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FRAUEN/579: Sri Lanka - Wirtschaftswachstum bringt Frauen keine Gleichberechtigung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2015

Sri Lanka: Wirtschaftswachstum bringt Frauen keine Gleichberechtigung

von Ramjit Perera


Bild: © Adithya Alles/IPS

Frauen in Sri Lanka tragen schwer an der Doppelbelastung Arbeit und Familie
Bild: © Adithya Alles/IPS

COLOMBO (IPS) - Sri Lanka rühmt sich gern damit, das erste Land der Welt zu sein, das mit einem weiblichen Staatsoberhaupt aufwarten konnte. Sirimavo Bandaranaike kam 1960 an die Macht. Doch die positiven Auswirkungen dieser Entscheidung für die Frauen des Landes sind gering. 55 Jahre später kann von einer Gleichberechtigung der Geschlechter keine Rede sein.

Nach dem Ende des 26-jährigen Bürgerkriegs 2009 verzeichnete Sri Lanka ein relativ starkes Wirtschaftswachstum und Fortschritte im Kampf gegen Armut und Hunger. Die Armutsrate sank von 26,1 Prozent im Zeitraum 1990 bis 1991 auf 6,7 Prozent in den Jahren 2012 und 2013. Damit wurde das UN-Millenniumsentwicklungsziel, die Zahl der Armen bis Ende 2015 zu halbieren, lange vor dem Stichtag erreicht.


Frauen in Wirtschaft und Politik unterrepräsentiert

Was die Gleichberechtigung von Männern und Frauen angeht, hinkt der Inselstaat jedoch weit hinterher. 51,8 Prozent der etwa 21,8 Millionen Einwohner Sri Lankas sind Frauen, von denen aber nur 34 Prozent berufstätig sind. Im nationalen Parlament sind Frauen nur schwach vertreten.

In einer Rede vor der UN-Kommission für Bevölkerung und Entwicklung (CPD) in New York erklärte im April die für Kinder zuständige Ministerin Rosy Senanayake, dass Sri Lanka zu den wenigen Ländern Asiens zähle, in denen mehr Frauen als Männer leben. Mehr als 23 Prozent aller Familien haben ein weibliches Oberhaupt.


Höherer Einsatz für Gleichstellung von Frauen gefordert

In Zeiten des demografischen Wandels werde das Land allerdings nur dann weiterkommen, wenn Frauen und Jugendliche aktiver an der Erreichung der von den Vereinten Nationen vorgeschlagenen Nachhaltigen Entwicklungsziele für die Jahre nach 2015 beteiligt würden. "Wir brauchen dauerhaft höhere Investitionen, die auf eine Gleichstellung der Geschlechter und gesellschaftlichen Schutz ausgerichtet sind", sagte Senanayake.

US-Außenminister John Kerry hob kürzlich bei einem Besuch in der srilankischen Hauptstadt Colombo lobend hervor, dass die Frauen in Sri Lanka eine wichtige Rolle bei der Unterstützung Armer und Vertriebener spielten.

"Sie ermutigen die Menschen, sichere und prosperierende Wohnviertel aufzubauen. Sie geben ehemaligen Kämpferinnen und Überlebendem geschlechtsspezifischer Gewalt Rückhalt", so Kerry. Die Gesellschaft müsse den Frauen daher vollständige Partizipation in der Wirtschaft und im politischen Leben zusichern. "Im 21. Jahrhundert gibt es keine Rechtfertigung dafür, Frauen zu Zielscheiben von Diskriminierung und Gewalt zu machen."


Fast alle Einwohner besitzen Schulbildung

Die bisher erzielten Fortschritte in den Bereichen Bildung und Gesundheit können sich sehen lassen. Nahezu alle Einwohner des Landes verfügen über eine grundlegende Schulbildung. Fast 100 Prozent der Erstklässler erreichen die fünfte Klasse.

Die Arbeitslosigkeit ist laut offiziellen Erhebungen auf weniger als vier Prozent gesunken. Die Müttersterblichkeitsrate ging von 92 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten im Jahr 1990 auf 33,3 im Jahr 2010 zurück. Die Alphabetisierungsrate bei den 15- bis 25-Jährigen stieg von 92,7 Prozent 1996 auf 97,8 Prozent 2012.

Sri Lanka habe sich seit dem Ende des Bürgerkriegs von einem Land mit niedrigem zu einem Staat mit mittlerem Einkommen entwickelt, erklärte der UN-Koordinator in Colombo, Subinay Nandy. Obwohl sich die Situation im Bildungs- und Gesundheitsbereich enorm verbessert hat, ist die Gleichbehandlung von Frauen im Berufsleben und in der Politik offenbar nur schwer herbeizuführen.

Mit Bezug auf den von der srilankischen Regierung für die UN erstellten Länderreport zu den Millenniumszielen sagte Nandy, Sri Lanka sei alles in allem in einer guten Position. Viele dieser Ziele seien erreicht, und bei den meisten anderen könne der Zeitplan ebenfalls eingehalten werden.


Gesundheitliche Risiken bleiben bestehen

Andererseits steigt die Zahl der Fälle von HIV/Aids trotz niedriger Prävalenz weiter an. Auch Tuberkulose bleibt ein Problem des öffentlichen Gesundheitssektors, und Fälle von Dengue-Fieber nehmen zu. Auch die Probleme im Zusammenhang mit unbeabsichtigten Teenager-Schwangerschaften und gesundheitlich riskanten Abtreibungen sind enorm.

Senanayake räumte in New York überdies ein, dass die Arbeitslosenrate bei Frauen fast doppelt so hoch sei wie bei Männern. Dabei verschafften weibliche Arbeitsmigranten und Frauen, die auf Plantagen oder in Fertigungsbetrieben für Exportwaren im Einsatz sind, dem Staat beträchtliche Deviseneinnahmen.

Ein Großteil der weiblichen Beschäftigten sei allerdings im informellen Sektor tätig, sagte die Ministerin. "Dadurch sind sie verstärkt Ausbeutung und Übergriffen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Frauen können zudem nur eingeschränkt erwerbstätig sein, weil sie die Hauptverantwortung für die Betreuung der Familienangehörigen tragen."

Die srilankische Regierung erkennt an, dass die Entwicklung des Landes von Garantien für Chancengleichheit von Frauen am Arbeitsplatz abhängt. "Wir sind daher fest entschlossen, die nötigen rechtlichen und strukturellen Nachbesserungen vorzunehmen, um den ausgegrenzten Gesellschaftsgruppen angemessene Arbeit zu sichern", sagte Senanayake.

Notwendig seien in diesem Zusammenhang auch eine Stärkung der Rechte von Frauen im Bereich der reproduktiven Gesundheit, effiziente Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie eine konsequentere Strafverfolgung der Täter. Diese Faktoren haben laut Senanayake entscheidenden Einfluss darauf, ob Sri Lanka seine "demographische Dividende" nutzen kann. (Ende/IPS/ck/08.05.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/05/sri-lankas-development-goals-fall-short-on-gender-equality/

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IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2015

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