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FRAUEN/689: Schließen Feminismus und Mode einander aus? (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 141, 3/17

Schließen Feminismus und Mode einander aus?
Modelabels der anderen Art

von Amina El-Gamal


Ein Baumwoll-Leinen-T-Shirt aus der Dior-Kollektion 2017 um rund 550 Euro mit der Aufschrift "We should all be Feminists": Das ist nicht das einzige hochpreisige Produkt mit feministischen Forderungen. Feministische Statements sind ein Trend im Modegeschäft geworden - aber inwiefern lassen sich Mode und Feminismus miteinander verbinden? Und wodurch wird ein Modelabel feministisch?


Die feministische Auseinandersetzung mit Mode geschieht über mehrere Debatten: erstens zur Konstruktion von Identitäten und zweitens zur Sexualisierung von Frauenkörpern. Die Darstellung des sexuell verfügbaren Körpers der "weißen schlanken Frau" geht oft mit einem rassistischen Diskurs einher.

In einem dritten Aspekt geht es um eine Kritik an geltenden Arbeits- und Produktionsbedingungen in der Textilbranche, die vor allem weibliche Arbeitnehmerinnen betreffen. Modelabels, die sich mit dem Begriff des Feminismus schmücken, indem sie Sprüche wie "This is What A Feminist Looks Like", "No more Patriarchy", "Power to the Girls" auf T-Shirts drucken, jedoch die gängigen Schönheitsideale, die Geschlechterrollen von Mann und Frau, die Zustände in der Textilindustrie und die Ausbeutung der Arbeiter_innen ignorieren, sind deshalb kritisch zu betrachten. Feminismus wird so zu einer leeren Hülle und dazu benutzt, um kommerzielle Profite zu lukrieren - neue Käufer_innen zu gewinnen und trendig zu sein. Auch abseits von Fair-Trade-Mode gibt es Labels, die sich mit den gängigen Schönheitsidealen, der sexualisierten Darstellung des weiblichen Körpers und den Produktionsverhältnissen auseinandersetzen.


Genderneutrale Kleidung?

Rebirth Garments zum Beispiel ist ein US-Modelabel, das genderneutrale Kleidung produziert. Gründer_in Sky Cubacub bezeichnet sich selbst als "queer person of color" und träumte schon in der Highschool von einer Kollektion, die auf die Bedürfnisse von Queer-Crip-Jugendlichen eingeht. Rebirth Garments verkauft handgefertigte Mode in bunten Farben in allen Größen und für alle Menschen - insbesondere für trans* und behinderte Gemeinschaften, die sehr besondere Bekleidungsbedürfnisse haben, die von den Mainstream-Bekleidungsdesigner_innen nicht ausreichend bedient werden. Anstatt auf cisgender, heterosexuelle, weiße, dünne Menschen zentriert zu sein, ist Rebirth Garments auf Queer-Crip-Menschen fokussiert.

Sky Cubacub meint, dass die Art, wie sich jemand kleidet, unmittelbar auf die Stellung dieser Person in der Gesellschaft hindeutet. Während Männer als rational gelten und Kleidung tragen, die ihre Bewegungsfreiheit nicht einschränkt und den Körper nicht beeinträchtigt, wurden Frauen früher in sogenannte "patriarchale Kleidung" wie Korsetts gezwängt, weil sie als kindlich und emotional gesehen wurden. Rebirth Garments kritisiert diese zweigeschlechtliche Trennung, aber auch die Homogenität der Mainstream-Modeindustrie. Durch Radical Visibility verweigern sie sich einer Assimilierung und wollen eine Queer-Crip-Kleidungsreformbewegung schaffen.


Sexarbeiterinnen-Mode

Daspu, das Modelabel "der Huren", portugiesisch "das putas", aus Rio de Janeiro wurde 2005 von Gabriela Leite, Aktivistin und Gründungsmitglied der Sexarbeiter_innenbewegung und der Organisation Davida in Brasilien, gegründet. Davida finanziert sich mehrheitlich über öffentliche Gelder und Aidspräventionsprogramme des Gesundheitsministeriums. Davida wollte durch die Schaffung eines Modelabels die Abhängigkeit vom Staat und den öffentlichen Geldern für sozialhygienische Diskurse reduzieren und ihre politische Autonomie erhöhen. Daspu ermöglicht es zu zeigen, dass Davida nicht nur in der Aidsprävention, sondern auch an der Schaffung von neuen Jobs, ausgestattet mit fairen Arbeitsrechten und sozialer Anerkennung, arbeitet.

