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MELDUNG/127: UN - Zeit schinden im US-iranischen Visumstreit, Vorwürfe gegen Weltorganisation (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. April 2014

UN: Zeit schinden im US-iranischen Visumstreit - Vorwürfe gegen Weltorganisation

von Thalif Deen



New York, 22. April (IPS) - Nach dem zwei Wochen langen Streit über die Weigerung Washingtons, einem iranischen UN-Diplomaten ein Visum zu gewähren, nimmt die Kritik an den Vereinten Nationen immer weiter zu. So wird dem UN-Generalsekretariat und seinen relevanten Stellen vorgeworfen, auf Zeit zu setzen, um keine Farbe bekennen zu müssen.

Das UN-Amt für Rechtsangelegenheiten hat sich im Zusammenhang mit dieser Entscheidung den Ruf erworben, sich in der Geschwindigkeit einer gelähmten Schnecke fortzubewegen. So hatte der UN-Rechtsberater Miguel de Serpa Soares nach einem Treffen mit dem iranischen Geschäftsträger Gholam Dehghani am 15. April erklärt, er werde den Fall sorgfältig prüfen und Präzedenzfälle und vorangegangene Verfahrensweisen berücksichtigen.


"Kreißender Berg, der eine Maus gebar"

Zwei Wochen sind seit dem Beschluss des US-Kongresses, dem Iraner Hamid Aboutalebi das Visum zu verweigern, vergangen. Dass sie offensichtlich für eine Stellungnahme des UN-Amtes nicht ausreichten, löste bei vielen UN-Diplomaten Befremden aus. So sprach der Vertreter eines asiatischen Landes in Anspielung auf eine Äußerung des griechischen Fabeldichters Äsop von "einem kreißenden Berg, der nur ein Maus gebar".

Nach Ansicht von James E. Jennings, dem Vorsitzenden der Hilfsorganisation 'Conscience International' und Geschäftsführer der US-Friedensakademie, ist es an der Zeit, dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Stellung bezieht. Doch bisher hat sich der UN-Chef in dieser Frage nicht positioniert.

Wie der UN-Sprecher Stephane Dujarric gegenüber IPS meinte, ist die Kritik an den Vereinten Nationen ungerechtfertigt. So sei das Amt für Rechtsangelegenheiten gleich nach der offiziellen Benachrichtigung aktiv geworden. Zunächst habe man einer Bitte des Irans entsprochen und sich mit Vertretern des Landes getroffen. Einen Tag darauf seien Gespräche mit US-Vertretern erfolgt.

Doch der Unmut über die Zurückhaltung der Vereinten Nationen wächst. So wird der Weltorganisation vorgeworfen, eine Entscheidung in der Frage bewusst zu verzögern, um keinen der Konfliktpartner zu verärgern. Bisher vertrat die UN die Position, dass es sich bei dem Visumstreit um einen bilateralen Konflikt handele.

Jennings zufolge haben die USA unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit gegen den Geist der UN-Charta verstoßen, die jedem UN-Mitgliedsland das Recht einräumt, in der Weltorganisation vertreten zu sein. Als souveräner Staat habe der Iran zudem das Recht, seine eigenen Botschafter zu benennen. Dazu brauche er weder die Erlaubnis der USA noch der UN, betonte der Experte, der in diesem Jahr eine Delegation von US-amerikanischen Professoren angeführt hatte, die in Teheran an Gesprächen mit Vertretern des iranischen Außenministeriums und mit den Unterhändlern der Atomgespräche teilnahmen.

Die Entscheidung der USA, dem vom Iran bestellten Gesandten Aboutalebi die Einreise zu verweigern, gilt als Verletzung des US-UN-Hauptquartiersabkommens von 1947, das einen reibungslosen Ablauf der UN-Arbeit gewährleisten soll.


Devotes Verhalten vor Hegemonialmacht

Wie ein ehemaliger Vertreter einer Nichtregierungsorganisation am Sitz der UN gegenüber IPS erklärte, verhalten sich die Vereinten Nationen im Umgang mit der Hegemonialmacht USA im Grunde wie die Mehrheit der Regierungen. "Sie halten den Mund und senken den Kopf."

"Erinnern wir uns an die Episode, als (der ehemalige UN-Generalsekretär) Kofi Annan 2004 Ex-Präsident George W. Bush in einem privaten Schreiben höflich vor einem massiven US-Militärangriff auf die irakische Stadt Fallujah warnte. Washington konterte mit einem heftigen Angriff auf Annan selbst." Nach Ansicht des ehemaligen NGO-Vertreters dürfte Ban Ki-moon dieser Vorfall bislang davon abhalten, auf die Verletzung des Amtssitzabkommens zu reagieren.

Jennings zufolge hat das anmaßende Verhalten, das der UN-Kongress am 7. April mit der Verweigerung des Visums an den Tag gelegt habe, in Verbindung mit der Zurückhaltung von US-Präsident Barack Obama, die Gefahr verschärft, dass der Streit über das iranische Atomprogramm wieder aufflackert. "Dieses kurzsichtige, reflexartige Handeln birgt das Potenzial eines Konflikts, der die Kriege im Irak und in Afghanistan in den Schatten stellen könnte", warnte er. "Natürlich haben die USA das Recht denen ein Visum zu verweigern, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen. Doch Botschafter Hamid Aboutalebi ist nicht so jemand. Er hat eine weiße Weste und eine lange Karriere als Diplomat vorzuweisen."

"Ein Grundsatz der Diplomatie ist, dass man nicht nur mit seinen Freunden, sondern auch mit denen spricht, mit denen man nicht gleicher Meinung ist, um Probleme zu lösen.", fügte er hinzu. Es bestehe ein dringender Bedarf an einem Frieden durch eine weitsichtige Diplomatie.

Die USA beschuldigen Aboutalebi, an der Besetzung der US-Botschaft in Teheran und der Geiselnahme des Botschaftspersonals beteiligt gewesen zu sein. Doch Aboutalebi hatte nach eigenen Angaben lediglich als Übersetzer und Vermittler zwischen den Geiseln und den Geiselnehmern agiert. Er sei zu dem Zeitpunkt der Besetzung durch eine Gruppe selbst ernannter Muslimschüler gar nicht in der iranischen Hauptstadt gewesen. (Ende/IPS/kb/2014)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2014