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ORGANISATION/578: Vereinte Nationen wollen nukleare Abrüstung vorantreiben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Oktober 2015

Abrüstung: Vereinte Nationen wollen nukleare Abrüstung vorantreiben

von Thalif Deen


New York (IPS) - Angesichts der aktuellen Spannungen zwischen den beiden größten Nuklearmächten der Welt - Russland und die USA - haben die Vereinten Nationen Pläne für eine Kampagne zur Abschaffung aller Atomwaffen bekanntgegeben. Am Hauptsitz in New York soll eine neue Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die effektive Maßnahmen für die weltweite Abrüstung ausarbeiten soll.

Noch kursieren mehrere Entwürfe für eine entsprechende Resolution. Einer davon wurde vor allem von Mexiko ausformuliert. Unterstützung hat der Entwurf von Österreich, Brasilien, Chile, Costa Rica, Ghana, Liechtenstein, Irland, Malta, Nigeria, den Philippinen und Südafrika. Die Unterzeichner schlagen als möglichen Sitz der Arbeitsgruppe Genf vor. Erste Ergebnisse sollen im kommenden September zur 71. Generalversammlung der Vereinten Nationen vorliegen.

Einen zweiten Entwurf hat der Iran vorgelegt. Er fordert eine zweite Arbeitsgruppe zum gleichen Thema, die ihren Bericht zur für 2018 geplanten UN-Konferenz für nukleare Abrüstung vorlegen soll.

Laut John Burroughs vom New Yorker Anwaltskomitee für Nuklearpolitik sind die Entwürfe noch verhandelbar. Dass es überhaupt entsprechende Entwürfe gebe, liege an einem Trend, der im Jahr 2013 begründet worden sei. Damals sei eine zeitlich unbegrenzte Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die Vorschläge für multilaterale Verhandlungen ausgearbeitet hat: zunächst für die Konferenzen zu den humanitären Folgen von Atomwaffen in den Jahren 2013 und 2014 in Oslo, Nayarit und Wien. Ein Abschlussdokument legte die Arbeitsgruppe dann im Mai dieses Jahres bei der 9. Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags in New York vor.

"Ob eine neue Arbeitsgruppe relevante Ergebnisse erzielt, ist nicht ihr einziges Ziel. Sie würde auf jeden Fall dafür sorgen, dass das Thema an der Tagesordnung bleibt", sagte Burroughs.


USA hat Unterstützung zugesagt

Bessere Voraussetzungen als die erste Arbeitsgruppe hat die neue bereits: Während sich die USA vor zwei Jahren noch gegen die Einrichtung eines solchen Gremiums stellten, wollen sie die neue Arbeitsgruppe nun unterstützen. Wie sich die übrigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats zu dem neuen Gremium verhalten werden, ist noch offen. "Die neue Haltung der USA ist auf jeden Fall ein wichtiges Signal."

Mitte Oktober hatten 135 Nichtregierungsorganisationen aus 19 verschiedenen Ländern die Nuklearmächte aufgerufen, vorsichtig mit ihrem Waffenarsenal umzugehen. "Wir haben nur diese Wahl: Gewaltlosigkeit oder Vernichtung. Unsere Zeit läuft ab", lauten die Schlussworte des Aufrufes.

Unterzeichnet haben das Dokument unter anderem die Organisationen Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), die 1985 den Friedensnobelpreis erhielt, und Pax Christi sowie IALANA aus Deutschland und Code Pink aus den USA. Außerdem das New Yorker Anwaltskomitee für Nuklearpolitik, die 'Womens International League for Peace and Freedom' und das 'International Peace Bureau'.

"Die Nuklearmächte geraten immer näher an den Rand einer militärischen Konfrontation - und das an vielen Krisenherden überall auf der Welt: von der Ukraine über Syrien und den Nahen Osten bis zum westlichen Pazifik", heißt es in dem Statement. "Die Gefahr eines Atomkrieges rückt näher: ob es eine Frage von Monaten oder Jahren ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden."

Doch die großen Atommächte stellen noch eine weitere Gefahr dar: Sie exportieren drei Viertel aller Waffengüter, die weltweit gehandelt werden. Die USA und Russland sind zusammen für die Hälfte aller globalen Waffenexporte verantwortlich. "Sie sind es, die Waffen zur Verfügung stellen, die kleine Konflikte in Kriege von industriellem Ausmaß verwandeln", heißt es weiter im Text. Diese Kriege würden Gesellschaften zerreiben und ganze Regionen destabilisieren. Die entstehenden humanitären Krisen würden wiederum militärische Interventionen legitimieren, bei denen auch atomare Waffen verwendet würden.


Forderung nach "Reduzierung nuklearer Risiken"

Anfang des Monats hatten bereits einige der Unterzeichnerorganisationen ein Schreiben an den US-Kongress verfasst, in dem sie warnten, dass atomare Angriffe im Ernstfall die gesamte Bevölkerung auslöschen könnten. Die Verfasser des Briefes forderten Russlands Staatschef Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama auf, sich unmittelbar auf eine "sofortige Reduzierung der nuklearen Risiken" zu einigen.

Bei dem Schreiben waren die Organisationen 'Human Survival Project' (HSP) und 'People for Nuclear Disarmament' (PND), beide mit Sitz in Australien, federführend. Zu den Unterzeichnern zählten außerdem IPPNW, die 'Vision Campaign 2020' die Bürgermeister für den Frieden, die 'Middle Powers Initiative', der 'World Future Council - WFC', die 'Nuclear Age Peace Foundation' sowie Parlamentarier.

Die Abrüstungsgruppen dringen vor allem auf drei Maßnahmen zur Reduzierung des nuklearen Risikos: Erstens eine Absenkung der Atom-Alarmstufe, damit politische Entscheidungsträger nicht innerhalb weniger Minuten apokalyptische Entscheidungen treffen müssen, die auf unvollständigen Informationen beruhen. Zweitens sollen Informationen über den Start von Kampfjets geteilt und drittens provokante Militärmanöver vermieden werden. (Ende/IPS/jk/30.10.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/10/u-n-plans-new-working-groups-aimed-at-nuclear-disarmament/
http://www.wslfweb.org/docs/WSLFfirstcommittee2015.pdf

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2015

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