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FRAUEN/435: Bangladesch - Gewalt gegen Frauen auf dem Vormarsch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Oktober 2012

Bangladesch: Gewalt gegen Frauen auf dem Vormarsch

von Naimul Haq


Gewalt gegen Frauen nimmt in Bangladesch zu - Bild: © Naimul Haq/IPS

Gewalt gegen Frauen nimmt in Bangladesch zu
Bild: © Naimul Haq/IPS

Dhaka, 19. Oktober (IPS) - Bangladesch hat sich mit der Umsetzung der UN-Millenniumsentwicklungsziele zur Armutsbekämpfung international einen Namen gemacht. Doch die zunehmende Gewalt gegen Frauen wirft einen Schatten auf die bisherigen Erfolge.

Nach Polizeiangaben kam es in den ersten neun Monaten dieses Jahres zu 4.563 Gewalttaten gegen Frauen, die mit Mitgiftstreitigkeiten zusammenhingen. 2004 waren es noch 2.981 gewesen. Auch Vergewaltigungen nehmen zu. 2004 wurden 2.901 Fälle, in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres bereits 2.868 Fälle gezählt.

Farida Akhtar, eine international bekannte Menschenrechtsaktivistin, bringt den Anstieg der Gewalt mit einem wachsenden Selbstbewusstsein der bangladeschischen Frau in Verbindung. "Frauen werden immer dann angegriffen, wenn sie sich durch Bildung ihrer Rechte bewusst werden und diese einfordern", sagt sie.

In Bangladesch gehen 95 Prozent der Mädchen zur Schule. Damit befindet sich das Land auf dem richtigen Weg, um die auch auf Geschlechtergerechtigkeit abzielenden Millenniumsziele zu erreichen.

Akhtar, Gründerin der unabhängigen Organisation UBINIG, sieht Anzeichen dafür, dass sich Bangladeschinnen auf eine Zunahme psychischer Misshandlungen gefasst machen müssen. "Leider kann seelische Folter nicht quantifiziert werden und wird oft nicht aktenkundig. Bezeichnend ist jedoch, dass Selbstmorde die Hauptursache für Todesfälle bei Frauen in diesem Land sind."


Übergriffe aus Angst vor Repressalien verschwiegen

Frauenrechtlerinnen zufolge werden viele Gewalttaten aus Angst vor Repressalien religiöser und politischer Führer nicht angezeigt. Viele Anzeigen werden als Falschaussagen abgetan. Nach Polizeiangaben wurden im Zeitraum 2010 bis August 2012 fast 110.000 Fälle von Gewalt gegen Frauen angezeigt, 18.484 näher untersucht, doch nur 6.875 juristisch weiterverfolgt.

In vielen Fällen werde das Gesetz missbraucht, um die Beschuldigten zu schikanieren, meint Mohammad Munirul Islam, als Generalinspektor bei der Polizei verantwortlich für die Untersuchung von Gewaltakten gegen Frauen. "Es scheint so, als sind nicht alle Anzeigen gerechtfertigt."

Anderer Ansicht ist Afroza Parvin, Leiterin der Organisation 'Nari Unnayan Shakti'. Da sich viele Frauen inzwischen ihrer rechtlichen Lage bewusst seien, würden sie ihre Stimme erheben, um ihre Recht einzufordern, sagt sie. Vor dem Gang zur Polizei schreckten sie aber noch zurück. "In den 20 Jahren, in denen wir uns mit Gewalt gegen Frauen befassen, haben wir festgestellt, dass die Polizei oft nicht mit den Opfern zusammenarbeitet, sondern die Beschuldigten bevorzugt." Nach Ansicht der Frauenaktivistin Shireen Huq besteht das Hauptproblem darin, dass häufig Augenzeugen und Beweise fehlen, um die Täter zu überführen.

Die Nichterfüllung von Mitgiftforderungen ist in Bangladesch einer der Hauptgründe für Gewalt gegen Frauen. Durchschnittlich kommt es jedes Jahr zu rund 5.000 Anzeigen in diesem Zusammenhang. Trotz aller Debatten über das Thema werden viele Anzeigen nicht ernst genommen. So berichtet die Vereinigung von Rechtsanwältinnen in Bangladesch (BNWLA), dass im vergangenen Jahr 420 Vergewaltigungen angezeigt, doch in nur 286 Fällen Ermittlungen eingeleitet wurden.


Frauen in der Ehe und beim Sorgerecht diskriminiert

Die BNWLA-Chefin Salma Ali zufolge ergeben sich die Schwierigkeiten der Frauen, ihre Rechte wahrzunehmen, aus den streng patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen. "Frauen werden in der Ehe, beim Sorgerecht für Kinder und bei Erbschaften diskriminiert, oft durch religiöse Direktiven", sagt die Juristin.

Die bangladeschische Regierung hat in den letzten Jahren viel versprechende Schritte eingeleitet, um die Lage von Frauen zu verbessern. Bereits im Jahr 2000 wurde ein Gesetz zur Ahndung von Gewalt gegen Frauen erlassen. 2009 folgte das Nationale Menschenrechtsgesetz und ein Jahr später das Gesetz gegen häusliche Gewalt. Bangladesch hat außerdem internationale Abkommen zu Schutz von Frauen und ihren Rechten unterzeichnet. Aktivisten kritisieren jedoch, dass bisher jedoch wenig unternommen wurde, um den Frauen eine sichere Umgebung zu schaffen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.un.org/millenniumgoals/
http://www.ubinig.org/
http://www.nusbd-women.org/
http://www.bnwlabd.org/
http://www.ipsnews.net/2012/10/violence-against-women-persists-in-bangladesh/

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IPS-Tagesdienst vom 19. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2012