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AGRAR/1548: Schwarzbau am Baugesetz (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 353 - März 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Schwarzbau am Baugesetz
Beteiligte Ministerien mit unterschiedlichen Vorstellungen - Privilegierung steht in Frage

von Claudia Schievelbein



Die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere ist - wieder einmal - in der Kritik. Antibiotika, Keime, Haltungsbedingungen die Verbraucher und Verbraucherinnen entrüsten. Und Dimensionen von Stallgrößen, die niemandem zu vermitteln sind. Wie geht es weiter? Ein Ansatzpunkt um Massentierhaltung zu begrenzen oder gar zu verhindern kann eine Änderung des Bundesbaugesetzes sein. Eine Lösung in der Antibiotika-Frage ist eine artgerechte Tierhaltung. Und die Möglichkeiten politischer Veränderungen ergeben sich durch den Druck gesellschaftlicher Netzwerke.


Der Druck ist groß, unter dem die Politik steht, wenn es um das Thema Massentierhaltung geht. Dies deutliche Signal lässt sich lesen in den jüngsten Entwicklungen rund um die Novelle des Bundesbaugesetzes. Zahllose Bürgerinitiativen gegen Megaställe in Allianzen mit Kommunalpolitikern vor Ort und Antibiotika- und Keimskandale, die als Auswuchs der agrarindustriellen Tierhaltung wahrgenommen werden, lassen sich in Berlin nicht mehr aussitzen oder ignorieren. Schon vor Weihnachten und vor der Grünen Woche, auf deren Pressekonferenzen das Thema Tierhaltung alles andere dominierte, hatte das Bundesbauministerium einen Referentenentwurf vorgelegt, in dem es eine wesentliche Änderung zum landwirtschaftlichen Bauen gab. In jenem § 35, der die Privilegierung bestimmter Bauvorhaben festschreibt, wurde nun ein Unterschied gemacht zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen Bauten. Ställe, die gewerblich - das heißt, deren zukünftige Betreiber nicht nachweisen können, genug Fläche für 50 Prozent der Futtergrundlage zu haben - und die gleichzeitig so groß sind, dass der zukünftige Betreiber zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verpflichtet ist, sollten von der Privilegierung ausgenommen werden. Das bedeutet wiederum, dass auf Stallbauvorhaben für beispielsweise 85.000 Masthähnchen und 3.000 Schweine die Kommunen zukünftig wesentlich stärker Einfluss über den Bebauungsplan nehmen könnten. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass zu befürchten wäre, dass Bauherren einfach in der Größendimension ein paar Tierplätze unter den UVP-Anforderungen bleiben, damit trotzdem noch einen Riesenstall, dann aber wieder privilegiert bauen. Mehr als ein Signal wäre so ein Gesetz nicht, so lautete ziemlich einhellig der Tenor des Bündnisses Bauernhöfe statt Agrarfabriken, dem auch die AbL angehört, der Umweltverbände und der Grünen.


Unterschiedliches Schwarz

Trotzdem maulte der Bauernverband - es sei doch kurios, dass Ställe, die nach dem Umweltrecht genehmigungsfähig, nach dem Baurecht künftig ablehnbar seien. Und auch der als Agrarindustriefreund geltende agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Franz-Josef Holzenkämpfer zeigte sich "überrascht", dass jener einstige Entwurf nun als Gesetzesvorlage erneut das Licht der Öffentlichkeit erblickte. So schnell hatte nicht nur Holzenkämpfer nicht damit gerechnet, die Thematik erneut und so konkret auf den Tisch zu bekommen. Offenbar waren sich CSU-Bauminister Alois Ramsauer und CSU-Agrarministerin Ilse Aigner einig geworden, den CDU-Umweltminister Norbert Röttgen hatten die beiden aber wohl außen vor gelassen. Jedenfalls legt das ein internes Papier aus dem Bundesumweltministerium (BMU) nahe, das nun nach der Veröffentlichung des im offiziellen Sprachgebrauch doch mit allen beteiligten Ressorts abgestimmten Gesetzentwurfes die Runde macht. Es liest sich, als hätten die Fürsprecher einer bäuerlichen Landwirtschaft Röttgen die Feder geführt oder als habe er einen plötzlichen Farbwechsel vollzogen. Jedenfalls ist es deutlich schärfer als der Gesetzentwurf und enthält als eine mögliche Variante die Forderung des Netzwerkes Bauernhöfe statt Agrarfabriken, die Privilegierung für alle Anlagen oberhalb der Grenzen, die im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSch) festgelegt sind (30.000 Masthähnchen, 1.500 Schweine), wegfallen zu lassen. Zur Frage der Gewerblichkeit oder Nichtgewerblichkeit von landwirtschaftlichen Stallbauten möchte das BMU nicht nur die theoretische Möglichkeit der Erzeugung von mindestens 50 Prozent der Futtergrundlage auf der vorhandenen Fläche, sondern deren reale Umsetzung in die Tat. Eine Forderung, so ein Mitarbeiter der Grünen im Bundestag, die sich nicht mal mehr die Grünen trauen, in Papiere zu schreiben.


Bäuerliche Interessen

Ob das schwarze Papier aus dem Umweltressort etwas am schwarzen Gesetzentwurf ändert, ist allerdings fraglich, entscheidender wird sein, wie sich der Bundesrat positioniert. Die grün regierten Länder haben sich bereits auf eine gemeinsame Position geeinigt, die auch die BImSch-Linie des Netzwerkes Bauernhöfe statt Agrarfabriken fährt. Und auch die Verbändeanhörung bietet eine Möglichkeit der erneuten öffentlichen Aufmerksamkeit. Hier geht es darum, aus Sicht der AbL deutlich zu machen, dass es im Interesse einer bäuerlichen Landwirtschaft ist, die Handlungsmöglichkeiten und die Planungssicherheit der Kommunen zu erhöhen. Gleichzeitig muss ein dies anstrebendes Gesetz realistische Rahmenbedingungen setzen, die auch eine entsprechende Wirkung entfalten können. Es ist der Druck der Straße, der die Privilegien der Agrarindustrie gegen ihre Lobbyisten ins Wanken bringt. Den müssen eher die fürchten, die nur vermeintlich die Interessen der Bauern und Bäuerinnen vertreten. Denn damit zu argumentieren ist scheinheilig, wenn es darum geht, ob ein Stall für 30.000 Hähnchen von den Kommunen klaglos durchgewunken wird oder mindestens mit entsprechenden Auflagen versehen, wie es sich für so einen Industriebetrieb gehört, in ein Gewerbegebiet ziehen muss.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 353 - März 2012, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2012