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FRAUEN/444: Von Friedensgesprächen ausgeschlossen - Internationale Frauengruppen protestieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. November 2012

Frauen: Von Friedensgesprächen ausgeschlossen - Internationale Frauengruppen protestieren

von Thalif Deen


Kolumbianerinnen sagen: Frauenkörper sind keine Kriegsbeute - Bild: © 'Intermón Oxfam'

Kolumbianerinnen sagen: Frauenkörper sind keine Kriegsbeute
Bild: © 'Intermón Oxfam'

New York, 28. November (IPS) - Kurz vor dem geplanten Treffen des UN-Sicherheitsrats (UNSC) zum Thema Frauen, Frieden und Sicherheit hat ein Bündnis aus 63 internationalen Frauen- und Nichtregierungsorganisationen die Abwesenheit von Frauen an den Friedensgesprächen in Mali und Kolumbien kritisiert.

In einem Schreiben an UN-Untergeneralstaatssekretärin Michelle Bachelet und UN-Vizegeneralsekretär Jan Eliasson beschwerten sich die Verbände ferner darüber, dass nur zwei der neun im letzten Jahr unterzeichneten Friedensabkommen Regelungen zu Frauen, Frieden und Sicherheit beinhalten würden. Zudem hätten lediglich vier der Delegationen, die 2011 in 14 Friedensprozessen involviert gewesen seien, nur jeweils ein weibliches Mitglied vorweisen können.

Organisationen wie die 'FriedensFrauen Weltweit', das 'Global Network of Women Peacebuilders' (GNWP) und das 'International Civil Society Action Network' (ICAN) brachten ihre "tiefe Sorge" zum Ausdruck, dass Frauen am politischen Übergangsprozess in Mali und an den derzeit laufenden Friedengesprächen zwischen der kolumbianischen Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) nicht beteiligt seien.

Wie GNWP-Koordinatorin Mavic Cabrera-Balleza gegenüber IPS erklärte, hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bereits in seinem Bericht 2012 zu Frauen, Frieden und Sicherheit bemängelt, dass den Worten und Resolutionen bislang keine Taten gefolgt seien. Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt seien sowohl die Ursache als auch die Folge der geringen Beteiligung von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen. "Solange Frauen nicht Teil der Entscheidungsfindung sind, wird dieses Übel fortbestehen"

Am 30. November wird der UN-Sicherheitsrat unter dem Vorsitz von Botschafter Hardeep Singh Puri, dem ständigen Vertreter Indiens bei den Vereinten Nationen, über die Resolution 1325 und den Stand ihrer Umsetzung beraten. Sie war am 31. Oktober 2000 einstimmig vom UN-Sicherheitsrat angenommen worden und sieht vor, dass Frauen in allen nationalen, regionalen und internationalen Entscheidungsgremien und Mechanismen zur Vermeidung, Behandlung und Lösung von Konflikten stärker repräsentiert sein müssen. Zudem sind alle Parteien bewaffneter Konflikte aufgefordert, Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt und anderen Formen von Gewalt zu schützen.


Anspruch und Wirklichkeit aufdecken

Nach Ansicht von Cora Weiss, Vorsitzende des Haager Friedensappells und UN-Vertreterin des Internationalen Friedensbüros, ist es an der Zeit, dass der Sicherheitsrat kleine Arbeitsgruppen bildet, die die UNSC-Resolutionen nach ihren Auswirkungen auf die Frauen und deren Partizipation durchforstet.

Die Resolution 1325 habe mehr Aufmerksamkeit und mehr Lippenbekenntnisse erfahren als jede andere Resolution, unterstrich die Expertin. "Alle sprechen von Frauen. Doch wo sind wir nur?", fragte sie. Bis Frauen Männern gleichgesetzt und in den Entscheidungsfindungsorganen gleichberechtigt vertreten seien, müsse noch viel geschehen.

Weiss forderte den UN-Generalsekretär auf, ein von einer Frau geführtes ständiges Büro für die Teilnahme von Frauen an Friedensprozessen einzurichten.

