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MELDUNG/098: UNO fordert Reichensteuer zur Finanzierung von Hilfen an Südländer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Juli 2012

Entwicklung: UNO fordert Reichensteuer zur Finanzierung von Hilfen an Südländer

von Haider Rizvi



New York, 9. Juli (IPS) - Wie wäre es, wenn Milliardäre in aller Welt mit mindestens einem Prozent ihres Reichtums eine internationale Entwicklungssteuer finanzieren würden? Dieser Vorschlag wird von den Vereinten Nationen diskutiert. Ein neuer UN-Bericht beklagt nämlich, dass viele Geberstaaten ihren Zusagen, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen, nur zögerlich nachkommen.

"Es ist an der Zeit, andere Wege zu beschreiten, um die Entwicklungshilfe finanzieren zu können und den zunehmenden globalen Problemen wie etwa dem Klimawandel zu begegnen", sagte Rob Vos, der Hauptautor des Berichts 'World Economic and Social Survey 2012: In Search of New Development Finance'.

In ihrer Analyse kommen Vos und seine Kollegen zu dem Schluss, dass eine Steuer von einem Prozent auf Milliardenvermögen einen wichtigen Beitrag dazu leisten könnte, die Finanzierung international vereinbarter Entwicklungsinitiativen voranzutreiben.

Laut dem Magazin 'Forbes' gibt es zurzeit weltweit mehr als 1.200 Milliardäre, die in 58 Ländern leben. 400 von ihnen sind demnach in den USA zu Hause.

Dem UN-Report zufolge müssen dringend neue Finanzquellen für den Entwicklungssektor erschlossen werden, da zahlreiche Geber ihre Versprechen nicht eingehalten hätten. Die anhaltende wirtschaftliche Rezession habe diese Situation noch verschlimmert.

Nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen fehlen 167 Milliarden US-Dollar an offizieller Entwicklungshilfe. Die unterschiedlichen Organisationen, die gegen Armut, todbringende Krankheiten und den Klimawandel angehen, können ihre Ziele daher kaum erreichen.


Steuer auf CO2-Emissionen ebenfalls im Gespräch

Neben einer globalen Reichensteuer haben die UN-Experten weitere Vorschläge zur Anzapfung neuer Geldquellen vorgelegt, um internationale Anstrengungen für eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. So sind auch Steuern auf CO2-Emissionen, Luftverkehr sowie Finanz- und Währungstransaktionen im Gespräch, wie es sie in einigen Ländern auch bereits gibt.

Die UNO will nach eigenen Angaben mehr als 400 Milliarden Dollar jährlich für Entwicklung und globale Herausforderungen wie den Kampf gegen den Klimawandel aufbringen. Es wird jedoch immer schwieriger, diese Summe von den Regierungen der Mitgliedsstaaten verlässlich zu erhalten.

UN-Studien haben aufgezeigt, dass eine große Zahl von Entwicklungsländern den von der Weltorganisation anvisierten Millenniumsentwicklungszielen weit hinterherhinkt. Der Grund liegt vor allem darin, dass sie zu wenig Geld haben und nicht genügend Hilfen von den Geberstaaten bekommen.

Wissenschaftler erklären zwar, dass sie einen gewissen Fortschritt bei globalen Gesundheitsprogrammen beobachten, die auf Impfungen sowie AIDS- und Tuberkulosebehandlungen für Millionen Menschen in der Welt des Südens abzielen. Für derartige Initiativen würden aber so gut wie nie zusätzliche Finanzmittel neben der herkömmlichen Entwicklungshilfe bereitgestellt.

"Die Geberländer sind ihren Hilfszusagen nicht vollständig nachgekommen. Die Entwicklungshilfe ist im vergangenen Jahr aufgrund von Budgetkürzungen zurückgegangen. Die Finanzierungslücke ist daher noch größer geworden", meinte Vos.

Die an der Untersuchung beteiligten Experten sehen die Chance, dass allein durch eine Besteuerung der CO2-Emissionen in Industriestaaten jährlich mehr als 250 Milliarden Dollar eingenommen werden könnten, wenn pro Tonne Kohlendioxid 25 Dollar erhoben würden. Diese Steuer sollte von den Behörden der jeweiligen Staaten erhoben und der internationalen Entwicklungshilfe zur Verfügung gestellt würden - zusätzlich zu den nationalen Kohlendioxidsteuern, die einige Staaten bereits eingeführt haben.

Der Bericht empfiehlt zudem eine geringe Finanztransaktionssteuer von 0,005 Prozent auf alle Handelsgeschäfte in den vier wichtigsten Währungen (US-Dollar, Euro, Yen und Pfund). Damit könnten jährlich schätzungsweise 40 Milliarden Dollar für die Entwicklungshilfe aufgebracht werden.


"Rekordzahl gebrochener Versprechen"

Laut Vos ergeben solche Steuern in wirtschaftlicher Hinsicht einen Sinn, da sie grünes Wachstum fördern und Turbulenzen an den Finanzmärkten entgegenwirkten. Demnach würden neue Finanzstrukturen den Geberstaaten dabei helfen, die "Rekordzahl gebrochener Versprechen" auszugleichen.

"Der Report gibt wichtige Tipps zur Schaffung einer soliden finanziellen Basis für die Maßnahmen, die im Nachgang zu dem kürzlich auf der Rio+20-Konferenz der Vereinten Nationen geschlossenen Abkommen geplant sind, um auf der ganzen Welt eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen", sagte Sha Zukang, UN-Untergeneralsekretär für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten.

Laut der Untersuchung ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass angemessene Zuteilungsmechanismen innovative Finanzierungsstrukturen ermöglichen, mit deren Hilfe die Erfordernisse im Entwicklungsbereich erfüllt werden und die Entwicklungsagenda nach 2015 finanziert werden kann.

In den vergangenen Jahren sei es bereits gelungen, die Effizienz der Entwicklungshilfe zu erhöhen und den Globalen Fonds für den Kampf gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria aufzufüllen, hieß es. Diese Gelder seien aber vor allem aus bereits existierenden Entwicklungsbudgets gekommen. Seit 2006 wurden demnach insgesamt 5,8 Milliarden Dollar durch diese neuen Kanäle geschleust. Nur wenige Hundert Millionen Dollar stammten jedoch aus zusätzlichen Finanzquellen. (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.un.org/en/development/desa/policy/wess/wess_current/2012wess.pdf
http://www.slideshare.net/undesa/in-search-of-new-development-finance
http://www.theglobalfund.org/en/
http://www.ipsnews.net/2012/07/u-n-calls-for-tax-on-ultrarich-to-boost-development/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2012