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FRAUEN/441: Pakistan - Nach Attacke auf Malala, Eltern fordern mehr Sicherheit an Mädchenschulen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. November 2012

Pakistan: Nach Attacke auf Malala - Eltern fordern mehr Sicherheit an Mädchenschulen

von Ashfaq Yusufzai


Schülerinnen beten für die bei einem Taliban-Anschlag verletzte Malala - Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Schülerinnen beten für die bei einem Taliban-Anschlag verletzte Malala
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, 6. November (IPS) - Schülerinnen in Pakistan lassen sich von dem Mordversuch an der 15-jährigen Bloggerin und Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai offensichtlich nicht einschüchtern. Eltern im Norden Pakistans sind jedoch in wachsender Sorge um die Sicherheit ihrer Kinder.

Mitglieder der verbotenen islamistischen Gruppe 'Tehreek Taliban Pakistan' hatten im letzten Monat Malala außerhalb ihrer Schule im Swat-Tal in den Kopf geschossen. Der Teenager erholt sich zurzeit in Großbritannien von der erlittenen Hirnverletzung. In ihrem Land hat der Zwischenfall tiefe Spuren hinterlassen.

"Meine Frau und ich machen uns viele Gedanken über die Sicherheit unserer Kinder. Taliban-Kämpfer halten jetzt Ausschau nach 'weichen Zielen' wie Schülerinnen", sagt Zawar Hussain, ein Regierungsbeamter, dessen drei Töchter die größte Mädchenschule in Khyber Pakhtunkhwa, die 'University Model School', besuchen.

Vor dem Anschlag auf Malala hatten Islamisten bereits in mehreren Teilen der Provinz und in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) Schülerinnen angegriffen. Das Schicksal der 15-Jährigen hat das Land jedoch aufgerüttelt. Viele Menschen fordern jetzt Sicherheitsvorkehrungen. "Wir haben den Schuldirektor aufgefordert, dringend ein Treffen von Eltern und Lehrern anzusetzen, damit wir über Sicherheitsmaßnahmen sprechen können", sagt Hussain.


Verletzte und Tote durch gezielte Angriffe

Bei einem größeren Angriff auf eine Mädchenschule in Lund Khwar im Distrikt Mardan waren im März vergangenen Jahres 35 Schülerinnen verletzt worden. Der Vorfall zeigte, dass die Taliban in Khyber Pakhtunkhwa und in den angrenzenden FATA nach wie vor aktiv sind. Im Oktober 2011 attackierten Extremisten eine Schule in Peshawar. Dabei wurden vier Kinder und ein Fahrer getötet.

Die Taliban nahmen vor allem Mädchenschulen ins Visier, nachdem sie nach dem Sturz ihrer Regierung in Afghanistan 2001 in den FATA Unterschlupf gefunden hatten. 2005 weiteten sie ihre Kampagne gegen Bildung auf die benachbarte Provinz Khyber Pakhtunkhwa aus. Den Kämpfern zufolge ist Bildung für Frauen nicht mit dem Islam zu vereinbaren. In Khyber Pakhtunkhwa und in den FATA wurden bisher insgesamt rund 800 Schulgebäude in die Luft gesprengt. Und ein Ende der Anschläge ist nicht in Sicht.

"Wir sind bereit, mehr zu zahlen, um die Schulen sicherer zu machen", erklärt der zweifache Vater Muhammad Rehan und berichtet, dass die Taliban von Swat aus weiter nach Pakistan vordringen würden. "Sie wissen, dass sie mit Angriffen auf Mädchen leicht Angst schüren können."

"Nach dem Anschlag auf Malala haben wir etliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen", berichtet Nadeem Ahmed, der Direktor der Sarhad-Schule in Peshawar. "Verdächtige Personen in Schulnähe müssen sofort gemeldet werden." Außerdem dürfen die Schülerinnen das Gebäude nicht mehr in großen Gruppen verlassen. Den Attentätern dürfen wir keine große Angriffsfläche bieten."

"Meine Mutter will, dass ich zu Hause bleibe, aber ich habe keine Angst", sagt Palwasha Bibi, die zur 'Ashraf Memorial School' in Canal Town in Peshawar geht. "Meine Mutter liebt mich und will natürlich, dass mir nichts geschieht. Auch wenn ihre Sorge berechtigt ist, dürfen wir aber nicht dem Unterricht fernbleiben. Wir sollten stattdessen Sicherheitsmaßnahmen ergreifen."

Einige Klassenkameradinnen kommen inzwischen verschleiert zur Schule, weil ihre Eltern hoffen, sie damit vor Angriffen zu schützen. "Die Taliban werden keine verschleierten Schülerinnen verletzen", meint auch Bibi.


Bewaffnetes Wachpersonal

Wie Bildungsminister Sardar Hussain Babak gegenüber IPS erklärt, ist es nicht möglich, alle 30.000 Schulen der Provinz Polizeischutz zu geben. Die Koordination zwischen Eltern und Lehrern sei jedoch verstärkt worden, um Taliban-Anschläge zu verhindern. "Wir haben damit begonnen, die Wachposten vor den Schulen zu bewaffnen und die Zusammenarbeit zwischen den Schulverwaltungen und der Polizei zu verbessern. In einigen Distrikten bilden wir Wachen aus."

Zudem dürfen Fahrzeuge nur noch in Ausnahmefällen in Schulnähe parken. Die Polizei ist angewiesen, auf Verdächtige in der Nähe der Gebäude zu achten. Nach Angaben des stellvertretenden Bildungsbeauftragten Ghulam Farooq sind die Bildungseinrichtungen angewiesen worden, die Sicherheit der Mädchen vor allem nach Schulende zu verstärken. "Wir führen Kontrollen durch. Schulleiter, die sich nicht an die Auflagen halten, müssen mit Strafen rechnen." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.upesh.edu.pk/academics/Schools/ums/ums.html
http://www.ipsnews.net/2012/11/parents-worry-after-malala-attack/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2012