne Arbeit gibt es noch große Informationslücken zur Jobsuche", berichtet Dr. Florian Zimmermann von der Universität Zürich (Schweiz). In einem Feldversuch untersuchten die Forscher, wie sich die Bereitstellung von Informationen durch die Broschüre auf den Arbeitsmarkterfolg der Teilnehmer auswirkt. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob ein sogenannter "Nudge" zur erfolgreichen Arbeitssuche beitragen kann. Der Begriff wurde durch die US-amerikanischen Wissenschaftler Richard Thaler und Cass Sunstein geprägt. Unter einem "Nudge" verstehen sie einen "sanften Anstoß", der hilft, komplexe ökonomische Entscheidungen zu treffen, und damit auch dem Gemeinwohl dient.


Informationsbroschüre verweist auf Effekte der Eigeninitiative

Die von dem Forscherteam entwickelte Broschüre zielt auf solch einen "Nudge" ab: Sie verweist in verständlicher Sprache auf die Bedeutung von Eigeninitiative bei der Stellensuche und betont die Wichtigkeit, sich aus möglichst vielen Quellen wie zum Beispiel Tageszeitungen, Internet und Arbeitsagentur über offene Stellen zu informieren. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass häufig das persönliche Netzwerk aus Freunden, Verwandten und Bekannten einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Stellensuche leisten kann. Als weiterer Anstoß werden in der Broschüre die positiven Auswirkungen von Erwerbsarbeit für die Familie, die Gesundheit und das soziale Umfeld erläutert. "Wissenschaftliche Studien zeigen, dass viele Menschen Fehleinschätzungen unterliegen, wenn es darum geht, zentrale Einflussfaktoren der eigenen Arbeitsmarktchancen zu beurteilen und diese in langfristigen Erfolg am Arbeitsmarkt umzumünzen", sagt Prof. Dr. Steffen Altmann von der Universität Kopenhagen (Dänemark). "Genau hier setzt unsere Broschüre an."

Das Forscherteam nutzte die offiziellen Daten der Sozialversicherungsträger von etwa 54.000 Jobsuchenden in Deutschland. Ein Viertel bekam die Broschüre kurz nach Eintritt in die Arbeitslosigkeit zugeschickt. Die Wissenschaftler verglichen anschließend, wie sich die Arbeitsmarktchancen jener Erwerbslosen, die die Broschüre erhalten hatten, gegenüber denjenigen veränderten, die diese Informationen nicht bekommen hatten. "Die Daten zeigen einen moderaten, positiven Einfluss der Broschüre auf den Arbeitsmarkterfolg", sagt Simon Jäger von der Harvard Universität (USA).

Ein Maß, das den Erfolg der Jobsuche besonders gut zusammenfasst, ist die Lohnsumme, die die Teilnehmer über einen bestimmten Zeitraum erzielten. Hier zeigt sich, dass ein Jahr nach Versand der Broschüre diejenigen, die das Heft erhalten hatten, insgesamt im Schnitt um rund 155 Euro mehr verdient hatten als Jobsuchende, die die Information nicht bekamen. "Dieser Effekt wird hauptsächlich dadurch getrieben, dass mehr Arbeitssuchende in der Broschüren-Gruppe tatsächlich eine neue Beschäftigung gefunden hatten", erklärt Jäger.


Einkommen stieg binnen eines Jahres um 450 Euro

In einem zweiten Schritt werteten die Forscher die Daten von Menschen aus, die besonders stark von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht waren. Hier zeigte sich ein noch stärkerer Effekt: Für diese Teilnehmergruppe war die Beschäftigungswahrscheinlichkeit nach einem Jahr insgesamt um rund vier Prozent gestiegen. Dieser Erfolg spiegelte sich auch im Einkommen der Teilnehmer wider, das im Vergleich zur Kontrollgruppe im Jahresverlauf um durchschnittlich 450 Euro angestiegen war. "Angesichts der geringen Kosten der Broschüre von weniger als einem Euro pro Heft ein vielversprechendes Kosten-Nutzen-Verhältnis", fasst Prof. Falk von der Universität Bonn zusammen. "Dies zeigt, dass die Erkenntnisse der Arbeitsmarkt- und Verhaltensforschung nicht nur wichtige Impulse für die Arbeitsmarktpolitik liefern, sondern auch direkten Nutzen für Arbeitssuchende stiften können."

Die Broschüre kann im Internet unter http://ftp.iza.org/dp9040.pdf auf Seite 39 angesehen werden.


Publikation:
Die wichtigsten Ergebnisse sind in einem Kommentar auf der Diskussionsplattform "VOXeu" des Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London veröffentlicht:
http://www.voxeu.org/article/learning-about-job-search-tackling-long-term-unemployment

Eine ausführlichere Präsentation der Ergebnisse findet sich im IZA Diskussionspapier:
http://ftp.iza.org/dp9040.pdf



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution123

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn,
Dr. Andreas Archut, 03.08.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2015

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