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GENDER/024: Südafrika - Sexuelle Minderheiten leben in ständiger Angst vor Hassverbrechen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Februar 2014

Südafrika: Hassverbrechen als eigener Straftatbestand - Sexuelle Minderheiten leben in ständiger Angst

von Melany Bendix


Bild: © Melany Bendix/IPS

Thembela, eine Lesbe aus Gugulethu in Kapstadt, verlässt aus Angst vor einer Vergewaltigung nachts nur selten das Haus
Bild: © Melany Bendix/IPS

Kapstadt, 17. Februar (IPS) - Thembela gehört zu den tausenden lesbischen Frauen Südafrikas, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in ständiger Angst leben, einem Sexualverbrechen zum Opfer zu fallen.

Die bekennende Lesbe aus dem Township Gugulethu in der Provinz Westkap ist der Gefahr einer sogenannten 'korrigierenden Vergewaltigung' ausgesetzt - ein Euphemismus für Hassverbrechen. "Viele Männer hassen uns für das, was wir sind", sagt die 26-jährige Filmemacherin der Fernsehdoku 'Street Talk'.

Thembela, die eigentlich anders heißt, lebt mit ihrer Freundin zusammen. "Das wissen die Männer in unserer Nachbarschaft. Sie können jederzeit unsere Tür eintreten und uns vergewaltigen. Sie sind meist in Gruppen unterwegs. Wir hätten also keine Chance", sagt sie und erklärt, dass bereits viele ihrer Freundinnen einem solchen Verbrechen zum Opfer gefallen sind.

Die genaue Zahl von Hassverbrechen einschließlich Morden ist unbekannt. Auch dieser Umstand dürfte das Justizministerium dazu veranlasst haben, ein politisches Rahmenwerk zur Bekämpfung von Hassverbrechen, Hassreden und diskriminierenden Handlungen zu erstellen. Es soll die Grundlage eines entsprechenden Gesetzes werden, durch das Hassverbrechen in den Rang eines eigenständigen Tatbestands erhoben werden.

"Die Botschaft dahinter lautet, dass wir Hassverbrechen in Südafrika nicht dulden werden", betont Vizejustizminister John Jeffery. Das Rahmenwerk sei nahezu fertig und werde "in Kürze" der Öffentlichkeit vorgestellt. Auch wenn es als eine direkte Antwort auf Hassverbrechen gegen Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle (LGBTI) gedacht war, soll es alle Formen von Hassverbrechen einschließlich Fremdenfeindlichkeit, rassistische Übergriffe und Hassreden abdecken.

Cobus Fourie von der Südafrikanischen Allianz der Schwulen und Lesben gegen Diffamierung begrüßt die Entscheidung, Hassverbrechen als separaten Tatbestand abzuhandeln. Dadurch werde endlich das ganze Ausmaß dieser Form der Gewalt erkennbar, betonte er.


"Gipfel des Eisbergs"

"Ohne einen solchen Straftatbestand, der zeigt, dass die Gewalt gegen LGBTI auf homophobische Vorurteile zurückzuführen ist, könnten wir kaum auf eine systematische Datenerfassung und Überprüfung des Problems hoffen", erklärt Ingrid Lynch, Beraterin der in Kapstadt ansässigen LGBTI-Lobbygruppe 'Triangle Project'. "Das, was wir bisher sehen, ist nur der Gipfel des Eisbergs."

Auch der Verfassungsrechtler Pierre de Vos begrüßt den Vorstoß der Regierung, dämpft aber die Hoffnungen auf einen durchschlagenden Erfolg. "In Südafrika gibt es eine Vielfalt progressiver Gesetze zum Schutz der LGBTI. Auch wurde die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Und doch können die Gesetze die LGBTI nicht vor der fortgesetzten Gewalt und Viktimisierung schützen", meint er.

Sibusiso Kheswa ist Koordinator von 'Gender Dynamix', der ersten afrikanischen Organisation, die sich auf Transsexuelle konzentriert. Wie er betont, macht es keinen Sinn, Gesetze zu verabschieden, wenn das Strafrechtssystem nicht in der Lage ist, sie effektiv umzusetzen. Wie Kheswa gegenüber IPS erklärt, liegt die Wurzel des Problems darin, dass das Strafrecht nicht opferfreundlich ist. Das zeige bereits der Kontakt mit dem Südafrikanischen Polizeidienst (SAPS), der ersten Anlaufstelle für die Opfer.

Lynch ist der gleichen Meinung. Ihre Untersuchung bestätigt, dass die LGBTI, die Gewalt und Vergewaltigung überleben, "aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in aller Regel von der Polizei gedemütigt und schikaniert werden". Viele Opfer zeigen aus Angst vor einer solchen zweiten Viktimisierung die Verbrechen durch Polizei und andere Akteure des Strafrechtssystems erst gar nicht an.

"Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass wir mit dem bestehenden zerrütteten Strafrechtssystem im Kampf gegen Hassverbrechen Fortschritte erzielen können", erklärt Lynch. "Wir brauchen eine strukturelle Transformation des gesamten Systems unter Berücksichtigung der Sorgen der LGBTI."


Bildung als Schlüssel

Fourie und de Vos halten Aufklärung für den Schlüssel, um Hassverbrechen gegen LGBTI zu unterbinden. Die Vorurteile müssten auf allen Ebenen thematisiert werden - in der Grundschule ebenso wie in den Ministerien, sagt de Vos.

Thembela und ihre Partnerin werden auch weiterhin ihre Haustür dreifach verriegeln. Doch auch sie hoffen, dass sie eines Tages in Sicherheit leben können. "Wenn es ein Gesetz gibt, dass uns schützt und Vergewaltigung hart bestraft, dann werden es sich die Kerle zweimal überlegen, ob sie auf uns losgehen", meint sie. "Und dann können wir endlich durchatmen." (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/02/south-africas-law-stop-hate-crimes-love/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2014