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MELDUNG/023: China - Uigurinnen leben "im offenen Gefängnis", Aktivistin Kaseer kritisiert UN (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2010

China:
Uigurinnen leben "im offenen Gefängnis" - Aktivistin Kaseer kritisiert UN

Von Ida Karlsson


Stockholm, 25. Oktober (IPS) - Die Uigurin Rebiya Kaseer, eine der prominentesten Menschenrechtlerinnen Chinas, hat den Vereinten Nationen vorgeworfen, der repressiven Politik Pekings gegenüber der mehrheitlich muslimischen Minderheit der Uiguren tatenlos zuzusehen.

"Bis heute hat sich keine UN-Delegation in Xingjian blicken lassen, um sich vor Ort ein Bild von der systematischen Unterdrückung der Uiguren zu machen. Stattdessen begnügt man sich mit der Regierungspropaganda, dass wir alle dort unter chinesischer Führung ein glückliches Leben führen", sagte Kaseer im IPS-Gespräch in Stockholm, wo sie unlängst die schwedische Ausgabe ihrer Autobiographie 'Dragon Fighter' ('Kampen mot Draken') vorstellte.

"Berichte über das Schicksal uigurischer Frauen werden in den USA und in der Europäischen Union aufmerksam verfolgt. Doch die Vereinten Nationen betrachten den Umgang der chinesischen Regierung mit den Uiguren nicht als eine Frage der Menschenrechte, sondern als eine interne chinesische Angelegenheit", klagte Kaseer. "Hätten die UN es sonst zugelassen, dass Peking Hunderttausende junger uigurischer Frauen gegen ihren Willen aus ihrer ländlichen Heimat als billige Arbeitskräfte oder als Zwangsarbeiterinnen in den Osten, nach Xingjian umsiedelte?"

Um jungen Uigurinnen in ihren Rechten zu bestärken und ihnen zu einer Berufsausbildung und zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu verhelfen, gründete die politisch und wirtschaftlich außerordentlich erfolgreiche Geschäftsfrau, die ein Handelsunternehmen mit Millionen US Dollar Umsatz aufgebaut hatte, 1997 die 'Bewegung der 1.000 Mütter'. Später wurde der elffachen Mutter und Abgeordneten des Volkskongresses der Prozess gemacht. Das Gericht warf ihr vor, mit Separatisten in Verbindung zu stehen und Staatsgeheimnisse verraten zu haben.

Nach über fünfjähriger Haft konnte Kadeer dank internationaler Intervention 2005 das Gefängnis verlassen und in die USA übersiedeln. Dort ist sie inzwischen Präsidentin des in Washington ansässigen Weltkongresses der Uiguren. Die Dachorganisation der Exiluiguren setzt sich für das überwiegend muslimische Turkvolk ein.


Selbstbewusst zur uigurischen Identität stehen

Kadeers Engagement gilt vor allem jungen Uigurenfrauen. "Man verspricht ihnen in Chinas Osten hohe Löhne, doch dort müssen sie bis zu 14 Stunden täglich arbeiten und dürfen die Fabrikunterkünfte nicht verlassen. Manche werden zur Prostitution gezwungen. Man verbietet ihnen, mit ihren Familien in Kontakt zu bleiben oder in ihre Heimat zurückzukehren. Wer zu fliehen versucht, wird hart bestraft", berichtete die Menschenrechtsaktivistin. "Sie leben praktisch in einem offenen Gefängnis".

Auf die Frage, welche Botschaft sie heute an diese jungen Frauen richtet und was sie damit bisher erreicht hat, erklärte sie IPS: "Ich rate ihnen, Selbstvertrauen aufzubauen und ihre ethnische Identität zu bewahren. Sie sollen für die Menschenrechte eintreten und unsere Geschichte studieren, selbst wenn die chinesische Regierung dies verbietet." Das sei wichtig, denn "selbstbewusste Frauen haben selbstbewusste Kinder", betonte die 62-Jährige und fügte hinzu: "Eine Mutter bringt mit der rechten Hand die Wiege in Schwung und mit der linken Hand die Welt."


Befürworterin der UN-Resolution 1325

Im Interview mit IPS sprach Kardeer auch über die Notwendigkeit, die vor zehn Jahren vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution UNSCR 1325 über Frieden, Frauen und Sicherheit umzusetzen. "Ich bin eine absolute Befürworterin der Resolution über Frauen, Frieden und Sicherheit, die hoffentlich bald implementiert wird", sagte Rebiya Kadeer. "Es ist wichtig, dass die UN Frauen in Konflikten schützt und für ihre Rechte garantiert."

Die UNSCR 1325 begeht am 31. Oktober ihren zehnten Jahrestag. Sie strebt eine größere Repräsentanz der Frauen in allen entscheidungsrelevanten Ebenen in den nationalen, regionalen und internationalen Institutionen und Mechanismen für die Prävention, das Management und die Lösung von Konflikten an. Bisher sieht die Bilanz eher mager aus.

Mit der Bewegung der 1.000 Mütter habe sie zu Frieden beitragen wollen und Möglichkeiten für Frauen schaffen wollen, ihre Rechte zu schützen, sagte die Menschenrechtsaktivistin. "Es ist wichtig, dass die UN die Resolution implementiert und nicht nur als große Idee feiert." Auf die Situation in ihrer Heimatregion habe sie keinen Einfluss genommen. (Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2010