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ORGANISATION/520: Fließend in Englisch und Französisch - Aufwertung der übrigen Amtssprachen gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Mai 2013

UN:
Fließend in Englisch und Französisch - Aufwertung der übrigen Amtssprachen gefordert

von Thalif Deen



New York, 15. Mai (IPS) - Als sich Ägyptens ehemaliger Außenminister Boutros Boutros-Ghali Ende 1991 um das Amt des UN-Generalsekretärs bewarb, musste er gegen seinen damaligen simbabwischen Amtskollegen und langjährigen Freund Bernard Chidzero antreten.

Damals war nach dem geographischen Rotationsprinzip Afrika dran, den nächsten UN-Chef zu stellen. Bei einem Zusammentreffen zwischen den beiden Kandidaten kam es zu einem aussagekräftigen verbalen Schlagabtausch.

Chidzero, der Vertreter eines englischsprachigen Landes, der sich der Unterstützung Großbritanniens und der 54 Mitglieder des vorwiegend aus ehemaligen britischen Kolonien zusammengesetzten Commonwealth sicher sein konnte, verfiel im Gespräch mit Boutros-Ghali plötzlich vom Englischen ins Französische.

Boutros-Ghali, dem die unterschwellige Botschaft nicht entging, reagierte prompt. Er legte seinen Freund und Widersacher den Arm um den Hals und witzelte: "Bernard, wenn du die Unterstützung von Frankreich willst, musst du nicht nur Französisch, sondern auch mit französischem Akzent sprechen." Boutros-Ghali, der fließend Englisch, Arabisch und Französisch spricht, hatte den "unmöglichsten Job der Welt" von Januar 1992 bis Dezember 1996 inne.

Frankreich, das zu den fünf ständigen und vetoberechtigten Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats gehört, ist so sehr um den Schutz seiner Sprache bemüht, dass es schon gegen einen Kandidaten sein Vetorecht einlegen würde, der des Französischem nicht mächtig ist. Die Chancen für Anwärter ins hohe Amt gewählt zu werden, sind ohne brauchbare Französischkenntnisse schlecht - es sei denn, die betreffende Person verspricht, sich die von Paris gerühmte "Sprache der internationalen Diplomatie" anzueignen.


Zwei Verkehrssprachen, sechs Amtssprachen

Seit 66 Jahren sind Englisch und Französisch die beiden Arbeitssprachen der Vereinten Nationen. Sie sind zusammen mit Arabisch, Chinesisch, Russisch und Spanisch zudem die sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen. Das bedeutet, dass in allen offiziellen UN-Sitzungen die Übersetzung in die und aus den sechs Amtssprachen gewährleistet sein muss. Ebenso müssen sämtliche Dokumente für die Sitzungen, Resolutionsentwürfe, Berichte und Protokolle in einem zeitlich angemessenen Rahmen in diesen sechs Sprachen zur Verfügung stehen.

In der zweiten Maiwoche kritisierte die 132 Entwicklungsländer zählende Gruppe der 77 (G77) das wachsende Missverhältnis im Umgang mit den sechs Amtssprachen auf der UN-Webseite. Botschafter Peter Thomson von den Fidschi-Inseln, der den derzeitigen G77-Vorsitz führt, berichtete gegenüber dem UN-Informationsausschuss, dass trotz aller Bemühungen der UN-Hauptabteilung für Presse und Information (DPI) das Ungleichgewicht zugunsten des Englischen und Französischen auszugleichen, die Disparität immer größer werde.

"Die Gruppe wiederholt ihre Forderung, dass die im UN-Sekretariat für die Verbreitung von Inhalten zuständigen Büros sämtliche englischsprachigen Materialien und Datenbanken in alle Amtssprachen übertragen und sie auf den entsprechenden Sprachen-Webseiten zugänglich machen", sagte Thomson.

Im April hatte die DPI die Initiative ergriffen und dafür gesorgt, dass die im Verlauf des Treffens der UN-Kommission für Bevölkerung und Entwicklung veröffentlichten Pressemitteilungen ins Spanische übersetzt wurden. Derzeit sind lediglich die Webinhalte der Hauptabteilung für Friedenssicherungseinsätze in allen sechs Sprachen verfügbar.

Wie der UN-Sprecher Farhan Haq gegenüber IPS erklärte, bieten die UN Radiodienste in vielen anderen Sprachen einschließlich der sechs Amtssprachen an. Auch die Botschaften des UN-Generalsekretärs werden demnach in mehreren Sprachen einschließlich der sechs offiziellen Sprachen verfasst. Das zeige, dass alle sechs Amtssprachen nicht allein bei den Simultanübersetzungen während der Sitzungen zum Einsatz kämen.

Nach Aussagen von Haq spricht der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die drei Amtssprachen Englisch, Französisch und Chinesisch sowie Koreanisch. "Wenn er reist, versucht er sich auch in anderen Sprachen", meinte der UN-Sprecher und hob hervor, dass Boutros-Ghali nicht der einzige UN-Chef gewesen sei, der dreier Amtssprachen mächtig gewesen sei. Der Peruaner Javier Perez de Cuellar beispielsweise sprach Englisch, Französisch und Spanisch.


Mehrsprachigkeit fördern

Nach Aussagen der Botschafterin Lyutha Sultan Al-Mughairy aus Oman hat der UN-Informationsausschuss, dem sie vorsitzt, erstmals die Verantwortlichkeit des UN-Sekretariats unterstrichen, innerhalb der finanziellen Möglichkeiten für Mehrsprachigkeit seiner Kommunikations- und Informationsaktivitäten zu sorgen. Der neue Unterstaatssekretär für das DPI, Peter Launsky-Tieffenthal, habe in dieser Hinsicht innovative Wege aufgezeigt.

Auf der Webseite der Mehrdimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission in Mali seien alle sechs Sprachen vertreten, erklärte sie. Und mit der Unterstützung des UN-Freiwilligenprogramms seien Kapitel des jüngsten Jahrbuchs der Vereinten Nationen in alle Amtssprachen übertragen worden. "Ich bin der Meinung, dass sich viel mit Kreativität in diesem Zusammenhang bewegen lässt. Es gibt innerhalb des DPI den Wunsch, sich dafür tatkräftig zu engagieren." (Ende/IPS/kb/2013)


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IPS-Tagesdienst vom 15. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2013