Die Sexarbeiter_innen in Rio de Janeiro setzen sich für arbeitsrechtliche Standards ein, um ihre Arbeit nicht mehr illegal ausüben zu müssen. Daspu versucht durch ModeschauDemonstrationen von Prostituierten und Sympathisant_innen auf den Straßen Rios Kleidung zu präsentieren, die durch Humor und Kreativität Aufmerksamkeit erregt. Beispielsweise zeigen sie T-Shirts mit Sprüchen wie "Somos más, podemos ser piores" - "Wir sind schlecht, aber wir könnten noch viel schlimmer sein". Oder sie zeigen ein Brautkleid aus Bettlaken von Stundenhotels in der Modeschau. Daspu kämpft mit seiner Mode für die Rechte der Sexarbeiter_innen, deren Arbeit immer noch kriminalisiert wird. So konnten in den letzten Jahren Kollektionen wie "Von Farofa bis Kaviar", das symbolisch für die unterschiedlichsten Arbeitsplätze in der Prostitution - von der einfachen Kneipe bis zum luxuriösen Club - steht, große Erfolge verbuchen.


Nahostkonflikt und Mode

In Israel entwirft das Label Comme il faut hochpreisige Damenkleidung. Das Modelabel wurde 1987 von Carol Godin und Sybil Goldfiner gegründet und kreiert Mode von Frauen für Frauen. Inspiriert durch Freiheitskämpfer_innen in Syrien und den Kampf der Frauen gegen Diskriminierungen in Israel, hat das Label eine politisch-feministische Agenda, obwohl dies in Israel nicht immer einfach ist. Comme il faut, auf Deutsch "wie es sein muss", produziert faire Kleidung, die sowohl die vorhandenen Geschlechterrollen von Männern und Frauen als auch den israelisch-palästinensischen Konflikt kritisiert. Kleidung für Frauen aller Altersgruppen, Größen und Körpertypen soll gegen die Unterdrückung durch die patriarchale Gesellschaft und als Ausdrucksform selbstbewusster Frauen dienen.

Durch die Produktion von jüdischen Gebetsschals - inspiriert von den Women of the Wall, die dafür kämpfen, vor der Klagemauer beten und den Gebetsschal tragen zu dürfen, was bisher nur den Männern gestattet ist - will das Label ein Statement zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Gesellschaft setzen. Aber auch durch das Entwerfen von Kleidern, die von traditioneller islamischer Kleidung inspiriert sind, und mit der Präsenz von arabischen Schriftzügen in ihrem Laden wollen sie Aufmerksamkeit erregen und die israelische Militärverwaltung in den palästinensischen Gebieten zum Gegenstand der gesellschaftlichen Diskussion machen.

Die aktuelle Kollektion 2017 von Comme il faut trägt den Namen "She was asking for it". Hiermit thematisiert und problematisiert Sybil Goldfiner die Tatsache, dass sexuelle Gewalt gerechtfertigt wird, indem die Opfer selbst verantwortlich dafür gemacht werden.

Diese drei Beispiele zeigen, dass es auch in der Modebranche möglich ist, Geschlechter- und Körperstereotype zu hinterfragen und zu verändern. Dazu muss man/frau kein 550-Euro-T-Shirt kaufen. Denn nicht vergessen: Nicht überall wo Feminismus draufsteht, ist auch Feminismus drinnen!


Webtipps: rebirthgarments.com // daspu.com.br // www.comme-il-faut.com

Zur Autorin:
Amina El-Gamal absolvierte ihre Bachelorstudien in Spanisch und Erziehungswissenschaft an der Universität Innsbruck. Gegenwärtig studiert sie Internationale Entwicklung im Master und Orientalistik Bachelor an der Universität Wien.

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 141, 3/2017, S. 12-13
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Sensengasse 3, A-1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org
 
Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro plus Porto
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2017

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