Treibende Kraft hinter der Resolution 1325 war UN-Botschafter Anwarul K. Chowdhury gewesen, der im März 2000 als Präsident des UN-Sicherheitsrates die Annahme der bahnbrechenden Resolution herbeiführte. Er hat sich seither darum bemüht, die internationale Aufmerksamkeit auf den "nicht anerkannten, ungenutzten und unterschätzten Beitrag von Frauen bei der Kriegsprävention und in der Friedensarbeit" zu lenken.

Wie er 2010 zum zehnten Jahrestag der Resolution betonte, ist Partizipation das Schlüsselelement der Resolution, um Frauen zu Entscheidungen und somit zur Gestaltung solcher Gesellschaften zu befähigen, in denen Gewalt gegen Frauen nicht die Norm sei. Jedoch werde der historische und operative Wert der Resolution unterschätzt, was sich in einer traurigen Umsetzung niederschlage.

Chowdhury kritisierte zudem die Mittäterschaft des Weltsicherheitsrats an internationalen Praktiken, die die Sicherheit von Frauen beeinträchtigten, vor allem durch die Unterstützung existierender zwischenstaatlicher Sicherheitsarrangements.

Cabrera-Balleza zufolge sind die Fortschritte bei der Umsetzung der Resolution 1325 schleppend und inkonsistent. In den letzten zwölf Jahren seit der Verabschiedung der Resolution seien nur 38 nationale Aktionspläne eingereicht worden. Somit hätten sich ganze 19 Prozent der 193 UN-Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtung gehalten. Bleibt es bei der Rate, wird bestenfalls die Hälfte aller UN-Mitgliedsstaaten frühestens in 50 Jahren den nötigen politischen Willen zeigen, die Resolution und die sie unterstützenden Resolutionen systematisch umzusetzen.

"Warum verwenden die Regierungen nicht die Indikatoren, die im Rahmen der Resolution 1889 festgelegt wurden?", fragte Cabrera-Balleza. Diese Resolution war bereits im Oktober 2009 verabschiedet worden und beinhaltet die für die Umsetzung von 1325 sinnvollen Indikatoren.


In den Friedensprozessen in Mali und Kolumbien sind Frauen abwesend

Weiss zufolge gibt es derzeit mindestens zwei Konflikte, die sich theoretisch friedlich beilegen ließen. Kolumbien und Mali. An den Verhandlungen zwischen Bogotá und der kolumbianischen Rebellenorganisation FARC müssten Frauen als unabhängige Stimmen gehört werden, verlangte sie.

"Es gibt viele Frauennetzwerke in Kolumbien, die über brillante und erfahrene Mitglieder verfügen, die Zeugen und Opfer des 50-jährigen Krieges geworden sind", sagte sie. Diese Menschen unterstützten den Friedensprozess und stellten vernünftige Forderungen wie das Ende der Straffreiheit für Vergewaltiger.

Was die Tragödie in Mali angeht, wird der Prozess für den Wiederaufbau der Armee Weiss zufolge sechs bis zwölf Monate in Anspruch nehmen. Parallel dazu müsse der Friedensprozess vorangebracht werden. "Doch wo sind die Frauen geblieben, die diesen Prozess begleiten müssten? Man hat uns gesagt, dass nur 'politische Kräfte' zum Verhandlungstisch zugelassen sind."

Ein nicht näher genanntes ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates hatte gegenüber Weiss erklärt, dass man einem souveränen Staat nicht vorschreiben könne, was er zu tun habe. "Doch wie werden Staaten jemals den Entscheidungen des Sicherheitsrates nachkommen, wenn sie nicht an ihre im Rahmen der Charta eingegangenen Verpflichtungen erinnert werden?"

Weiß zufolge könnten Kolumbien und Mali Geschichte schreiben, indem sie die Resolution 1325 beherzigten. "Wir hoffen, dass die gleichberechtigte Teilhabe an der Entscheidungsfindung, die Einhaltung der Menschenrechte und Friedenserziehung zu den Maßnahmen gehören werden, die einen dauerhaften Frieden ermöglichen." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.gnwp.org/letters-to-usg-bachelet-and-dsg-eliasson-calling-for-womens-participation-in-the-peace-processes-on-mali-and-colombia
http://www.1000peacewomen.org/eng/aktuell.php
http://www.ipsnews.net/2012/11/why-are-women-shut-out-of-peace-talks/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2012